Schweitzer Fachinformationen
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»Eine Matschleiche auf Gleisen. Das hat mir heute gerade noch gefehlt«, stöhnte der kurz gewachsene übergewichtige Hauptkommissar Franz Wurmdobler, während er mit seinem durchtrainierten mittelgroßen Kollegen, Kommissar Bernd Müller, den Unfallort erreichte.
Zuerst war sein Auto in der Früh nicht angesprungen. Dann hatte er in der Kantine keinen Schweinsbraten mehr bekommen, weil er eine Minute zu spät dran war. Nach der Mittagspause hatte ihn der Chef zur Minna gemacht, weil die letzte Reisekostenabrechnung angeblich minimal nicht gestimmt hatte. Und jetzt das.
»Das dritte Mal dieses Jahr«, fuhr er fort. »Scheint immer mehr in Mode zu kommen, sich auf diese Art umzubringen.« Er schüttelte genervt und erschüttert zugleich den haarlosen Kopf.
»Sein Name war Gerhard Bockler«, erwiderte Bernd, den die Kollegen auf dem Revier wegen seiner teils überharten, nicht immer ganz legalen Verhörmethoden auch den scharfen Bernd nannten. »Er war der Schuldirektor vom Pasinger Gymnasium. Vielleicht ein Burn-out. Kommt bei Lehrern immer häufiger vor, wie man hört.«
»Kannst du neuerdings hellsehen?« Franz zog erstaunt die Brauen hoch.
»Nein, noch nicht. Wieso?«
»Woher weißt du dann den Namen des Opfers?«
»Eine SMS vom Revier. Ist gerade gekommen.« Bernd hielt seinem Vorgesetzten das Display seines Handys unter die Nase. »Ein Zeuge des Unfalls hat ihn offenbar gekannt und es den Kollegen telefonisch gemeldet.«
»Ist dieser Zeuge noch hier?«
»Keine Ahnung. Aber die Kollegen haben bestimmt seinen Namen und die Adresse. Es sei denn, er hat anonym angerufen.«
»Überprüfen und Aussage persönlich aufnehmen, Bernd.« Franz stieg ächzend über eine kleine Leiter, die die Kollegen von der Spurensicherung aufgestellt hatten, ins Gleisbett hinunter.
»Geht klar, Chef.« Bernd nickte, während er die Nummer des Reviers wählte. Er folgte Franz. »Wie kann man sich bloß umbringen? Total überflüssig. Man stirbt doch sowieso irgendwann von selbst.«
»Keine Ahnung. Verzweiflung? Panik? Depressionen?« Franz zuckte die Achseln. »Schlimm ist so was auf jeden Fall. Aber schauen wir erst mal, ob's wirklich ein Selbstmord war.«
»Du meinst .« Bernd beendete den Satz nicht.
»Mord, ja. Warum nicht. Ein kleiner Stoß in den Rücken bei dieser Masse an Wartenden und schon ist es um dich geschehen. Ich habe selbst jedes Mal ein mulmiges Gefühl, wenn ich ganz vorne in der Wartereihe stehe.«
»Dann stell dich halt nicht ganz vorne hin.«
»Geht halt nicht immer, Schlaumeier.«
»Wieso nicht?«
»Manchmal schieben sie dich eben nach vorn. Aber Schluss jetzt damit. Wir haben einen Toten. Zumindest einige Teile von ihm.« Franz wischte ärgerlich mit der Hand durch die Luft. Er hatte keine Lust, vor seinem Untergebenen als unentschlossener Depp dazustehen, wenn er zugab, dass er sich nur zu gerne wegen der Aussicht auf einen Sitzplatz in der U-Bahn nach vorne an die Bahnsteigkante drängelte, obwohl er dabei tatsächlich jedes Mal Angst davor hatte, auf die Gleise hinuntergeschubst zu werden. Sei es auch nur versehentlich.
»Servus, Heinz«, grüßte Bernd seinen Kollegen in der Ettstraße am Telefon. »Sag mal, der Zeuge in deiner SMS, ist der noch hier bei uns am Unfallort? Weißt du das?«
»Der ist heimgegangen. Aber er hat mir seine Adresse hinterlassen.«
»Perfekt, danke. Schick sie mir bitte aufs Handy, ich schau nachher noch bei ihm vorbei, okay?«
»Geht klar, Bernd.«
»Haben sich noch weitere Zeugen gemeldet?«
»Bei uns nicht.«
»Na gut. Servus.«
»Servus.«
Sie legten auf.
Franz und Bernd waren die paar Meter vom nahe gelegenen Revier in der Ettstraße zu Fuß hergeeilt. Obwohl Franz zehnmal lieber seinen wohlverdienten Feierabend angetreten hätte, als einen Toten in seinen Einzelteilen zu begutachten.
Sein alter Freund und Exkollege Max Raintaler wartete seit einer guten Viertelstunde in Monika Schindlers kleiner Kneipe auf ihn. Aber Job war nun mal Job. Mit Monika an seiner Seite, würde es Max schon nicht langweilig werden. Immerhin verband die beiden seit einer halben Ewigkeit so etwas Ähnliches wie eine Beziehung miteinander.
Dass er nicht unbedingt den angenehmsten Beruf gewählt hatte, war Franz gleich zu Anfang seiner Zeit bei der Münchner Kripo klar geworden. Sie sollten damals einen Mordfall in den höchsten Kreisen aufklären. Staatsanwaltschaft, Presse und sogar die Staatsregierung machten enormen Druck, sodass er und Max, der den Fall mit ihm gemeinsam bearbeitete, wochenlang nicht mehr als vier Stunden pro Nacht geschlafen hatten.
»Was haben wir?«, wandte er sich jetzt an den Chef der Spurensicherung.
»Nicht viel«, erwiderte Rudi Hauser. »Wir klauben immer noch die verschiedenen Körperteile des Opfers zusammen. Hat etwas von einem gruseligen Puzzle.«
»Lässt irgendetwas darauf schließen, dass er vor die U-Bahn geschubst wurde?« Franz machte ein neugieriges Gesicht.
»Bin ich Jesus?« Rudi warf entnervt die Arme in die Luft. »Frag den Fahrer. Der sitzt mit einem sauberen Schock im Leib da hinten.« Er zeigte auf die Sitzreihe nördlich von ihnen. »Ich bin froh, wenn ich seine Beine wiederfinde. Die wurden genau wie der Kopf und der rechte Arm glatt vom Rumpf abgetrennt. Kopf und Arm haben wir. Aber komischerweise sind die Beine verschwunden.«
»Alles klar, Rudi. Die Beine findet ihr sicher noch. Es wird sie ja wohl keiner mitgenommen haben. Bericht an mich morgen früh?«
»Den Bericht bekommst du, sobald er fertig ist, Franzi. Ob das morgen in der Früh ist, kann ich dir nicht sagen. Wir sind auch nur Menschen in unserer Abteilung. Für Wunder musst du dich an den da oben wenden!« Rudi zeigte mit dem Finger auf die Decke des U-Bahnhofs.
»An den Bürgermeister?« Franz grinste, obwohl die Gesamtsituation gerade alles andere als lustig war. Andererseits war es eine unbestreitbare Tatsache, dass sich das Rathaus direkt über ihnen befand. Eine solch einmalige Gelegenheit für einen passenden Spruch konnte er sich als leidenschaftlicher Witzeerzähler und privater Kneipenspaßvogel nicht entgehen lassen.
»Depp.« Rudi grinste nicht. Ihm war der Humor für heute offenbar vergangen. Verständlich. Er drehte sich brüsk zu seinen Leuten um, die sorgsam jeden Stein im Gleisbett untersuchten.
»Servus, Rudi. Nichts für ungut«, lenkte Franz ein. Er merkte, dass er zu weit gegangen war. Einem alten Profi wie Rudi musste er keinen Druck machen. Der wusste selbst gut genug, dass es bei einem Unfall aus ungeklärten Ursachen mit den Ermittlungsergebnissen eilte. »Wir machen erst mal mit dem Fahrer weiter.«
»Tut das, Franzi. Super Idee«, rief ihm Rudi über die Schulter hinweg zu.
Aus dem U-Bahnfahrer war nur sinnloses Gestammel herauszubringen. Der Notarzt, der bei ihm war, meinte, dass es vernünftiger wäre, ihn morgen zu befragen. Er müsse mit seinem Schock erst einmal ins Krankenhaus gebracht und dort eine Zeit lang beobachtet werden. Franz und Bernd ließen sich seinen Namen und das Krankenhaus, in das er gebracht werden sollte, nennen. Danach fuhren sie mit der Rolltreppe ins Obergeschoss des U-Bahnhofs hinauf. Mit etwas Glück warteten unter den Schaulustigen, die sich dort vor der Absperrung versammelt hatten, weitere Unfallzeugen auf sie.
Als sie oben ankamen, sahen sie, dass mehrere Beamte in Uniform bereits mit der Befragung der Leute begonnen hatten.
»Habt ihr etwas für uns, Erwin?«, erkundigte sich Franz bei Erwin Brunner, einem älteren knorrigen Streifenpolizisten aus der Ettstraße, den er seit vielen Jahren auch privat kannte.
»Leider bisher nichts Weltbewegendes, Franzi.« Erwin sah ihn bedauernd an. »Die Zeugen stehen teilweise immer noch unter Schock, und wie genau es zu dem Sturz des Verunglückten kam, kann uns niemand sagen. Aber wir bleiben am Ball. Falls es kein Unfall war und jemand hat das gesehen, kriegen wir es raus.«
»Oder auch nicht.«
»Oder auch nicht. So ist es. Wenn nichts Verwertbares auf den Überwachungsvideos zu erkennen ist oder ein unbekannter Zeuge sich entschlossen hat zu schweigen, bleibt er eben ein unbekannter Zeuge.«
»Logisch. Habt ihr die Videos schon überprüft?«
»Nur oberflächlich. Sie werden kopiert und gleich morgen früh zu euch ins Revier gebracht. Dann könnt ihr sie euch genauer ansehen.«
»Warum geht das nicht jetzt gleich?«
»Sie werden bereits irgendwo für euch kopiert. Aber wie gesagt, es ist wirklich nichts Brauchbares darauf zu sehen.«
»Sagst du.«
»Ja, sag ich.« Erwin nickte.
»Na gut. Hoffen wir, dass du recht hast.« Franz schüttelte unmerklich den Kopf. Wäre sein Gegenüber nicht so ein verdienter Kollege gewesen, hätte er ihm das mit den Bändern nicht so einfach durchgehen lassen. Der Streifenpolizist hätte zuerst Rücksprache mit ihm halten müssen, bevor er die Aufnahmen weggab. Immerhin oblag ihm als Hauptkommissar die Verantwortung für die Lösung des Falls und nicht Erwin und den anderen Uniformierten, die hier überall herumschwirrten.
»Hier gibt es im Moment anscheinend nichts mehr für uns zu tun«, wandte er sich an Bernd. »Lass uns morgen weitermachen, wenn wir die Videos haben, der U-Bahnfahrer wieder fit ist und die SpuSi mehr weiß.«
»Herr Kommissar! Hier! Bitte!« Ein älterer Herr, der nicht weit von ihnen an der Absperrung stand, winkte Franz mit seinem Spazierstock.
Franz ging auf ihn zu. »Was gibt's,...
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