Schweitzer Fachinformationen
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»Ja, Herrschaftszeiten. Musst du hier so saublöd im Weg herumliegen?« Der Münchner Exkommissar Max Raintaler blickte ärgerlich auf die mit einer schwarzen Jeans bekleideten Beine, die vor ihm aus der Dunkelheit einer Garageneinfahrt in den schwach beleuchteten Gehsteig hineinragten. Viel hätte nicht gefehlt und er wäre geradewegs darüber gestolpert. »Schlaf deinen Rausch halt daheim aus, wie andere Leute auch«, schimpfte er weiter.
Seit einer guten Viertelstunde befand er sich nun schon auf dem Heimweg vom immer gut besuchten Griechen mit dem kleinen Biergarten in Untergiesing, gleich nördlich der Bahnunterführung hinter dem Hans-Mielich-Platz. Anneliese, die beste Freundin seiner Teilzeitfreundin Monika, hatte ihn und Monika dorthin eingeladen, um mit ihnen ihren endlich bestandenen Führerschein zu feiern. Fünf lange Jahre endloser Fahrstunden waren letztlich doch noch von Erfolg gekrönt worden. Wie viele Fahrlehrer Anneliese dabei genau verschlissen hatte, verriet sie nicht. Frauen hätten eben ihre Geheimnisse, hatte sie nur lachend auf Max' diesbezügliche Frage geantwortet. Monika hatte gleichzeitig ihren vorletzten Urlaubstag gefeiert. Am Dienstag würde sie nach zwei Wochen Erholung auf Balkonien ihre kleine Kneipe in Thalkirchen wieder öffnen.
Ein wunderschöner Sonntagabend im August war es gewesen, mit gutem Essen und viel Gelächter, und so wie es sich für einen Besuch beim Griechen gehörte, hatte es natürlich auch etwas zu Trinken gegeben. Bier, Wein und Ouzo. Max hatte etwas mehr Ouzo als seine Begleiterinnen gehabt, soweit er sich erinnern konnte. Seitdem er sich um eins von ihnen in Richtung seines Bettes verabschiedet hatte, während sie noch ein paar weiterführende Lokale in der Innenstadt besuchen wollten, schwankte und stolperte er sogar über die winzigsten Steine und hielt sich nur mit großer Mühe aufrecht. Die ausgestreckten Beine auf dem Boden, die ihm nun auch noch kurz vor der Parkanlage beim Isarufer in die Quere kamen, erschienen ihm wie ein schier unüberwindbares Hindernis. Was sollte er tun? Wenn er drüberstieg, könnte er mit den Füßen an ihnen hängen bleiben. Wählte er den Weg außen herum, könnte er aufgrund der Fliehkräfte, die in der Kurve, die er dazu machen müsste, auf ihn einwirkten, sein Gleichgewicht verlieren. Beide Möglichkeiten würden mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass er stürzte und sich verletzte. Also blieb er erst einmal so gut es ging stehen, wo er stand und ließ sich die Sache durch den Kopf gehen. Dabei fiel sein Blick auf den vom Halbdunkel der Einfahrt verborgenen Oberkörper der Person, die zu seinen Füßen lag. »Komisch, wieso schnarcht der eigentlich nicht«, fragte er sich halblaut. »Normalerweise schnarchen die Penner, die hier herumliegen, doch wie die Dings, äh . die Holzfäller.«
Er beugte sich schwankend ein Stückweit hinab, um das Gesicht seines liegenden Gegenübers besser erkennen zu können. Als das kein befriedigendes Ergebnis erbrachte, beugte er sich noch etwas weiter hinunter, was er, im Nachhinein betrachtet, besser nicht getan hätte. Denn da die Untergiesinger Luft, wie auch überall sonst auf der Welt, keine Balken hatte, an denen er sich hätte festhalten können, verlor er dabei unweigerlich das Gleichgewicht und stürzte Kopf voraus und Hände nach hinten wie ein überdimensionaler Geier im Sturzflug zu Boden. Genau auf den Körper unter ihm.
»Hoppala, bitte um Entschuldigung!«, murmelte er gleich nach der weichen Landung erschrocken. Eilig stützte er sich irgendwo ab, um sich wieder aufzurichten. Dabei fiel ihm auf, dass die Brust, die er unter seiner rechten Hand spürte, eine weibliche sein musste. Neugierig blickte er ins Gesicht seines Hindernisses, das zum größten Teil von einem dichten Schopf roter Haare verborgen war, wie er jetzt aus der Nähe erkennen konnte, und fand seine Vermutung bestätigt. Er lag auf einer Frau.
»Verdammt, was ist denn das?«, fluchte er laut. »Die blutet ja wie ein Schwein . da am Hals. Ja, die Hölle! Und atmen tut sie auch nicht. Ja, Herrschaftszeiten, die ist doch . Dings . äh . tot, Raintaler, oder?«
Er kauerte sich neben sie und horchte an ihrem Mund und an ihrer Brust. Kein Atem, kein Herzschlag, nichts. Die Frau war zweifellos tot. Er bemerkte die riesige dunkle Blutlache, in der sie lag.
Ja, so eine Scheiße, dachte er immer schneller atmend. Und jetzt habe ich mich auch noch total mit ihrem Blut vollgesaut. Was mach ich denn bloß? Heimgehen? Um Hilfe rufen? Erst mal warten? Den Franzi anrufen? Den Franzi anrufen, was sonst. Genau. Das wird das Beste sein. Der Gedanke an seinen alten Freund und Exkollegen bei der Kripo beruhigte ihn wieder etwas. Der Franzi soll seine Polizeikräfte anrollen lassen, und dann sollen die sich um alles kümmern. Jawohl. Ich bin viel zu besoffen, um das hier zu regeln . Viel zu betrunken. Eben.
Ächzend ließ er sich auf sein Hinterteil plumpsen, kramte mit seinen blutverklebten Händen umständlich sein Handy aus der Hosentasche und drückte Franz' Nummer.
»Max, was gibt's?«, meldete der sich kurz darauf mit ärgerlichem Tonfall. »Hast du schon mal auf die Uhr geschaut? Es ist halb zwei. Ich liege seit zwei Stunden im Bett. Im Gegensatz zu dir blutjungem Frühpensionär muss ich morgen früh in die Arbeit.«
»Tut mir leid, Franzi. Sauleid! Ehrlich. Ich weiß, es ist spät. Wahrscheinlich sogar sehr spät oder so . keine Ahnung . echt keine Ahnung, Franzi, aber . äh . ich sitze hier mit einem Bombenrausch neben einer Dings, äh . einer Toten.«
»Was? Willst du mich verarschen?«
»Nein. Ich schwöre dir, ich will dich garantiert nicht verarschen. Ich war mit Moni und Annie beim Griechen, und jetzt bin ich hier auf dem Heimweg über eine Leiche gestolpert. Du musst unbedingt kommen. Ich bin total blau, und die Tote ist total tot. Saublöd, echt.«
»Kein Schmarrn? Ehrlich? Nicht einer deiner üblichen Witze?«
»Kein Schmarrn. Die ist mausetot. Ich bin hier kurz vor den Grünanlagen bei der Isar. In der kleinen Straße, die von der Schule zum Dings . äh . na, sag schon . zum . äh . Mittleren Ring führt. Ja, genau so ist es. Zum Mittleren Ring führt sie, die Straße. Nicht weit von der . äh . Brüdermühlbrücke. Okay? Kommst du?«
»Na gut. Ich komme mit den Kollegen, Max. Rühr dich nicht vom Fleck.«
Sie legten auf. Max steckte sein Handy wieder ein und rutschte ein paar Meter weit von der Leiche weg, zu dem Gebüsch neben der Einfahrt hin. Die ganze Sache wurde ihm unheimlich. Was, wenn der Täter noch in der Nähe war und ihn hier so besoffen und wehrlos, wie er war, vorfand? Der könnte ihn doch wie einen fetten, langsamen Käfer totschlagen, wenn er wollte. Während seines Platzwechsels stach ihn etwas in seinen rechten Handballen. »Scheiße, autsch!«, fluchte er erneut und zog eine winzige Metallnadel mit einem kleinen Button daran aus seiner Haut. Verwundert betrachtete er die glänzende Aufschrift >SSG< darauf. Was sollte das denn heißen? >Saufen-und-schlafen-Gesellschaft<? Ja, so ein Schmarrn. Egal. Mitnehmen konnte man das Ding ja mal. Konnte man immer gebrauchen so was. Er verstaute das Corpus Delicti in seiner Geldbörse bei den Münzen und wartete auf Franz.
Keine drei Minuten später näherte sich ein Streifenwagen. Gott sei Dank, Franzi ist da, freute er sich. Das ging aber schnell. Ich habe doch gerade erst mit ihm gesprochen. Ist er geflogen? Oder ist es doch schon länger her, dass ich ihn angerufen habe? Habe ich ihn überhaupt angerufen? Scheiße. Egal, der fliegende Franz kann mich auf jeden Fall später heimfahren. Mit dem Gehen ist es wirklich schwierig heute. Haben die mir am Ende was ins Bier getan beim Griechen? Ich komm ja überhaupt nicht mehr hoch. Als der Wagen auf seiner Höhe war, begann er vom Boden aus zu winken.
»Hier bin ich Leute! Hier unten!«, rief er ihnen lallend zu.
Doch die Polizisten fuhren vorbei.
»Scheiße! Die Deppen haben uns nicht gesehen«, informierte er die Tote in der Einfahrt daraufhin und ließ erschöpft den Kopf hängen. Dann hörte er erneut, wie sich ein Auto und Stimmen näherten.
»Na, also, Sepp. Ich hatte doch recht. Da sitzt einer.«
»Ist ja gut, Hans. Wahrscheinlich hat er einen Rausch und ruht sich ein bisserl aus.«
Offensichtlich hatten die beiden Beamten gewendet. Sie stellten ihren Wagen am Straßenrand ab, stiegen aus und kamen auf Max, der wie festgeklebt auf dem Boden saß, zu.
»Hallo! Da seid ihr ja endlich, Leute. Wo ist der Franzi? Die Dings, äh . die Leiche liegt gleich da drüben!«, begrüßte er sie dämlich grinsend, während er auf die Garageneinfahrt deutete.
»Franzi haben wir keinen. Was sagen Sie da? Eine Leiche?« Der junge Streifenbeamte Hans Wieser legte die Hand an den Knauf seiner Dienstwaffe. Sein Körper straffte sich. Was grinst der Bursche dann so blöd?, fragte er sich. Waren Leichen etwas besonders Lustiges? Oder war er so besoffen? Oder sollte ihnen hier etwa ein Schwerverbrecher ins Netz gegangen sein? Ein Mörder? Das wäre ja was gewesen. Sein erster Schwerverbrecher gleich in den ersten zehn Dienstmonaten. Manche Kollegen mussten jahrelang auf so eine Gelegenheit warten. Das war ja richtig geil. Wie im Actionfilm. Nur echt.
»Grüß Gott, erst einmal, der Herr. Schaffen wir den Heimweg nicht mehr?« Sepp, der ganz im Gegensatz zu seinem unerfahrenen Beifahrer kurz vor der Rente stand, hatte sich breitbeinig vor Max aufgebaut und sah abwartend auf ihn hinunter.
»Ich bin der Max. Und ich warte hier auf mein Franzilein. Bin ganz schön...
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