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Ein Mittelalterfestival in Ortenburg! Dieses Spektakel wollen sich Kommissarin Franziska Hausmann und ihre Freundin Marie nicht entgehen lassen. Dass die Zeitreise zu einem Horrortrip wird, ahnen sie nicht. Am zweiten Tag passiert es: Ein kostümierter Mann wankt auf Franziska zu, flüstert unverständliche Worte und bricht zusammen. In seiner Brust steckt ein Dolch. Bei dem Toten handelt es sich um ein Mitglied einer Gruppe gestresster Manager, die im Bayerischen Wald Entschleunigung suchen. Doch die werden sie am Ufer der Donau wohl nicht mehr finden, denn schon bald folgt die nächste Leiche .
Franziska hätte tausendmal lieber auf die Ostsee geblickt und dabei ganz tief durchgeatmet. Stattdessen breitete sich nun vor ihrem Fenster das vertraute Postkartenpanorama des Bayerischen Waldes unter einem strahlend blauen Himmel aus. Denn Marie hatte sich durchgesetzt. Wie immer. Marie war die Genesende, und natürlich hatte sie recht, wenn sie nicht zu weit von ihrem Mann und ihren Ärzten entfernt sein wollte. Doch dieses Argument hatte letztendlich an zweiter Stelle gestanden. Maries E-Mail mit der Betreffzeile »Ein Mittelalterspektakel« hatte sie zusätzlich überzeugen sollen. »Genau da müssen wir hin! Das bringt uns auf andere Gedanken. Wir tauchen ein in die Vergangenheit und vergessen einfach alles.«
Zugegeben, es war die angenehme Vorstellung eines Abtauchens gewesen, die Franziska dazu gebracht hatte, nachzugeben. Verschwinden aus einer Gegenwart, die durch Maries Operation und durch Franziskas leeres Haus am Dachsberg überschattet wurde. Dabei ahnte sie schon, dass das Eintauchen in eine andere Welt nicht funktionieren würde. Allein Maries Flüstern - bei der Schädeloperation waren im Zuge der Narkose ihre Stimmbänder verletzt worden - war der hörbare Gegenbeweis, auch wenn sie lapidar darüber hinwegging. »Ich hab nur mal vorübergehend meinen eigenen Ton verloren«, pflegte sie zu sagen. »Und das ist längst nicht so schlimm, als sich gelegentlich darin zu vergreifen.«
Am Nachmittag hatten die beiden Frauen die Ferienwohnung am Waldeslustweg in Windorf bezogen, mit Panoramablick auf die schöne blaue Donau. Marie hatte sich für das Elternschlafzimmer entschieden, während Franziska sich im Kinderzimmer einrichtete. Angesichts der Plüschbären und der Holzeisenbahn in den Regalen fühlte sie sich unendlich alt, warf ihren Koffer auf das frisch bezogene Bett und räumte die Spielsachen in einen Schrank. Aus den Augen, aus dem Sinn. Sie und Christian hatten nicht einmal ein Kind gehabt. Nur die Katze Bella, und die residierte nun für eine Woche in einer Katzenpension.
»Pass gut auf meine Frau auf«, hatte Benno ihr ans Herz gelegt. »Marie ist das Wichtigste, was ich habe.«
Franziska biss sich auf die Lippen, als sie daran dachte, und verscheuchte eine Woge des Selbstmitleids. Dass sie damit nicht weiterkam, hatte sie ziemlich schnell begriffen. Einige Dinge waren nun mal für immer vorbei: Von ihr würde vermutlich kein Mann mehr behaupten, dass sie wichtig für ihn sei. Ihr Mann Christian war fort, und ihr Leben stand Kopf. Das klang, oberflächlich betrachtet, nach einer mit Geduld zu reparierenden Notlage, es bräuchte ja nur jemand zu kommen und alles wieder geradezurücken. In Wahrheit aber hatten sich die vergangenen Monate zu einer Katastrophe verdichtet, die sie sich nur in homöopathischen Dosen eingestand. Jeden Tag ein Gramm mehr.
»Sieh mal, wir tauchen ins Mittelalter ein, und da gab es deinen Christian noch gar nicht«, hatte Marie in Aussicht gestellt und dann damit begonnen, in einem Römertopf einen Schmorbraten anzusetzen, der angeblich so gehaltvoll war, dass man mindestens zwei Flaschen Wein dazu trinken musste. Franziska stapelte währenddessen ihre T-Shirts, Röcke und Freizeithosen in die Schrankfächer. Einen dicken Pullover legte sie beiseite. Sie würden heute Abend auf der Terrasse im Freien essen, mit Blick auf Lastkähne und Ausflugsdampfer, die auf der Donau Richtung Passau fuhren, und sich für die nächsten Tage ein spannendes Programm überlegen.
Franziska war noch nie allein mit Marie unterwegs gewesen, und sie wäre im Handumdrehen geflüchtet, hätte sie geahnt, was die Zukunft für sie bereithielt. Die kommenden Tage sollten ihre Welt erneut auf den Kopf stellen. Doch zweimal auf den Kopf gestellt hieß noch lange nicht, dass alles wieder im Lot war. Eher das Gegenteil.
Davon ahnten die beiden Frauen noch nichts, als sie sich den Braten schmecken ließen, viel Wein dazu tranken und zum ersten Mal seit Monaten wieder miteinander lachten. Früher war Maries Lachen laut und ansteckend gewesen, nun hingegen klang es wie eine Mischung aus Flüstern und Krächzen.
»Ich könnte morgen als Schlossgespenst gehen, so, wie ich aussehe«, bemerkte sie. Tatsächlich war ihr das einst so dichte Haar nach der Kopf-OP zwar wieder nachgewachsen, aber zunächst nur als Flaum, der sich inzwischen zu einem Gewirr von grauen Zotteln entwickelt hatte und von Marie als »Übergangsfrisur« bezeichnet wurde.
Entspannt stieß sie mit ihrer Freundin an. »Prost, du Schlossgespenst«, sagte Franziska. »Dann gaukelst du den mittelalterlichen Gauklern etwas vor und flatterst in einem weißen Gewand durch staubige Gänge, versteckst dich in Fensternischen und hauchst Vorübergehende mit Knoblauchodem an. Und ich werde mich unterdessen von der erstbesten Hexe verzaubern lassen.«
»In was?« Marie hob die Augenbrauen.
»In eine Opernsängerin.«
»Du kannst doch gar nicht singen.«
»Eben, deshalb. Aber Singen soll ja gut für die Seele sein.«
»Wer behauptet denn so was? Etwa die Vorsitzende deines Gesangvereins am Dachsberg?«
Franziska schüttelte den Kopf. »Die nehmen mich doch erst gar nicht, mit meinem Gebrumme.«
»Bennos und meine Stimme sind auch nicht viel besser«, flüsterte Marie. »Aber keiner hat so voller Inbrunst Weihnachtslieder geschmettert wie dein Mann. Als stünde er auf einer großen Bühne. Und sonntags in der Kirche, weißt du noch? Alle haben ihn angeschaut. Nur deshalb hat er fast nie ein Hochamt versäumt.«
»Er ist nicht mehr mein Mann«, stellte Franziska klar und nahm einen großen Schluck Wein. »Er wohnt nicht mehr in meinem Haus. Diese geschmacklose Angelika hat sich seiner angenommen und ihn ihrer Sammlung einverleibt. Da steht er nun und staubt zu.«
»O nein, dabei wollte ich das Thema eigentlich meiden!« Marie klang besorgt. »Wie geht es dir damit? Du hättest ihn vielleicht doch nicht vor die Tür setzen sollen.«
Franziska seufzte. »Weißt du, ich fühle mich wie amputiert. Aber allmählich gewöhne ich mich daran. Das mit Christian hatte sich schon lange angedeutet. Wir wollten es nur beide nicht sehen. Jetzt beginnt was Neues - oder zumindest etwas anderes.«
»Es wird garantiert ein guter Lebensabschnitt. Und überhaupt: Aller guten Dinge sind drei. Du warst erst mit Jochen verheiratet und dann mit Christian. Nun steht der Nächste an. Wir könnten morgen eine Wahrsagerin dazu befragen.« Marie, die personifizierte Optimistin, hörte sich tatsächlich so an, als würde sie selbst daran glauben.
»Was kann da noch groß kommen?« Franziska öffnete die zweite Weinflasche. »Ich bin nicht einmal mehr eine sogenannte Best-Agerin, sondern schon über sechzig. Meine Weichen sind gestellt.«
Marie unterdrückte ein Grinsen. »Wie sich das anhört! Gestellte Weichen, eine streng vorgegebene Richtung, keine Umwege mehr. Welche Pläne hast du? Willst du immer noch die Welt retten? Du allein?«
»Denk dran, dich hab ich auch mal gerettet.« Franziska nahm einen großen Schluck.
»Das stimmt. Und du hast Benno in mein Leben gebracht. Ja, ich steh in deiner Schuld, und wenn ich irgendetwas für dich tun kann .«
Beide spürten, dass das Gespräch in eine sentimentale Richtung zu kippen drohte. Franziska räusperte sich. »Jetzt hör aber auf!«
»Irgendwann werde ich mich revanchieren, du wirst schon sehen!«, flüsterte Marie und wickelte sich in jenen dunkelroten Kaschmirschal, den Benno ihr auch deshalb geschenkt hatte, weil man auf ihm eventuelle Rotweinflecken nicht gleich bemerkte. Denn noch immer zitterten ihre Hände unkontrolliert und ohne Vorwarnung, und noch immer neigte sie dazu, Dinge fallen zu lassen oder Flüssigkeiten zu verschütten.
»Wie siehst du denn aus?«
»Ich bin eine Marktfrau, was denkst denn du!« Marie stand in einem langen roten Kaftan und einer grauen Trägerschürze in der Küche und kochte Kaffee. Ihr hellgraues Zottelhaar war unter einem weißen Spitzenhäubchen verborgen. Amüsiert betrachtete sie ihre Freundin von oben bis unten. »Sag bloß, du hast kein Kostüm dabei!«
»Nein, wirklich nicht.«
»Aber wir wollten doch in andere Rollen und in eine andere Zeit schlüpfen.«
»Das stimmt, aber von anderen Kleidern hast du nichts gesagt - ich wüsste auch gar nicht, wo ich so etwas herbekäme.« Franziska ärgerte sich. Musste sie sich etwa rechtfertigen?
»Du könntest dir heute entsprechende Kleidung besorgen«, meinte Marie. »Bei einem der Fieranten auf dem Mittelaltermarkt. Aber erst wird gefrühstückt.«
»Müssen wir wirklich auf den Mittelaltermarkt? Wir könnten doch auch einen langen Spaziergang am Donauufer machen.«
»Spielverderberin!« Marie stellte Toast auf den Tisch und flüsterte versöhnlich: »Wir drehen erst eine Runde über den Markt in Ortenburg und informieren uns über die mittelalterlichen Angebote, dann fahren wir zurück und machen hier einen Spaziergang. Nur du und ich.«
Der etwa zwei Hektar große Wildpark des Schlosses Ortenburg war in ein Mittelalterspektakel verwandelt worden. Die Zelte mit ihren spitzen Dächern bildeten ein lang gezogenes Dorf, vor dem Frauen in langen Kleidern und bärtige Männer in Pumphosen und langen Zöpfen geschäftig hin und her liefen. Wie eine dichte Wolke lag der Geruch nach Holzkohle, gegrilltem Fleisch und Fisch, gerösteten Nüssen und dampfendem Pferdekot über dem Areal. Franziska sehnte sich nach Ohrstöpseln und einem Riechtüchlein, obwohl sie wusste, dass beides erst nach dem Mittelalter erfunden worden war, aber Marie an ihrer Seite blühte auf und stieß ihre Freundin an.
»Jetzt weiß jeder, dass du wieder zu haben bist. Ich dagegen bin schon unter der Haube.« Sie wies...
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