Schweitzer Fachinformationen
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Wie gesagt: Dabei hatte der Tag völlig normal begonnen. Nun wartete sie auf die Polizei. Das hilflose Ausharren ließ ihre Gedanken abschweifen. Sie drückte in ihrer Erinnerung die Reset-Taste . Es war wieder früher Morgen.
Ein nervöser Blick auf die Zeitanzeige im Armaturenbrett. Es war schon spät geworden, viel zu spät. Sie hätte einfach eher aufstehen müssen. Aber noch eher? Der Blumengroßmarkt in der Beusselstraße öffnete um vier Uhr morgens. Da machte es auch keinen Sinn, wenn sie sich schon eine Stunde zuvor, um drei Uhr, auf den Parkplatz stellte. Und jemanden aus ihrem Team zum Einkauf schicken, damit sie etwas länger schlafen konnte? Keine gute Idee. Hatte sie alles schon ausprobiert. Sonst waren ihre Mitarbeiter sehr verlässlich, aber die Entscheidung für die richtigen Blumen und das grüne Beiwerk wollte sie lieber selbst treffen und keinem anderen überlassen. Außerdem konnte sie sich spontan für Extras entscheiden, die ihr ins Auge sprangen.
Und: So ein früher Morgen hatte auch etwas für sich. Man konnte die Ruhe vor dem Sturm in der Großstadt Berlin erleben. Den Sonnenaufgang, der eventuell ein zauberhaftes, strahlendes Licht über alles legte, besänftigte und für so vieles entschädigte.
An diesem Montag, dem letzten Tag im Februar, war es allerdings noch ziemlich dunkel. Eben fiel Viola ein, dass das heute ja ein berufsbedingter Festtag war: der Tag der Floristik, der jährlich am 28. Februar stattfand. Den sollte man mal als Feiertag festlegen. Das wäre genau nach ihrem Geschmack. Seit wann gab es den eigentlich? Sie musste nicht lange grübeln, bis der Groschen fiel: 1995 war jener Tag der Floristik von William F. Weld, dem damaligen Gouverneur von Massachusetts ins Leben gerufen worden. Dafür fand sich auch ein gewichtiger Grund, nämlich um Carl Rittner, den Gründer der Rittner-Floristikschule und zugleich ein Pionier seines Kunsthandwerks, zu ehren. Im Internet war sie mal auf die Rittners School of Floral Design in Boston gestoßen, aber zugleich auf unterschiedliche Schreibweisen seines Nachnamens. Auch Ritter war da im Angebot . Na ja, Namen waren eben Schall und Rauch. Und dem Web sollte man auch nicht so einfach über den Weg trauen.
Viola konzentrierte sich auf den Straßenverkehr, der langsam, aber stetig zunahm. Punkt vier Uhr wollte sie eigentlich mit ihrem großen Einkaufswagen vor dem Eingang zur Halle mit den Blumen stehen und dann zielgerichtet die Stände aufsuchen, die sie vorab nach ihrem Einkaufsplan festgelegt hatte. Fair gehandelte Rosen von Farmen aus Ecuador sollten auf jeden Fall dabei sein. Das Label war für einige Kunden besonders wichtig, und auch sie setzte sich gern für halbwegs akzeptable Arbeitsbedingungen in fernen Ländern ein.
Aber dann war es doch weit nach fünf geworden, weil sie erst noch in ihrem Hauptladen in Nikolassee etwas erledigen musste. Ein paar letzte Handgriffe für eine Beerdigung, die gegen Mittag anstand, ein Blick auf die bedruckten Schleifen, ob alles seine Richtigkeit hatte. Dabei durfte ihr nicht der geringste Fehler unterlaufen, sie war ja schließlich keine Tageszeitung. Die Zeit war einfach nur dahingesaust .
Im Blumengroßmarkt kannte sie Hinz und Kunz, das ging wie bei einer großen Familie schon aus Gründen der Höflichkeit nie ohne einen kleinen Schwatz ab. Der gehörte einfach dazu, ließ aber die Zeiger der Uhr eilig voranschreiten.
Bei den Tulpen konnte sich Viola kaum entscheiden. Kein Wunder, immerhin gab es mehr als 4.000 Arten und Sorten, womit sie zu den variantenreichsten Blumen der Welt zählten: Lilienblütige, als die elegantesten, Viridiflora mit den zarten grünen Flammen oder Streifen auf einfarbigem Grund, Rembrandt mit beeindruckenden unregelmäßigen Färbungen, Gefranste, die anmuteten, als seien sie mit feinem Zucker oder Raureifkristallen gesäumt, an Pfingstrosen erinnernde Paeonienblütige oder die wie das bunte Gefieder von exotischen Vögeln wirkenden Papageien. Viola überraschte ihre Kunden immer gern mit Neuheiten und Besonderem und hatte auch diesmal wieder reichlich zugegriffen.
Jetzt war ihr kleiner Lieferwagen gefüllt mit all den Zutaten für die nächsten Stunden und Tage. Für den bevorstehenden Internationalen Frauentag, immerhin in Berlin ein Feiertag, hatte sie alles vorbestellt, und die Kollegen in den beiden Läden hatten sogar schon einiges vorgearbeitet. Sollte in den kommenden Tagen weiterer Bedarf sein, würde sie erneut zum Westhafen nach Moabit fahren. Oder sich die Ware nach Absprache mit den Händlern liefern lassen, falls etwas dazwischenkam.
Aber sie bevorzugte ganz eigennützig den Aufenthalt dort, konnte sie doch bei der Gelegenheit neben ihren begehrten Blumen und Pflanzen auf dem Berliner Großmarkt Obst und Gemüse, Fleisch und Wurst, Fisch und Meeresfrüchte und weitere Lebensmittel einkaufen. Stets genoss sie das Farbenmeer und den unbeschreiblichen Duft, in jeder Saison mit etwas anderem Schwerpunkt. Üppige lateinamerikanische rote Rosen, heimisches Tannengrün, weißer Jasmin - in den lichtdurchfluteten Verkaufszonen großzügig dekoriert, die Ware für den Verkauf in modernen Kühlhäusern untergebracht, damit sie nichts an Qualität und Frische einbüßte.
Trotz der vielen Berufsjahre hatte sich Viola daran noch nicht sattgesehen und freute sich jedes Mal erneut an der gesamten Atmosphäre. Frisch eingetroffen war dort alles am frühen Abend zuvor, stammte von Auktionen europäischer Nachbarländer, kam per Flieger von Gewächshäusern und Plantagen weltweit. Auf 12.000 Quadratmeter Verkaufsfläche gab es an diesem Ort seit 2010 alles, was zum blühenden Geschäft für die Branche gehörte: Frühjahrs- und Sommerblüher, Beet- und Balkonpflanzen, Schnitt- und Topfware, Stauden und noch viel mehr. Dazu natürlich die Zutaten, was den Bindereibedarf anging.
Hier trafen sich Floristen und Blumenhändler aus Berlin, Brandenburg und dem weiteren Umland. Einkäufer aus Hotellerie und Gastronomie, Einrichter und Dekorateure versorgten sich, Baufirmen orderten Richtkronen, Bestatter Kränze. Ein Kommen und Gehen von Montag bis Sonnabend und das bis neun Uhr. Die zentrale Lage war schon klasse und das One-Stop-Shopping passte in die Zeit. Die nur einen Steinwurf entfernte Justizvollzugsanstalt Plötzensee nahm Viola lediglich im Unterbewusstsein wahr, wenn sie die Stadtautobahn 100 entlangfuhr.
Wenig später kam sie bei ihrem Laden am Kurfürstendamm an, einer Filiale, die sie erst seit einigen Jahren betrieb und die noch keine schwarzen Zahlen schrieb. Aber ein Geschäft an dieser angesagten Flaniermeile wollte sie schon immer haben, das war einer ihrer Jugendträume. Deshalb hatte sie ohne groß nachzudenken zugeschlagen, als das Angebot urplötzlich auftauchte. Allein wie das klang, wenn sie die Firmenadresse Ku'damm angab. Sie genoss jedes Mal die anerkennenden oder auch neidvollen Blicke. Außerdem ergaben sich über diese Filiale einige dauerhafte private Aufträge. Hier brauchte sie einfach nur Geduld und eine gehörige Portion Durchhaltevermögen. Wie alle Selbstständigen.
Viola fuhr auf den letzten Metern noch den minimalen Umweg über eine Seitenstraße und gelangte so auf den kleinen Innenhof, von wo aus sie das Geschäft direkt beliefern konnte. Dauerhaftes Parken war hier zwar untersagt, aber fürs bequeme Aus- und Einladen hatte sie sich eine Genehmigung geholt.
Ihr jüngster Azubi Benjamin Busse stand mit frisch in die Höhe gestylten pechschwarzen Haaren schon in der Tür zum Hof und winkte ihr einladend zu. Sie machte mit dem Auto noch eine kurze Drehung und setzte rückwärts an. Dann stieg sie aus, während Ben schon die Hecktür öffnete. Flugs hatten beide die Ware aus dem Auto geladen und in der Werkstatt abgestellt.
"Ich kümmere mich sofort um die Blumen, schneide an, wo es nötig ist, und versorge sie mit Wasser, ehe ich sie in die Kühlung stelle", erklärte Benjamin, und Viola lächelte nur freundlich. Ihr wurde warm ums Herz. Dieser Junge war ein Glücksgriff, Gold wert und genau in dem Beruf gelandet, der zu ihm passte. Schon nach wenigen Monaten hatte er einen richtig guten Durchblick. Und alles ging ihm fix und zuverlässig von der Hand, als ob er schon ewig in dem Team mitwirken würde.
Auch aus der Berufsschule brachte er nur die allerbesten Noten mit. Er besuchte die Peter-Lenné-Schule in Zehlendorf: Oberstufenzentrum Natur und Umwelt sowie Staatliche Fachschule für Gartenbau Berlin. Von dort gab es nur lobende Worte, was seinen Umgang mit Pflanzen und die Gestaltung von Pflanzen- und Blumenschmuck anging - alles natürlich unter dem Aspekt von Umwelt-, Natur- und Artenschutz. Egal was gefordert wurde, er erledigte es mit gleichbleibender Begeisterung: Sträuße, Gestecke, Kränze, Girlanden, Pflanzungen. Ein Faible hatte er für Trauerschmuck entwickelt, aber Hochzeits-, Tisch- und Raumschmuck gelangen ihm ebenso.
Ben konnte fast alles Grüne entsprechend einordnen und hatte die botanischen Namen auf Lager, nicht nur mündlich, sondern sogar in der korrekten Schreibweise, worum ihn Viola ein wenig beneidete, weil sich bei ihr schon gelegentlich Fehler einschlichen. In der Versorgung und Pflege von Pflanzen hatte er schon mehr drauf als die Kollegen, die ihren Berufsabschluss bereits in der Tasche hatten. Die fachgerechte Kundenberatung und das Kaufmännische waren ihm in Fleisch und Blut übergegangen. Eine anschließende Weiterbildung zum Meister war ihm sogar von einem der Fachlehrer schon vorgeschlagen worden. Und Viola hatte insgeheim ebenfalls daran gedacht.
Aber eins nach dem anderen: Sobald irgendwo ein erster Wettbewerb stattfand, an dem er teilnehmen konnte, würde Viola ihn definitiv anmelden. Er hatte diese berühmten Siegergene in sich,...
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