Schweitzer Fachinformationen
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Pablo stemmte die Arme in die rundlichen Hüften und atmete tief durch. Die frische Luft tat ihm gut. Seine Stirnlampe erleuchtete das Umfeld nur mäßig, aber so langsam nahm auch der Tag Gestalt an, sodass sich zusätzliches Licht eigentlich erübrigte. Er hätte es ausschalten können, doch das kam ihm gar nicht in den Sinn.
Dann schaute er sich um und entdeckte die wenige Meter entfernte, aufgrund ihres Standorts etwas bemooste Parkbank. Der Papierkorb daneben quoll über, Fast-Food-Überbleibsel, leere Zigarettenschachteln, eine gefüllte, dunkelbraune Hundekot-Tüte lagen auf dem Boden. Im Hintergrund war der Verkehrslärm von der Straße des 17. Juni zu vernehmen. Ein monotones Gebrumme, mal ein Hupen oder das Quietschen von Reifen oder der Klang einer Sirene von Feuerwehr beziehungsweise Rettungsarzt - das übliche Konzert also, das keinem mehr sonderlich auffiel.
Federnd lief Pablo die Schritte bis zu dieser Sitzgelegenheit, erblickte jetzt eine gebrauchte Spritze zu seinen Füßen, schüttelte den Kopf und ließ sich seufzend nieder, während es unter ihm bedenklich knackte. Automatisch wollte er auf seine Armbanduhr schauen, senkte aber im selben Augenblick die Hand wieder. "So ein Blödsinn", dachte er, mit dem Fitness-Kontrollgerät rannte ja gerade Student Lukas durch den Tiergarten, während er absprachegemäß hier in der Nähe vom Rosengarten mehr oder weniger gemütlich abwartete. Diesmal mit einem kompletten 20-Euro-Schein als Dank für die besondere Dienstleistung.
"Lass mal stecken, Opi, das machen wir später. Du brennst mir ja mit absoluter Sicherheit nicht durch. Und wenn du mir wegrennst, hole ich dich allemal wieder ein", hatte Lukas abgewunken, als Pablo ihm das Geld vorab aushändigen wollte.
Kennengelernt hatten sie sich, als Pablo noch mit vollem, schweißtreibendem Körpereinsatz selbst versuchte zu laufen, mit deutlichem Ächzen und Stöhnen. Darauf war der junge Mann aufmerksam geworden, der seinerseits seine Runden durch den Tiergarten drehte. Er hatte über ihn gespöttelt. Im Scherz war dann sein Angebot gekommen, für ihn diese Schwerstarbeit zu übernehmen.
In den Anfängen hatte Pablo die Geldscheine in der Mitte halbiert und dann zu Beginn ihrer Übereinkunft die erste Hälfte und im Anschluss die zweite Hälfte ausgehändigt. Die wunderbar konspirative Idee dazu war bei ihm von irgendeinem alten Krimi hängen geblieben. Aber inzwischen waren die beiden ein eingespieltes Team, und sie vertrauten einander.
Außerdem hatte Lukas kürzlich erklärt: "Die wundern sich im Späti schon, warum ich meine Lebensmittel immer mit zusammengeklebten Teilen bezahle, und wollen die nicht mehr akzeptieren. Der Inhaber hat sogar mal das Stichwort 'Geldwäsche' fallenlassen. Wenn ich so weitermache, werde ich noch als Gangster eingeordnet und von der Polizei überwacht."
Letzteres hatte zwar spaßhaft geklungen, war aber durchaus ernst gemeint.
Pablo jedenfalls konnte sich auf den jungen Burschen verlassen, der Sportwissenschaften an der Humboldt-Uni studierte und schon deshalb einen entsprechend durchtrainierten, äußerst ansehnlichen Körper aufwies. Der Mittvierziger hatte mal gegoogelt, was man mit so einer Ausbildung später anfangen konnte: in Sportvereinen, Schulen, Fitness-Studios und Reha-Einrichtungen sportliche Fertigkeiten und Kenntnisse vermitteln oder im Sportmanagement tätig sein oder in der Forschung und Beratung oder als Journalist . Wenn so was gebraucht wurde und man damit sein Geld verdienen konnte?! Es gab ja heutzutage die ausgefallensten Möglichkeiten für den Brötchenerwerb.
Pablo zuckte mit den Schultern. Für ihn war die Zeit ohnehin vorüber, was eine berufliche Neuausrichtung anging, wie er konstatierte. Er hatte seinen Platz im Veranstaltungsbereich gefunden, in verantwortungsvoller Position bei der Messe Berlin, und er fühlte sich dort ausgesprochen wohl. Was sich auch in ein paar zusätzlichen Speckpolstern an den verschiedensten Stellen manifestiert hatte, beispielsweise als Doppelkinn, vor allem aber am Bauch, über den er schlecht hinunterschauen konnte, wenn er im Dienst notgedrungen am Urinal stand. Zu viele Einladungen mit Imbiss und Schampus mit reichlich Extrakalorien.
Und nun hatte Stephanie die Reißleine gezogen und ihn dazu genötigt, etwas dagegen zu unternehmen, zum einen damit der Body-Mass-Index nicht weiter Alarmstufe Rot anzeigte. Zum anderen wollten sie schließlich gemeinsam Ende September am Marathon in der Stadt teilnehmen, dem dann schon 50. Event seiner Art. Also, von Wollen konnte da gar keine Rede sein. Bei ihm jedenfalls nicht.
Doch was tat man nicht alles, um seiner Liebsten zu gefallen. Und Stephanie war schon ein Glücksgriff nach dem Reinfall mit Ricarda, die ihm eines Tages, für seinen Geschmack völlig überraschend, Scheidungspapiere präsentierte. Wobei Ricci ihm nie mit solchen abgehobenen sportlichen Auswüchsen gekommen wäre, fiel ihm gerade ein. Alles war in ihrer 20-jährigen Ehe auch nicht schlecht gewesen. Wenigstens hatte er bei ihr die Socken beim Sex anbehalten können und keine kalten Füße bekommen, während Stephanie darauf bestand, dass er sich komplett splitterfasernackt machte und damit auch die Strümpfe auszog.
Also, was die Frauen nur immer hatten. Er nörgelte doch auch nicht an schwarzen Strapsen und den Netzstrümpfen rum, die er Steffi aus gegebenem Anlass zum Geburtstag geschenkt hatte. Die sollte sie sogar unbedingt anbehalten, sie törnten ihn enorm an. Ach ja: "Warum konnte man denn nicht alles gleichzeitig in diesem Erdendasein haben, die biedere perfekte Hausfrau sowie die beglückende Sexbombe und unbedingt eine Schönheit, die zugleich äußerst geistvoll war?", seufzte er gedankenversunken laut auf, zog das Stirnband mit der Lampe herunter, deaktivierte sie jetzt endlich und fuhr sich durch das etwas eingedrückte, lockige schwarze Haar, das früher deutlich mehr Dichte aufgewiesen hatte. Aber wenigstens war er damit nicht nach seinem Erzeuger geraten .
Der Montagmorgen war recht kühl, die Temperatur hatte sich um den Gefrierpunkt eingepegelt, und Pablo fröstelte in seine ausschweifenden Gedanken hinein. "Bewegung ergab doch Sinn", sagte er sich, stand auf und absolvierte ein paar unbeholfene, wacklige Kniebeugen, bei denen es deutlich hörbar knirschte, sodass er es schlagartig wieder sein ließ und nur ein wenig hin und her trippelte. "Sport ist Mord", fuhr es ihm durch den Kopf. Dann fasste er sich in die rechte Hosentasche, darin ein weiterer Schein fürs Frühstück bei der Bäckerei und sein Handy für den absoluten Notfall, derzeit auf stumm geschaltet.
Während seiner kleinen Auszeit konnte er ja schlecht daddeln, das hätte Stephanie eventuell herausbekommen können, indem sie mal eben auf den Browserverlauf schaute. Aber sie würde ihm wohl kaum nachspionieren oder etwa doch? Das Leben war schon eine verzwickte Angelegenheit und die Hungerkur daheim absolut keine Idee. So konnte man definitiv nicht wirklich zufrieden in den Tag starten. Seine Mutter hatte doch immer gesagt, das Wichtigste sei ein ordentliches Frühstück, und so hatten sie es früher stets gehalten. Er ließ sich wieder geräuschvoll auf die Bank sinken.
"Und nachher gibt es ein leckeres Müsli, mein Dickerchen", hatte ihm Stephanie mit besorgt-kritischem Blick erklärt, nachdem sie ihn mit einem Kuss auf die Wange und einem Klaps auf den Bauch einige Zeit zuvor verabschiedet hatte. "Oder magst du lieber deinen Haferschleim?"
Mühevoll hatte er sich ein Ekelgefühl verkniffen. Haferbrei, igitt. Wie das schon aussah und erst roch und letztlich schmeckte! Das englische Nationalgericht Porridge galt früher in Schottland als Mahlzeit für arme Leute, wie er wusste. Er aber war doch definitiv nicht als arm zu bezeichnen. Warum also sollte er sich so etwas antun?
"Ach, ein Müsli ist eine prima Idee, vielleicht mit etwas frischem Obst drauf, schön klein geschnitten", hatte er dann halbwegs locker und sehr emotionslos geantwortet. "Ich muss mich jetzt aber auch sputen, damit ich meine geplanten Kilometer schaffe. Von nichts kommt nichts, wie du weißt. Bis nachher, mein Mäuschen. Schade, dass du erst immer am Abend deine Runde drehst, sonst könnten wir das auch gemeinsam erledigen."
Er war damit für seine Verhältnisse ziemlich übermütig geworden.
"Aber natürlich sollte jeder seinen Biorhythmus beachten, und der fordert mich eben zu morgendlichen sportlichen Aktivitäten heraus."
"Eigentlich hättest du schon längst ein paar Pfunde loswerden müssen", stellte Stephanie noch sachlich fest. "Doch auf der Waage passiert überhaupt nichts!"
"So schnell geht das nun auch wieder nicht", hatte er beteuert, "wird doch durch meine viele Bewegung erst alles in dringend nötige und äußerst sinnvolle Muskeln umgewandelt, ehe sich später mein Gewicht dauerhaft verringert ."
Das war ein akzeptables Argument.
Sie hatte ihm hinterhergewunken. Um das bestätigt zu bekommen, musste er sich nicht einmal umdrehen oder in einen imaginären Rückspiegel schauen. Es war das übliche Procedere bei ihnen beiden, und er hob im Lauf nur die Rechte wedelnd in die Höhe.
Dabei waberte ihm der Witz durchs Gehirn, den sie kurz vorher hatte fallenlassen, als er sich zugegebenermaßen etwas schwerfällig aus dem Boxspringbett erhob: "Warum hat ein Mann denn einen dicken Bauch? Damit ein Arbeitsloser wenigstens ein Dach über dem Kopf erhielt!" Der Joke war ja so was von abgedroschen. Wie kam sie nur darauf? Zumal sie sich weiß Gott nicht beschweren konnte. Er stand ja wohl seinen Mann, sooft sie Bedarf anmeldete. Niemand hatte ihn bislang kritisiert, keine von...
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