Schweitzer Fachinformationen
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Viola zog die Augenbrauen in die Höhe und starrte ungläubig auf den Küchentisch. Soeben hatte ihre Mutter eine ziemlich schäbige Reisetasche in verblichenem Russischgrün mit Schwung so darauf platziert, dass er ins Wackeln kam, und nun schaute sie auffordernd auf ihre Tochter. Nur kurz überlegte Viola, ob sie das aussprechen sollte, was ihr da auf der Zunge lag. Ob es denn richtig wäre, so ein Drecksding auf den Essenstisch mit der schönen Decke zu stellen. Eigentlich ein No-Go in dieser Familie. Einkäufe und Ähnliches wanderten stets auf die großzügige Arbeitsfläche neben der Spüle, die man schließlich problemlos abwischen konnte. Das war doch alles eine Frage der Hygiene. Und vor der jeweiligen Speisenaufnahme landeten selbstverständlich schützende Platzdeckchen an den passenden Orten, um Urgroßmutters besticktes Kunstwerk nicht zu verderben. Jetzt hatte das gute Stück bestimmt Schaden genommen!
"Nun sag schon was", drängte Hannah und wirkte äußerst aufgeregt. Sie hatte sogar vor lauter Anspannung feine Schweißperlen auf der Stirn.
"Ähm."
Nur die Wanduhr tickte laut und unbeeindruckt.
"Das gibt es doch nicht. Seit wann bist du denn auf den Mund gefallen? Hier."
Hannah gestikulierte wild mit den Händen und öffnete dann mit einem geräuschvollen Rutsch den Reißverschluss, griff in die Tasche und holte ein Päckchen Geldscheine heraus, das sie triumphierend wedelnd in die Höhe hielt.
"Hast du etwa eine Bank überfallen?", erkundigte sich jetzt Viola mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht. Was anderes fiel ihr partout nicht ein. Eine gewisse Sprachlosigkeit hatte sich ihrer bemächtigt.
"Wo denkst du denn hin?", entrüstete sich die Mutter, um gleich fortzufahren: "Schau doch mal genauer hin. Du siehst wohl den Wald vor lauter Bäumen nicht."
Jetzt hielt sie ihrer Tochter das Bündel direkt vors Gesicht. Es roch ziemlich muffig. Eklig, dachte Viola, bremste sich aber. Komisch, war der nächste Brocken in ihrer Gedankenwelt. Das sah irgendwie so altbacken aus.
"Sind das etwa .?"
"Ja, du Dummerchen, das sind noch die guten alten Scheine aus D-Mark-Zeiten. Aber mit diesen hier hättest du eigentlich nicht bezahlen dürfen."
Das klang einigermaßen kompliziert.
"Aha", gab Viola etwas schwerfällig von sich, ihr Gehirn befand sich offensichtlich im Ruhemodus und kam nicht in die Gänge.
"Willst du denn nicht wissen, wie ich zu denen gekommen bin?", drängte die Mutter.
"Doch."
Viola erstaunte sich selbst über ihre Wortkargheit. Es hatte ja durchaus Vorteile, dass die Familie hier in Nikolassee unter einem Dach wohnte und sich das gemeinsame Unternehmen "Floreal" direkt anschloss, aber eben auch Nachteile. Man konnte sich nie aus dem Weg gehen und hockte mehr oder weniger immer zusammen, ob man wollte oder nicht. Höchstens das Ausweichen in die Blumenladen-Filiale am Ku'damm war möglich. Aber dort war man natürlich auch nicht allein, und es gab das Telefon für weitere Anweisungen. Viola seufzte kaum hörbar.
"Nun gut, mein Kind. Dann will ich dir mal die Geschichte von diesem Fund erzählen. Das braucht etwas länger und bedarf keiner weiteren Zuhörer. Deshalb habe ich abgewartet, bis unsere Familie auf Achse ist. Hat sich heute hervorragend gefügt. Unsere beiden besseren Hälften auf Einkaufstour in den Niederlanden und die Große über Nacht bei ihrer Freundin ."
Hannah saß jetzt gemütlich auf einem der Stühle, vor sich die prallvolle Tasche. Sie verschränkte die Arme, nachdem sie sich ihre graumelierten Haare mit beiden Händen zurechtgerückt hatte.
"Ein Glas Rotwein wäre nicht verkehrt", schlug sie nun vor, womit sie sich auf einen längeren Abend einstellte.
"Wenn du meinst, Mama, dann hole ich uns mal eine Flasche."
Viola erhob sich und lief zur Speisekammer, öffnete die Tür und verschwand in dem gut gefüllten Vorratsraum.
"Halbtrocken oder trocken?", ertönte eine Frage in die Küche.
"Trocken natürlich, wieso fragst du eigentlich? Du kennst doch meine Vorlieben."
Hannah schüttelte den Kopf. Ob das heute überhaupt Sinn machte, ihrer Tochter etwas zu erklären, die schien ja ausgesprochen schwer von Kapee zu sein. Aber wenn sie ihr nicht umgehend etwas erzählte, dann würde sie platzen, dessen war sie sich absolut sicher. Es hatte schon reichlich Nerven gekostet, überhaupt bis zu diesem Augenblick abzuwarten und nicht vorher gewisse Details zu verraten.
"So, Mama", zog Viola den Korken mit einem gekonnten Ruck aus der Flasche und begutachtete das Etikett. "Der sollte eigentlich noch ein Weilchen atmen dürfen, ehe wir ihn trinken."
Aus dem Hängeschrank griff sie sich zwei einfache Gläser und stellte sie neben der Flasche auf den Tisch, allerdings erst nachdem sie ein Deckchen hingelegt hatte. Nicht noch Rotweinflecken in dem handgearbeiteten Stück!
"Keine Zeit", antwortete Hannah. "Schenk einfach mal ein."
Viola tat wie ihr geheißen. Inzwischen saßen beide einander gegenüber und prosteten sich zu. "Worauf wollen wir eigentlich trinken?", erkundigte sich die Tochter.
"Auf die Lösung eines spannenden Falls, du hast ja da schon die besten Erfahrungen ... Ich muss dir nämlich von einem großen Familiengeheimnis berichten."
Violas Arbeitstag hatte zeitig in der Früh begonnen. Sie war auf dem Großmarkt gewesen, hatte festgestellt, dass es keinen Bedarfsartikelgroßhändler dort mehr gab, und sich darüber geärgert, aber wenigstens die nötigen Blumen und Pflanzen sowie einiges an Beiwerk für die nächsten Tage eingekauft, dann erst in der Filiale am Ku'damm einen Teil bei Lisa und Renata abgeliefert, die sich sofort darum kümmerten. Dort hatte sie auch Benjamin den Auftrag gegeben, nach alternativen Bezugsmöglichkeiten für Bindedraht, Scheren, Messer, Steckschaum, Strohkränze, Klebeband & Co. zu schauen.
"Nichts leichter als das", war nur seine Antwort gewesen, was sie mit Erleichterung aufgenommen hatte. Dann war sie mit dem zweiten Schwung an frischer Ware nach Nikolassee gefahren, wo Swenja schon wartete. Sie wusste ja, dass sie sich auf ihren Azubi verlassen konnte. Im Anschluss überschlugen sich die üblichen Tagesereignisse im Geschäft, sodass sie nicht einen Moment zur Ruhe kam. Eigentlich wollte sie an diesem Abend mal zeitig ins Bett gehen und höchstens noch ein paar Seiten in ihrem aktuellen Kriminalroman schmökern. So war ihr Plan gewesen. Aber ihre Mutter hatte dafür gesorgt, dass sie nun hellwach war und an deren Lippen klebte.
"Du glaubst es nicht, Kind", fing Hannah an, "was sich hinter diesen Blüten verbirgt!"
"Falschgeld also? Auch das noch!"
Die Frage stand einen ziemlich langen Moment im Raum.
"Aber natürlich. Das sieht man doch auf Anhieb. Hier und da."
Hannah wies mit Kennermiene auf unterschiedliche Stellen eines Fünfzig-Mark-Scheines, den sie herausgezogen hatte und zusätzlich noch gegen das Licht der Deckenlampe hielt.
"Also, ich würde das nicht bemerken, wenn ich mal ehrlich bin", bekannte Viola. "Ist wohl auch schon zu lange her. Beim Euro kann mir da keiner was vormachen."
"Klar, damit gehst du auch jeden Tag um. Aber nun zu der Geschichte mit dieser Riesensumme. Es sind alles in allem nämlich ganze siebenhundertfünfundachtzigtausend D-Mark."
"Auch nach dem aktuellen Kurs nicht schlecht, die Summe", warf Viola ein.
"Du sagst es. Jede Menge Schotter, wofür es sich schon lohnt, ein paar Dummheiten zu begehen."
"Also, Mama, ich wäre dir dankbar, wenn du mal auf den Punkt kommen würdest. Ich verstehe nur Bahnhof."
Hannah blickte etwas entrüstet, aber die Freude überwog, nun endlich ihr Geheimnis loszuwerden, das sie lange genug gehütet hatte.
"Na gut, dann werde ich dich mal nicht länger auf die Folter spannen", schlug sie nun vor und erhob erneut ihr Glas, um sich einen größeren Schluck zu genehmigen.
Dann folgte die Geschichte von ihrer älteren Lieblingscousine Maria, von allen nur Mia genannt, die gerade verstorben war, und deren Mann Heinz, der in der Nachwendezeit auf mysteriöse Art und Weise verschwunden war. Nur dessen Freund hatte man damals aus der Spree gefischt, wobei Fremdverschulden ausgeschlossen wurde, wie es hieß.
Viola ließ ihre Mutter erzählen und lauschte gebannt. Das war ja ein Ding! Diese scheinbar so harmlose Ostverwandtschaft hatte es faustdick hinter den Ohren. Eine Bande von Geldfälschern offensichtlich. Man sollte wirklich niemandem trauen.
"Du kannst dich doch noch an Onkel Heinz erinnern, Liebes?", erkundigte sich Hannah zwischendurch.
"Aber selbstverständlich. Der ist doch mit mir auf dem Fußboden rumgeturnt und hat aus Bausteinen super Schlösser für meine Barbie-Puppe und den Ken gezaubert. Von Lego wie zu Hause waren die nicht, das weiß ich noch genau, farblich auch recht blass, wie hieß bloß die Firma? Ich glaube, Piko stand drauf und der Begriff Klemmbausteine. Auf dem Kasten war ein fröhliches Kind abgebildet ."
Viola bekam einen verträumten Gesichtsausdruck, der sich aber schlagartig in puren Ernst verwandelte.
" . und dann war mein Onkel eines Tages auf und davon. Ihr habt hinter vorgehaltener Hand was von einer Liebschaft erzählt. Ich habe das genau gehört, mich aber nicht getraut, weiter nach den Gründen zu bohren. Dabei war ich längst alt genug, um die Wahrheit zu erfahren."
Hannah schüttelte traurig den Kopf.
"Das hat keiner von uns wirklich...
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