Schweitzer Fachinformationen
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Am 29. November 2011 wölbte sich der azurblaue Himmel eines herrlichen Frühsommertages über Zululand. In der Hauptstadt Ulundi wurden um acht Uhr morgens 26 Grad Celsius gemessen, die Luft war weich und würzig, die Sonne strahlte, und die ekstatisch balzenden Webervögel blinkten wie Goldstücke zwischen saftig grünen Blättern. In München tobte zur selben Zeit ein Schneesturm.
Hector Mthembu hatte sein bescheidenes Haus, das in den Hügeln nördlich von dem Wildreservat Hluhluwe lag, schon vor Sonnenaufgang verlassen und erreichte nun die Mine, zu deren Wachmannschaft er gehörte. Die Luft stand still, es herrschte bereits eine Affenhitze, und er schwitzte wie ein Stier.
Auch Scott MacLean war heiß. Außerdem war er nach einer Nacht im Busch todmüde. Um seine Augen glühten rote, ringförmige Abdrücke, die ihn wie eine exotische Eule aussehen ließen, weil er auf der Suche nach der trächtigen Leopardin stundenlang durch sein Nachtglas gestarrt hatte. Trotz schmerzender Muskeln und brennender Augen war er restlos glücklich.
Im Morgengrauen hatte er die gefleckte Großkatze endlich in einer Felshöhle aufgestöbert und zu seinem Entzücken entdeckt, dass sie vier Junge säugte. Vier prachtvolle, gesunde Kätzchen. Als am längsten dienender Ranger des Wildreservats Hluhluwe würde er seinen Kollegen einen ausgeben müssen. Vierfacher Papa wurde man nicht jeden Tag.
Abgesehen davon hatte er sich vor zwei Tagen wieder mit Kirsty getroffen. Kirsty Collier mit den langen Beinen und der hinreißenden Sanduhr-Figur. Und den schönsten Augen, in die er je geblickt hatte. Wie er nach seiner Zeit auf der Universität, an der sie wie er Biologie und zusätzlich Tiermedizin studiert hatte, überhaupt je den Kontakt zu ihr hatte verlieren können, war ihm heute ein Rätsel. Vielleicht, weil sie sich damals Hals über Kopf in einen anderen verliebt hatte, einen, der ihr mehr bieten konnte als er, und vielleicht auch, weil er sich daraufhin zurückgezogen hatte, um seine Wunden zu lecken.
Erst Monate später hatte ihm ein Freund erzählt, dass der sie hatte sitzen lassen, ohne Vorwarnung, ganz brutal. Aber wie das Leben eben so ist, konnte er es sich damals weder zeitlich noch finanziell leisten, mal eben eintausendfünfhundert Kilometer quer durchs Land zu reisen. Anrufen wollte er sie nicht, weil er nicht wusste, was er einer Frau sagen sollte, die von jenem Mistkerl den Laufpass bekommen hatte, dessentwegen sie ihn verlassen hatte. Mit solchen Dingen tat er sich schwer.
Bald darauf hatte Kirsty wohl die Universität gewechselt, jedenfalls war sie, als er nachfragte, in ihrer alten Alma Mater nicht mehr eingeschrieben. Da er weder Telefonnummer noch Adresse von ihr hatte, war sie bald nur noch eine sehnsüchtige Erinnerung.
Doch das Schicksal war gnädig gewesen. Vor Monaten waren sie sich unvermittelt im Foyer des Durbaner Hotels über den Weg gelaufen, wo er auf der Tagung für Wildtier-Management einen Vortrag halten musste. Plötzlich stand sie vor ihm. Smart gekleidet in weißer Bluse, engem Rock und High Heels, was so ungewöhnlich für sie war, dass er im ersten Augenblick seinen Augen nicht traute. Ihm traten vor Aufregung Schweißperlen auf die Stirn, obwohl die Hotelhalle klimatisiert war.
»Scott«, begrüßte sie ihn. »Hallo.«
Verwirrt schaute er auf ihr Namensschild, das ihre Zugehörigkeit zu einer Cateringfirma verkündete. Kirsty Collier, stand da. Eventmanagerin. Seine Augenbrauen schossen erstaunt hoch. Die Kirsty, die er gekannt hatte, hatte überhaupt nichts für Tätigkeiten übrig, die nichts mit ihrem angestrebten Beruf Tierärztin zu tun hatten.
»Ich kann auch ziemlich gut kochen«, erklärte sie auf seine Reaktion hin trocken.
Er stammelte irgendetwas Unzusammenhängendes und sah ihr anschließend für lange Sekunden stumm in die Augen. Dann öffnete er einfach seine Arme, und sie schmiegte sich an ihn.
»Du riechst nach Raubtierkäfig«, stellte sie fest und lachte.
Ein sinnliches Lachen, bei dem es ihm heiß und kalt den Rücken hinunterlief, und im selben Moment erkannte er, dass er das gefunden hatte, wonach er so lange gesucht hatte. Dieses Mal würde er Kirsty nicht wieder gehen lassen.
Mit einem versonnenen Lächeln marschierte er durch ein trockenes Flussbett zu seinem Geländewagen.
Marcus Bonamour hatte extrem schlechte Laune. Weil es Montag war, weil er sich mal wieder mit seinem Vater gestritten hatte und weil das Wetter in München seit Wochen einfach unerträglich scheußlich war. Ein bleischweres Gewicht in seiner Magengegend kündigte seine Winterdepression an, die in ihm hochkroch wie ein gefräßiges schwarzes Tier. Immer in diesen kalten, dunklen Tagen schlug es seine Klauen in seine Seele. Er ballte die Hände zu Fäusten. Einzig der Gedanke an Silke bewahrte ihn noch davor, in einer Welle von Trostlosigkeit zu ertrinken. Mit überwältigender Heftigkeit überfiel ihn die Sehnsucht nach ihr. Ihrem Lächeln, ihren Augen, ihrer duftenden Haut. Danach, sein Gesicht in ihrem seidigen Haarschopf zu vergraben. Seine Silky, wie nur er sie nennen durfte.
Keiner der drei Männer ahnte etwas von der Existenz des anderen. Auch Hector Mthembu und Scott MacLean waren sich noch nie begegnet, obwohl sie nur wenige Kilometer entfernt voneinander lebten. Sowohl Hector als auch Scott trafen an diesem 29. November eine Entscheidung, die unter normalen Umständen nur sie selbst berührt hätte, aber da Marcus Bonamour war, wer er war, überrollten ihn die Auswirkungen mit der tödlichen Wucht eines Hochgeschwindigkeitszuges und stießen ihn hinab in seine ganz private Hölle - geradewegs in die Arme derjenigen, die seine schwärzesten Albträume bevölkerten.
Was genau die Ereignisse schließlich ins Rollen brachte, ist im Nachhinein schwer festzulegen. Aber letzten Endes war die Bildung einer Methangasblase tief unter der kleinen Mine ausschlaggebend. Das Gas sickerte durch das Vulkangestein in den Stollen, und da es leichter war als Luft, verteilte es sich schnell, zog wie Rauch bis in die letzte Nische. Bald war der Punkt erreicht, an dem ein einziger Funke genügen würde, um den gesamten Berg in die Luft zu sprengen.
In der Mine wurden seltene Erden von großer Reinheit gewonnen, die im Zeitalter von Atomreaktoren, Bildschirmen und Lasern immense Bedeutung erlangt hatten und von Tag zu Tag teurer wurden. Jeder Erdhaufen wurde durchgesiebt, um auch noch das letzte kostbare Gramm zu gewinnen. Als man den Schatz an seltenen Erden entdeckte, war das kleine Bergwerk schon wegen Unrentabilität seit einiger Zeit stillgelegt, Wartungen waren seit Langem nicht mehr durchgeführt worden. Überhastet wurde trotz veralteter Ausrüstung der Betrieb wiederaufgenommen.
Hector hatte von Technik keine Ahnung. Zuvor arbeitete er als Einkaufswagen-Manager für einen Supermarkt. Das hieß, er schob die über den Parkplatz verstreuten Einkaufswagen zu einer langen Schlange ineinander und bugsierte die zur Wagenstation. Von Gefahren, die Gasansammlungen in einer Mine darstellten, hatte er noch nie etwas gehört.
Früher trugen Bergleute Kanarienvögel im Käfig mit in die Grube, die sie vor Giftgasen warnen sollten. Fielen die Vögel tot um, war es höchste Zeit, den Stollen zu verlassen. Aber seitdem die Schächte von Neonlampen beleuchtet wurden und es elektrische Grubenlampen gab, waren die lebenden Warnanlagen überflüssig geworden. Paradoxerweise kostete Hector Mthembu jedoch tatsächlich ein elektrischer Funke das Leben sowie die Tatsache, dass zwischen ihm und seinem Kollegen Wiseman Luthuli ein ständiger Streit schwelte.
Wiseman war zwar ohnehin ein Draufgänger, aber zunehmend unberechenbarer geworden, seit er vor Monaten angefangen hatte, Tik zu rauchen. Er ignorierte jegliche Vorschriften, besonders wenn Mädchen im Spiel waren. Und die umschwärmten den jungen Mann wie die Motten das Licht. Ständig brauchte er Geld. Viel Geld. Für Tik und für die Mädchen. Auch Hector hatte er schon angepumpt. Und natürlich keinen Cent zurückgezahlt. Doch neuerdings schien er überraschend flüssig zu sein, und Hector war sich sicher, dass er einer Gang angehörte, die für die vielen Überfälle in der Gegend verantwortlich war. Immer öfter erschien er einfach nicht zum Dienst oder verdrückte sich mit seiner Freundin in ein lauschiges Eckchen. Hector hatte es mittlerweile restlos satt, ständig für ihn einspringen und lügen zu müssen. Sowie sich die Gelegenheit ergab, würde er mit dem Minenmanager über Wiseman sprechen.
Der Eingang zum Schacht war heute, an einem Montag, mit einem soliden Eisentor verschlossen, weil die gesamte Belegschaft singend und tanzend - und mit Hackmessern, Speeren und Schusswaffen bewaffnet - zu einer Protestveranstaltung der Minenarbeitergewerkschaft gezogen war, um höhere Löhne zu erstreiten. Da Hector und Wiseman nicht der Gewerkschaft angehörten, waren sie vom Management zum Wachdienst eingeteilt worden. Sie verbrachten die Zeit im Schatten des Wachhäuschens, rauchten und tranken Bier, wobei sie ausgiebig über ihre Familien, die örtliche Politik und die Auswirkungen des Streiks auf ihre mageren Geldbeutel diskutierten.
Nachmittags gegen vier Uhr erschien überraschend Wisemans neue Freundin. Seine Hand auf ihr ausladendes Hinterteil gelegt, verdrückte er sich sogleich mit einem erwartungsfreudigen Grinsen mit ihr...
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