Schweitzer Fachinformationen
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Trotz des frühen Morgens tanzten Hitzeschlieren über dem Busch, die Sonne strahlte unbarmherzig aus dem brennend blauen Himmel und ließ jeden Tropfen Feuchtigkeit verdampfen. Jill Rogges Haut spannte sich, obwohl sie sich großzügig eingecremt hatte. Der Busch um sie herum knisterte, die Suhlen der Nashörner verkrusteten und trockneten ein, sonst ergiebige Wasserlöcher wurden zu Schlammkuhlen. Mensch und Tier lechzten nach Regen.
Sie lehnte sich weit aus dem Wagenfenster und suchte den Krokodilfluss, der sich sonst als breites, silbern glitzerndes Band durch die flache Senke unter ihr wand. Selbst mit ihrem erfahrenen Blick konnte sie ihn nur an der tropisch grünen Vegetation erkennen, die an seinem Ufer wuchs. Das Wasser war in der brutalen Trockenheit der vergangenen Wochen zu einem Rinnsal versickert.
Sie wendete und lenkte den Geländewagen vorsichtig über die Schotterstraße, die durch eine Senke zur frisch ausgebesserten Brücke über das Bett des Krokodilflusses führte. Die Oberfläche war hart wie Beton, an vielen Stellen aufgebrochen und von ausgewaschenen Rinnen und unangenehm tiefen Schlaglöchern durchzogen. Die Reifen rutschten auf dem von zerkleinertem Schotter bedeckten, abschüssigen Weg. Sie seufzte frustriert. Der nächste Regen würde nicht in den Boden eindringen können, sondern als Sturzbach hinunter zum Fluss schießen, Bäume und Geröll mit sich reißen und die Brücke erneut beschädigen. Ein Teil des Gewinns, den sie in der letzten Saison erwirtschaftet hatte, würde für Reparaturen draufgehen. Wie immer. Sie seufzte noch einmal. Manchmal fantasierte sie von einem schönen, ereignislosen Leben in Europa ohne Naturkatastrophen.
Erfreulicherweise waren die Buchungen für die Lodge dieses Jahr ungewöhnlich gut. Das hatte sie wohl dem Fußballfieber zu verdanken. Südafrika stand wegen der Fußballweltmeisterschaft im Scheinwerferlicht. Wenn sie den überschwänglichen Berichten in den Zeitungen glauben konnte, gab es in der restlichen Welt kaum ein anderes Thema. Wirtschaftskrise, Afghanistanproblem, El Kaida und Irak-Krieg hin oder her.
Ob das nun so war oder nicht, ihrer Farm Inqaba, eine der schönsten und ältesten Farmen in Zululand und seit rund dreizehn Jahren eines der berühmtesten Wildreservate, kam das zugute. Außerdem erwarteten sie die Ankunft eines Filmteams aus Deutschland, wovor ihr allerdings grauste. Es war nicht das erste Mal, dass auf Inqaba gedreht wurde. Die Filmleute würden für die Zeit der Aufnahmen die Lodge praktisch komplett belegen - nur wenige Zimmer waren an andere Gäste vermietet -, was ihr auf der einen Seite ruhige Nächte bescheren, andererseits den normalen Tagesablauf mit Sicherheit völlig durcheinanderwirbeln würde. Filmleute pflegten Bitten, doch etwas Rücksicht auf die übrigen Gäste zu nehmen, mit völligem Unverständnis zu begegnen.
Aber Gott sei Dank würde Nils dann wieder da sein und das Team in Empfang nehmen. Der Kameramann und er waren seit Ewigkeiten dicke Freunde. Saufkumpane, setzte sie für sich hinzu und verzog das Gesicht. Die meisten Journalisten, die sie kannte, tranken zu viel. Nils hatte sich das bis auf ein, zwei Ausreißer in ihrem ersten Ehejahr abgewöhnt. Glücklicherweise.
Langsam steuerte sie über die Brücke, die auf beiden Seiten in Abständen von zwei Metern mit niedrigen Betonquadern begrenzt war. Die Blöcke dienten einerseits dazu, unerfahrene Touristen davor zu bewahren, mit dem Auto über die Kante in den Fluss zu stürzen, andererseits verhinderten sie, dass sich bei Überschwemmungen ausgerissene Bäume und Büsche dort auftürmten. Das Flussbett wand sich in weitem Bogen nach Osten. In einigen Hundert Metern Entfernung entzog es sich ihrem Blick in einem Dickicht von raschelndem Schilf, üppigen Ilala-Palmen und wilden Bananen, deren große Blätter noch grün glänzten. Weit zurückgesetzt vom Flussufer ragte eine schroffe Felswand aus den Baumkronen.
Für einen Moment hielt sie an, schaltete den Motor ab und ließ das Fenster herunter. Tiefe Stille umfing sie. Alle Lebewesen hatten sich in schützenden Schatten zurückgezogen, lediglich einige Geier zogen ihre lautlosen Kreise am brennend blauen Himmel. Bliebe der Regen noch lange aus, würden sie bald einen reich gedeckten Tisch finden.
Sie schaute hinunter zum Flussbett. Das vertraute Gurgeln des dahinströmenden Wassers war verstummt, doch hier und da glitzerten noch Pfützen zwischen den Felsen. Rotköpfige Finken schwirrten herbei und tranken, blaue Libellen flirrten über der Oberfläche, am Grund des größten Tümpels trieb eine Schildkröte. Es war kein Laut zu hören.
Ihre Augen strichen hinauf zur nächsten Anhöhe. Dort veränderte sich das Terrain. Dornendickicht und gelbes, vertrocknetes Gras überzog die weichen Hügel, vereinzelt blühende Aloen lieferten Farbtupfer, Schirmakazien, bedeckt von Schleiern gelber Mimosenblüten, warfen flirrende Schatten, gaben ihm die unvergleichliche Atmosphäre der afrikanischen Savanne. Es war eine friedliche, endlos wirkende Landschaft. Ihr Zuhause. Ihre Gedanken zerflossen im Licht.
Plötzlich hustete jemand, und sie kehrte ruckartig in die Gegenwart zurück. Es war ein kurzer, harter Laut gewesen, fast menschlich. Jetzt herrschte wieder tiefe Stille. Konzentriert lauschte sie auf eine Wiederholung des Geräuschs, spürte dabei eine drängende Unruhe. Aber es blieb still, nicht einmal ein Vogel schimpfte. Es war so, als hätte ein Schreck alle Lebewesen verstummen lassen.
War das ein Mensch gewesen? Unmöglich, gab sie sich sofort zur Antwort. Kein Mensch würde hier zu Fuß herumlaufen. Außerdem waren wohl alle Gäste mit den Rangern unterwegs. Vielleicht streunte ein Leopard umher? Obwohl das tagsüber bei dieser Hitze ungewöhnlich war. Am wahrscheinlichsten erschien ihr, dass der Wachtposten einer Pavianherde einen Warnlaut ausgestoßen hatte. Aufmerksam suchte sie in dem staubigen Grün des gegenüberliegenden Ufersaums nach Anzeichen für die Anwesenheit von Affen. Hin und her schlagende Büsche oder Baumkronen oder Gras, das durcheinandergequirlt wurde.
Aber da war nichts. Noch einmal schaute sie genau hin, ließ keinen Zentimeter der Umgebung aus, konnte aber keinerlei Bewegung feststellen. Langsam entspannte sie sich wieder. Vermutlich war es ein einzelner Pavian gewesen. Ein junger, nach der Tonlage zu urteilen. Die Zikaden begannen eine nach der anderen ihre Saiten zu streichen, und bald vibrierte die Luft von ihrem Schrillen. Sie startete den Landrover wieder.
Die Steigung auf der anderen Seite war steil, sie musste in den ersten Gang schalten. Der Motor heulte auf. Zwei junge Paviane, die am Straßenrand Marulafrüchte kauten, stoben empört schnatternd davon und sprangen in die dichte Krone eines Götterfruchtbaums, dessen dunkelgrüne Blätter wie im Sturm umherschlugen. Dort saß offenbar der Rest der Pavianfamilie. Die leisen, beruhigenden Gurrlaute der Mütter waren deutlich zu vernehmen. Einer von ihnen hatte sicher gehustet. Sie hatte also richtig gehört. Vorsichtig ließ sie das Fenster hochsurren.
Von der Anhöhe fiel das Land nach links sanft zum Flussbett ab, Palmen wuchsen fast bis an die Straße. Nach rechts säumte eine zwei Meter hohe, von dichtem Buschwerk gekrönte Stufe im Gelände den Weg wie eine Mauer. Ein juwelenblauer Glanzstar landete vor ihrem Kühler, und Jill bremste ab, um ihn nicht zu erschrecken. Dabei nahm sie gleichzeitig am äußersten Bereich ihres Blickfelds eine winzige Bewegung wahr. Sie wandte ihren Kopf ruckartig herum.
Der tiefe, scharf begrenzte Schatten unter einer Palmengruppe veränderte sich, wurde lang und schwärzer, bewegte sich ein paar Handbreit nach rechts, ehe er sich wieder im Lichtgeflimmer der Palmwedel auflöste.
Ein kleines Tier, das Schutz vor der sengenden Sonne suchte. Das nahm sie an, als der Schatten hochschnellte und davonhuschte, flüchtig wie der eines vorüberfliegenden Vogels. Erst als sie schon ein paar Meter weitergefahren war, wurde ihr bewusst, dass der Schatten die Umrisse eines Menschen gehabt hatte. Eines kleinen Menschen. Fast die eines Kindes. Oder war es doch nur wieder ein Pavian gewesen? Sie trat so hart auf die Bremse, dass die Reifen über den Schotter rutschten.
Mit jaulendem Motor setzte sie ein paar Meter zurück, nahm ihr Gewehr aus der Halterung, sprang vom Wagen und näherte sich vorsichtig der Palmengruppe. Mit größter Aufmerksamkeit beobachtete sie ihre Umgebung und achtete auf Geräusche wie das leise Schnattern von Affenjungen, das Gurren ihrer Mütter, konnte aber nichts feststellen. Unter den Palmen ging sie in die Hocke und tastete Zentimeter für Zentimeter den Bereich darunter mit den Augen ab. Die einzigen Spuren waren ein paar umgeknickte Grashalme. Sie strich mit den Fingerspitzen darüber. Der Boden war so hart, dass derjenige, der sich hier versteckt hatte, keinerlei Abdrücke hinterlassen hatte.
In immer größer werdenden Kreisen untersuchte sie den Boden, stocherte mit einem Stock unter Büschen, schaute hinter die Felsen, die aus der roten Erde ragten, und darunter, wo es möglich war, spähte minutenlang in die Kronen der umliegenden Bäume. Aber sie fand nichts.
Ein paar Sekunden noch verharrte sie bewegungslos und hoffte, irgendetwas wahrzunehmen, eine Bewegung, einen Ton. Aber alles blieb ruhig. Vielleicht hatte sie sich doch geirrt, vielleicht hatten die tanzenden Schatten der Blätter, das flirrende Licht, ihre eigene Müdigkeit sie getäuscht.
Oder hatte sie doch einen der großen Affen gesehen?
Mit verschwommenem Blick starrte sie über die Palmen hinunter zum riedgesäumten Ufer. Wie...
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