1 Fotoausrüstung
Grundsätzlich sollte man für die ersten eigenen Aufnahmen die bereits vorhandene Fotoausrüstung verwenden. Erst wenn man mit dieser an unüberwindbare Grenzen stößt, sollte man Neuanschaffungen in Erwägung ziehen. Nur weil ich alle zwei Jahre die neueste Kamera kaufe, mache ich mit dieser noch lange keine besseren Bilder. Vermutlich passiert sogar eher das Gegenteil, weil es einige Zeit dauert, bis ich mit der neuen Kamera genauso vertraut bin wie mit der alten. Ich kann in diesem Kapitel keine klaren Empfehlungen für den Hersteller A oder das Model B aussprechen. Ich habe nicht alle am Markt erhältlichen Kamera- und Objektivmodelle getestet. Darüber hinaus wären solche Empfehlungen ohnehin recht subjektiv, weil ich seit 1992 fast ausschließlich mit Nikon Kameras arbeite. Alle in diesem Buch erwähnten Kameras, Objektive und Stative benutze ich selbst, ich kann in jedem Fall etwas darüber berichten, wie gut sie ihre Aufgabe erfüllen und wie langlebig sie sind. Was allerdings keinesfalls bedeutet, dass Hersteller C nicht eine bessere Qualität liefert.
1 .1 Kamera
Bei der Suche nach der richtigen Kamera für die Arbeit mit langen Belichtungszeiten sind die gängigen Kriterien und Testberichte in den fotografischen Fachzeitschriften wenig hilfreich. Bei der Arbeit im Lightpainting brauche ich keinen Autofokus. Es ist völlig bedeutungslos, wie viele Bilder pro Sekunde die Kamera auf die Speicherkarte schreiben kann. Da ich grundsätzlich im RAW Format aufnehme, interessieren mich die immer besseren Bildbearbeitungswerkzeuge in der Software der Kamera nicht. Über, für den Lightpainter wichtige, technische Parameter der Kamera findet man meist kaum verlässliche Angaben.
Welche Kriterien waren für die Anschaffung der Nikon D750 auschlaggebend?
1 .1 .1 Robustheit
Die D750 hat ein robustes Gehäuse aus einer Magnesium-Aluminium-Legierung und ist gut gegen das Eindringen von Staub und Feuchtigkeit geschützt. Bisher hat die Kamera einige Stürze, Regenfälle und alle Ausflüge an unwirtliche, unwegsame, staubige Orte, von einigen kleinen Kratzern abgesehen, unbeschadet überstanden.
1 .1 .2 Auflösung
Die 24 Millionen Bildpunkte des Sensors sind völlig ausreichend, um auch großformatige Drucke von den Bildern anfertigen zu können. Größere Sensorauflösungen haben nicht unbedingt nur Vorteile. Unter Umständen nimmt das Bildrauschen aufgrund der höheren Pixeldichte zu. Darüber hinaus steigt der benötigte Speicherplatz der Speicherkarte, der Festplatte im Computer und des Backup-Mediums. Die Zeit zum Transfer und zur Bearbeitung der Bilder verlängert sich ebenfalls.
1 .1 .3 Sensorgröße
Die Sensorgröße hatte einen großen Einfluss auf meine Kaufentscheidung. Bei gleicher Auflösung, aber größerer Sensorfläche ist die Pixeldichte geringer. Wie im Abschnitt vorher bereits erwähnt, ist somit von einem geringeren Bildrauschen auszugehen. Sensoren im Kleinbildformat, oft scherzhaft "Vollformat" genannt, haben einen Crop Faktor von 1 in Bezug auf die Brennweite des Objektives. An der Nikon D750 hat das Laowa 12 mm Ultraweitwinkelobjektiv einen Bildwinkel von sagenhaften 122°. An Kameras im DX (Nikon) oder APS-C (Canon) Format wird nur ein Teil des Bildfeldes aufgenommen, weil der Sensor eine kleinere Fläche hat. Der Faktor liegt bei 1,5 (Nikon) bzw. 1,6 (Canon). Der Bildwinkel des 12 mm Objektives verringert sich auf 98,8° (Nikon) bzw. 96,7° (Canon). Man hört und liest in diesem Zusammenhang häufig den Begriff "Brennweitenverlängerung". Aus dem 12 mm Objektiv wird an der DX oder APS-C Kamera plötzlich ein 18 mm Objektiv. Die Brennweite des Objektives ändert sich allerdings nicht dadurch, dass es an eine andere Kamera montiert wird, einzig der Bildausschnitt ist kleiner. Noch stärker als bei DX oder APS-C Sensoren sind die Auswirkungen bei Micro Four Thirds Sensoren. Die Bildfläche dieser Sensoren hat den Faktor 2, ist also nur halb so groß wie die der Sensoren im Kleinbildformat. Der Bildwinkel des 12 mm Objektives beträgt dann nur noch 84°. Dieser entspricht einer Brennweite von 24 mm an der Kamera mit dem Sensor im Kleinbildformat.
Größere Sensoren wären sicher technisch sehr interessant für die Arbeit mit langen Belichtungszeiten, weil diese ein sehr geringes, meist mit bloßem Auge nicht erkennbares, Bildrauschen haben. Allerdings kosten Systeme von Phase One oder Hasselblad so viel wie ein luxuriöser Mittelklassewagen. Darüber hinaus sind diese Systeme nicht für den harten Einsatz in Lost Places oder der rauen Landschaft konzipiert.
1 .1 .4 Dynamikumfang
Dieser Begriff beschreibt, wie groß die Helligkeitsunterschiede sind, die der Sensor aufzeichnen kann. Das menschliche Auge kann ungefähr 15 bis 20 Blendenstufen sehen. Die allermeisten Kameras können diesen Helligkeitsunterschied nicht aufzeichnen. Die Nikon D750 hat einen hohen Dynamikumfang von ca. 10 Blendenstufen. Somit ist in den dunkelsten und hellsten Bereichen bei den allermeisten Lichtsituationen noch deutliche Zeichnung zu erkennen. Diese Bereiche sind also nicht durchgehend schwarz oder weiß.
1 .1 .5 Bildrauschen
Dieser Begriff beschreibt, dass Bildpunkte des Sensors angeregt werden, ohne dass Licht auf sie trifft. Sichtbar ist das dann in roten, grünen, oder blauen Pixeln vor allem in dunklen Bildbereichen. Die Stärke des Bildrauschens wird hauptsächlich durch die Temperatur bestimmt. Umso höher die Oberflächentemperatur des Sensors, desto stärker fällt das Bildrauschen aus. Somit ist ein kleineres, leichteres Kameragehäuse sicher dem geplagten Rücken dienlich, aber nicht unbedingt der Bildqualität. Ein großes Gehäuse aus einer Magnesium-Aluminium-Legierung leitet die Wärme besser nach außen als das kleine Kunststoffgehäuse. Darüber hinaus haben die Pixeldichte und die Fertigungsqualität des Sensors Einfluss auf das Bildrauschen. In den einschlägigen Tests wird meist nur das Bildrauschen bei hohen ISO Einstellungen getestet. Diese Werte haben nur bedingt eine Aussagekraft auf das Rauschverhalten bei kleinen ISO Werten und langen Belichtungszeiten.
1 .1 .6 Handhabung
Gerade bei der Arbeit in der Dunkelheit ist es sehr vorteilhaft, wenn man alle relevanten Bedienelemente der Kamera "blind" bedienen kann. Alle Tasten und Einstellräder sollten groß genug sein, gut erreichbar sein und einen sauber definierten Druckpunkt haben. Es empfiehlt sich dringend, das Objekt der Begierde vor dem Kauf in die Hand zu nehmen und ausgiebig auf die mechanische Qualität zu testen. Darüber hinaus ist es vorteilhaft, wenn die neue Kamera das gleiche Bedienkonzept und die gleiche Positionierung der Elemente aufweist wie eine eventuell bereits vorhandene Kamera. Das spart Zeit und Nerven bei der Einarbeitung mit der neuen Kamera.
1 .1 .7 Laufzeit
Bei vielen modernen "spiegellosen" Kameras besteht mein Hauptkritikpunkt in der, im Vergleich zu den meisten Spiegelreflexkameras, wesentlich geringeren Akkulaufzeit. Für die meisten Fotografen ist das kein entscheidendes Argument gegen die Anschaffung einer solchen Kamera. Dann packt man eben zwei oder drei Akkus ein und tauscht diese dann bei Bedarf. Für Fotografen, die mit sehr langen Belichtungszeiten (15 Minuten oder mehr) arbeiten, ist dieser Punkt allerdings durchaus wichtig. Es besteht schließlich eher die Gefahr, dass während der Belichtung der Akku leer ist und somit die Belichtung ungewollt beendet wird. Für die Nikon D750 werden nach CIPA1) Standard 1230 Auslösungen angegeben, für die Nikon Z6 nur 330. Ob der Unterschied bei der täglichen Arbeit mit langen Belichtungszeiten tatsächlich derart gravierend ist, wie diese Zahlen es vermuten lassen, vermag ich nicht zu beurteilen. Im Falle der Sony a7 III hat die Kamera mit 100% Akkuladung nach nur fünf Aufnahmen mit je 10 Minuten Belichtungszeit signalisiert, dass sie einen frischen Energiespeicher benötigt. Die Nikon D750 zeigt nach fünf 10 Minuten langen Belichtungen bei 20°C eine restliche Akkukapazität von über 80% an.
1 .1 .8 Objektivanschluß
Es ist möglich, fast jedes Objektiv an jedes Kamerasystem zu adaptieren. Allerdings ist das meist mit einigen Einschränkungen verbunden. Je nach Art des Adapters ist das darüber hinaus mit nicht unerheblichen Kosten verbunden. Die bessere Lösung stellt die Verwendung von Objektiven mit dem passenden Anschluss dar. Da ich vor dem Kauf der Nikon D750 bereits viele Objektive mit Nikon F Bajonett besaß, ist auch dieser Aspekt in meine Kaufentscheidung mit eingeflossen. Darüber hinaus ist Nikon F wahrscheinlich der am weitesten verbreitete Objektivanschluß. Eingeführt wurde er im Jahr 1969 und wurde seitdem nicht...