Benjamin Constant (1767-1830) war Abgeordneter der Deputiertenkammer und führender Verfassungstheoretiker des französischen Frühliberalismus. Mit seinem strikt basisorientierten Repräsentationskonzept wandte er sich gegen den von der jakobinischen Revolutionsregierung und Napoleon Bonaparte gleichermaßen erhobenen Anspruch, das Gemeinwohl der französischen Nation von der Spitze des Staates her zu definieren. In zwei Regionalstudien zu von Constant parlamentarisch vertretenen Departements untersucht Peter Geiss, in welcher Weise Constant sein Verständnis von Repräsentation in der Kommunikation mit der politischen Basis umzusetzen vermochte. Deutlich wird, dass der Constantsche Liberalismus in seinen kulturellen Praktiken (dichte briefliche Kommunikation, Presse, Reisen, Petitionskampagnen, Bankette als politische Inklusionsrituale) den sozialelitären Rahmen des restaurationszeitlichen Zensussystems bereits überschritten hatte und wie sehr Constant zu einer beträchtlichen Ausweitung nationaler Öffentlichkeit bis in den dörflichen Bereich hinein beigetragen hat. Ein besonderes Verdienst der Arbeit besteht darin, dass sie politische Ideengeschichte konstruktiv mit Sozial- und Kulturgeschichte verknüpft.
Rezensionen / Stimmen
"Das Buch ist beileibe nicht nur für Historiker von Interesse, sondern auch für Politikwissenschaftler mag es manche Lektion bereithalten. Der methodische Ansatz überzeugt und die Auswertung ungedruckten Archivmaterials dürfte zusätzlich Maßstäbe gesetzt haben, sodass dem Rezensenten nur noch bleibt, dem Buch eine große Leserschaft zu wünschen." Michael Kreutz in: sehepunkte 11/2011 ''Die lesenswerte Arbeit von Peter Geiss ist mit einer reichen Bibliographie sowie einem Personen- und Sachregister ausgestattet.'' Historische Zeitschrift, Heft 295/2 "Geiss' Studie bewegt sich wissenschaftlich wie sprachlich auf einem äußerst anspruchsvollen Niveau, das heißt, sie stellt keine 'leichte Kost' dar und kann jedenfalls nicht sozusagen im Vorbeigehen rezipiert werden. Wer sich aber auf dieses inhalts- und gedankenvolle Werk wirklich einlässt und sich tiefergehend mit Constants politischem Denken und der liberalen Repräsentationskultur in Frankreich beschäftigen möchte, der wird mit einer Fülle neuer Erkenntnisse und Sichtweisen belohnt, und zwar sowohl zu den programmatischen Fundamenten eines transnational verwobenen, bis heute als wesentlicher Bestandteil der parlamentarischen Demokratie agierenden Liberalismus in Europa, als auch zu dem engen ideellen Zusammenhang zwischen französischer und deutscher liberaler Bewegung im frühen 19. Jahrhundert." Jahrbuch zur Liberalismus-Forschung Online, Nr. 1/2012
Reihe
Thesis
Dissertationsschrift
2002
Universität Düsseldorf
Sprache
Verlagsort
Zielgruppe
Dateigröße
ISBN-13
978-3-486-71938-3 (9783486719383)
Schweitzer Klassifikation
1 - Vorwort [Seite 9]
2 - Einleitung [Seite 11]
2.1 - Zur Forschungs- und Quellenlage [Seite 22]
2.2 - Zur Terminologie [Seite 33]
3 - Ideen- und verfassungsgeschichtliche Rahmenbedingungen liberaler Repräsentationskultur [Seite 43]
3.1 - 1. Gegen autoritäre Volksvertretung - Constants Auseinandersetzung mit den Repräsentationskonzepten der Jakobiner und Napoleon Bonapartes (1793-1814) [Seite 43]
3.2 - 2. Parlamentarische Repräsentation in der konstitutionellen Monarchie - Constants Beitrag zur Verfassungsdiskussion der Restaurationszeit (1814-1830) [Seite 56]
3.2.1 - 2.1. Constants Modell einer konstitutionellen Monarchie [Seite 59]
3.2.1.1 - 2.1.1. »Pouvoir neutre« - das konstitutionelle Königtum als archimedischer Punkt im Staat [Seite 59]
3.2.1.2 - 2.1.2. Die parlamentarisch verantwortliche Regierung [Seite 65]
3.2.1.3 - 2.1.3. Gewählte Volksvertretung und Pairskammer [Seite 68]
3.2.1.4 - 2.1.4. Die unabhängige Justiz [Seite 73]
3.2.2 - 2.2. Aristokraten als Volksvertreter? - Constants Vorträge über das »englische Modell« [Seite 75]
3.2.3 - 2.3. Napoleon als konstitutioneller Monarch? - Constant und die Verfassung der »Hundert Tage« (1815) [Seite 82]
3.2.4 - 2.4. Repräsentation als Herrschaft der Urteilsfähigen - Constant und die Wahlrechtsdebatten der Restaurationszeit (1816/1817 und 1820) [Seite 93]
3.2.4.1 - 2.4.1. Die loi Lainé von 1817 und das Prinzip der direkten Wahl [Seite 93]
3.2.4.2 - 2.4.2. Die politische Logik des Zensuswahlrechts [Seite 100]
3.2.4.3 - 2.4.3. Die »classe moyenne« als staatstragende Schicht [Seite 104]
3.2.4.4 - 2.4.4. Das Wahlrecht der »classe industrieuse« [Seite 109]
3.2.4.5 - 2.4.5. Politische Emanzipation durch Wohlstand - die liberale Gesellschaftsutopie [Seite 113]
3.2.4.6 - 2.4.6. Die loi du double vote von 1820 - ein Sieg der Oligarchie? [Seite 119]
3.2.5 - 2.5. Zwischen Partikularinteressen und Gemeinwohl - zum Mandatsverständnis Benjamin Constants [Seite 127]
4 - Liberale Repräsentationskultur und Öffentlichkeit [Seite 135]
4.1 - 3. Repräsentation als »gouvernement par l'opinion publique« [Seite 135]
4.1.1 - 3.1. Liberaler Journalismus und Öffentlichkeit in der Restaurationszeit [Seite 136]
4.1.2 - 3.2. Die Funktion von öffentlicher Meinung und Presse im konstitutionellen Denken Benjamin Constants [Seite 137]
4.1.3 - 3.3. Constants Kritik am Presserecht - Grundzüge der Entwicklung (1799-1819) [Seite 142]
4.1.4 - 3.4. Constants Auseinandersetzung mit den Presseprozessen der Restaurationszeit [Seite 146]
4.1.5 - 3.5. Die Debatte über die Pressegesetze von 1819 [Seite 149]
4.1.5.1 - 3.5.1. Die Presse zwischen allgemeinem Strafrecht und Kautionspflicht [Seite 152]
4.1.5.2 - 3.5.2. Öffentliche Moral oder Religion? - der Schutz gesellschaftlicher Grundwerte [Seite 160]
4.1.5.3 - 3.5.3. Kontrolle oder Diffamierung - Beamtenschaft und freie Presse [Seite 164]
4.1.6 - 3.6. Zusammenfassung [Seite 168]
5 - Liberale Repräsentationskultur zwischen Hauptstadt und Provinz Zwei Regionalstudien [Seite 171]
5.1 - 4. Constants Abgeordnetenmandat für das Departement Sarthe (1819-1822) [Seite 171]
5.1.1 - 4.1. Liberale Politik am Wendepunkt der Restaurationszeit - allgemeine Entwicklungslinien der Jahre 1819-1822 [Seite 171]
5.1.2 - 4.2. Charles Goyet und die politische Organisation der Liberalen in der Sarthe [Seite 179]
5.1.3 - 4.3. Wählermobilisierung im politischen Niemandsland - Goyets politische Pädagogik [Seite 187]
5.1.4 - 4.4. Westfranzösische cultivateurs und liberale Ideen - Constants politische Basis im Departement Sarthe [Seite 197]
5.1.5 - 4.5. Konflikte mit der Staatsgewalt - die Wahlmanipulationen der Jahre 1820 und 1822 [Seite 205]
5.1.6 - 4.6. Die Kommunikation zwischen Constant und seinen commettants [Seite 215]
5.1.6.1 - 4.6.1. Briefkorrespondenzen und individuelle Bittgesuche [Seite 216]
5.1.6.2 - 4.6.2. Petitionen an die Deputiertenkammer [Seite 223]
5.1.6.3 - 4.6.3. Kommunikation durch Presse, Broschüren und Reden - die Entstehung einer regionalen Öffentlichkeit [Seite 228]
5.1.6.4 - 4.6.4. Constants Reise in das Departement Sarthe (1820) [Seite 236]
5.1.7 - 4.7. Themen und Probleme liberaler Politik im Departement Sarthe [Seite 241]
5.1.7.1 - 4.7.1. Nationalgüter und Besitzansprüche adliger Alteigentümer [Seite 241]
5.1.7.2 - 4.7.2. Liberale Bildungspolitik gegen klerikalen Einfluss [Seite 247]
5.1.7.3 - 4.7.3. »Vingt-cinq ans de gloire« - Bonapartisten in Constants Anhängerschaft [Seite 251]
5.1.8 - 4.8. Regionaler Liberalismus zwischen traditionellem Klientelwesen und konstitutioneller Interessenvertretung [Seite 257]
5.1.9 - 4.9. Regionaler Liberalismus auf dem Weg zur Parteibildung? [Seite 260]
5.2 - 5. Von der Reaktion zur Revolution - Benjamin Constant und die innenpolitische Entwicklung der Jahre 1822-1830 [Seite 268]
5.2.1 - 5.1. Die Regierung Villèle und der liberale Wahlsieg von 1827 [Seite 268]
5.2.2 - 5.2. Zwischen Reform und Revolution - die letzten Jahre der Restaurationszeit und die Trois Glorieuses von 1830 [Seite 273]
5.3 - 6. Constants Abgeordnetenmandat für das Departement Bas-Rhin (1827-1830) [Seite 279]
5.3.1 - 6.1. Gespaltener Liberalismus - zum Sozialprofil der Constantschen Anhängerschaft im Elsass [Seite 282]
5.3.2 - 6.2. Formen und Funktionsweise parlamentarischer Repräsentation im Elsass [Seite 294]
5.3.2.1 - 6.2.1. Freundschaft und Politik - Constants Beziehungen zu seinen elsässischen Korrespondenten [Seite 294]
5.3.2.2 - 6.2.2. Zelebrierte Repräsentation - das politische Fest [Seite 299]
5.3.2.3 - 6.2.3. Ökonomische Interessengruppen und kollektive Petitionen [Seite 303]
5.3.3 - 6.3 Themen parlamentarischer Repräsentation im Elsass [Seite 306]
5.3.3.1 - 6.3.1. Die Konfessionsfrage - Constant als Verteidiger des elsässischen Protestantismus? [Seite 306]
5.3.3.2 - 6.3.2. Freier Markt für freie Bürger - liberale Wirtschafts- und Zollpolitik [Seite 311]
5.3.3.3 - 6.3.3. Das Tabakmonopol - ein napoleonisches Erbe [Seite 319]
5.3.3.4 - 6.3.4. Regionale und kommunale Selbstverwaltung - die Reform der Gemeinde- und Departementsverfassung [Seite 323]
5.3.3.5 - 6.3.5. Repräsentation und nachrevolutionäre Frustration - Juli 1830 und die Folgen [Seite 329]
6 - Schlussbetrachtung [Seite 336]
7 - Abkürzungsverzeichnis [Seite 344]
8 - Quellen und Forschungsliteratur [Seite 346]
9 - Personen- und Sachregister [Seite 367]