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«Was für ein Daddy!»[33], rief Norma Jeane eines Tages, aus der Schule kommend, ihrer Freundin Eleanor Goddard zu, die krank daheim geblieben war. Damit meinte sie einen nur fünf Jahre älteren Jungen, der sie nach Hause gefahren hatte. («Daddy» - so nannte sie später manchmal auch ihre Männer oder Liebhaber, im Leben wie in Filmen.) James E. Dougherty, damals zwanzig Jahre alt, fuhr ein schnittiges blaues Ford-Coupé und ging eigentlich mit älteren Mädchen aus. Aber seine Mutter, Freundin und Nachbarin von Grace Goddard, hatte ihn gebeten, Norma Jeane zur etwas weit entfernt gelegenen Highschool zu fahren und sie abzuholen. Er fand, «daß sie ein hübsches kleines Ding war [.], aber für mich [.] nur ein Kind»[34].
Norma Jeane ging jetzt in das erste Semester der zehnten Klasse, das im September 1941 begonnen hatte. Ihre Leistungen waren hier noch schlechter als in der Emerson Junior High School. James Dougherty, von allen nur Jim genannt, war das jüngste von fünf Geschwistern. Ehemals Football-Star und Schulsprecher an der Van Nuys High School, arbeitete er gleich nach Schulschluss in verschiedenen harten Jobs, unter anderem als Leichenwäscher. 1941 hatte er eine Stelle bei den Lockheed-Flugzeugwerken bekommen, die er annahm, um die Familie, die ohne Vater lebte, zu unterstützen, obwohl er mit einem Stipendium hätte ans College gehen können. Er sah, besonders durch einen gepflegten Schnurrbart, älter als zwanzig aus und erinnerte die fünfzehnjährige Norma Jeane an Clark Gable, ihr männliches Leinwand-Idol aus der Kinderzeit in Hollywood.
Anfang 1942 schon, Norma Jeane war erst ein paar Monate wieder im Hause Goddard, machte Grace ihrer jungen Adoptivtochter eine neue Eröffnung: Ihr Mann Doc werde in East Virginia eine Stellung als Verkaufsleiter annehmen. Sie und Eleanor zögen mit - für Norma Jeane sei kein Platz, leider. James Dougherty sagte später: «Von diesem Augenblick an hatte sie weniger Achtung vor Grace. [.] Grace hatte Norma Jeane gesagt, daß sie nie wieder in Unsicherheit leben müßte, und jetzt hatte das arme Mädchen das Gefühl, daß Grace ihr Wort gebrochen hatte.»[35] Ab Ende Januar kam das Mädchen wieder zur «Tante» Ana Lower zurück, der es kurzfristig gesundheitlich besser ging. Und sie musste wieder auf eine andere Schule gehen, die University High School. Sie soll dort voller Geltungsdrang und neuem Selbstwertgefühl ziemlich laut gewesen sein. Innerlich musste sich die Fünfzehnjährige auf den endgültigen Abschied von den Goddards und besonders ihrer neu gewonnenen Freundin Eleanor vorbereiten.
Dann ging es Ana Lower wieder schlechter. Norma Jeane drohte erneut das Waisenhaus. In dieser Situation wurde von Grace und Mrs. Dougherty eine Heirat mit Jim in Erwägung gezogen. Jims Mutter präsentierte dem Sohn den Vorschlag mit der Bitte, das junge Mädchen vor dem Waisenhaus zu beschützen. Der große Junge hatte überhaupt noch nicht ans Heiraten gedacht und fand das Mädchen sehr jung als Ehefrau. Aber «ich willigte ein, weil ich bald zum Militär gehen würde, und ich dachte, dann hätte sie ein Zuhause bei meiner Mutter. Und natürlich fand ich sie wunderbar und war gern mit ihr zusammen.»[36]
Im März 1942 ging die Fünfzehnjährige von der Highschool ab, mitten im zweiten Schuljahr, und danach nie wieder zur Schule. Ein lebenslanger Minderwertigkeitskomplex, was Bildung anging, blieb als Konsequenz aus diesem Schritt. Obwohl das Mädchen zahlreiche Ehen hatte scheitern sehen und viele unvollständige Familien kennenlernte, willigte sie aus Angst vor dem Waisenhaus in die Heirat ein. Ein paar Tage nach ihrem sechzehnten Geburtstag zog das Paar in einem Ein-Zimmer-Bungalow zusammen. Grace McKee arrangierte eine Heirat für mich. Ich hatte keine Wahl. Sonst kann man nicht viel dazu sagen. Sie konnten mich nicht ernähren, und deshalb mußten sie sich etwas einfallen lassen.[37]
Weder ihre Mutter Gladys noch andere Verwandte und auch nicht die Goddards nahmen an Norma Jeanes Trauung mit James E. Dougherty am 19. Juni 1942 in West Los Angeles teil. Bei der Zeremonie zitterte die Braut «so stark, daß sie kaum stehen konnte»[38]. «Sie klammerte sich den ganzen Nachmittag an meinen Arm, und selbst dann sah sie mich ständig an, als ob sie Angst hätte, ich könnte verschwinden, sobald sie den Raum verließ.»[39]
Marilyn selbst sagte später über ihre Ehe: sie machte mich nicht traurig, aber sie machte mich auch nicht glücklich. Mein Mann und ich redeten kaum miteinander. Aber nicht, weil wir ärgerlich aufeinander waren. Wir hatten uns einfach nichts zu sagen. Ich kam um vor Langeweile.[40] Obwohl Norma Jeane anfangs bemüht war, die gute Hausfrau zu spielen, war sie zu ungeübt darin, und, wie ihr Mann später aussagte, ungeschickt. Seine einfache Art zu leben engte sie ein und langweilte sie. «Sie war so empfindlich und unsicher, und mir wurde bewußt, daß ich nicht bereit war, mich darauf einzulassen», sagte Dougherty später.[41]
1943 absolvierte Dougherty seine Grundausbildung auf der Insel Catalina, die militärisches Sperrgebiet und Ausbildungslager wurde, nachdem die USA Deutschland den Krieg erklärt hatten. Norma Jeane folgte ihm, mit dem Hündchen Bugsy, einem aufgelesenen Collie. In Catalina waren Frauen «Mangelware», und Norma Jeane Dougherty zeigte sich gern in knappen Bikinis am Strand, was ihren Mann nicht gerade erfreute. Im Frühjahr 1944 wurde er in den Krieg im Pazifik geschickt. Trotz gemischter Gefühle verabschiedete seine junge Frau ihn unter Tränen und erneuten Verlassenheitsängsten.
Sie kehrte zurück nach North Hollywood und lebte zunächst mit ihrer Schwiegermutter zusammen. Ethel Dougherty arbeitete als Krankenschwester in der Firma Radioplane Company, die unter anderem die ersten unbemannten, funkgesteuerten Fluggeräte herstellte. Dort vermittelte sie im April 1944 auch Norma Jeane eine Stellung. Ein typischer Frauenarbeitsplatz in Kriegszeiten: sie musste im sogenannten Dope Room Rumpfteile von Flugzeugen mit stinkendem Lack einsprühen. Nachdem die jetzt Achtzehnjährige im Sommerurlaub ihren ehemaligen Vormund Grace in Chicago besucht hatte, wo die mittlerweile ziemlich alkoholabhängige Cutterin in einem Filmlabor arbeitete, wurde sie von ihrer Firma in eine Abteilung versetzt, die Fallschirme zu prüfen hatte.
Weihnachten 1944/45 kam Jim Dougherty zum ersten Mal auf Heimaturlaub. Trotz aller Selbständigkeit, die die junge Frau inzwischen erlangt hatte, und eines inneren Abstands zu ihrem Mann klammerte sie sich vor seiner Abreise wieder an ihn, als ginge es bei ihr und nicht bei ihm um Leben und Tod.
Im Herbst 1944, ein paar Wochen bevor ihr Mann auf Weihnachtsurlaub kam, war der spätere Star für die ersten Fotografien entdeckt worden, und zwar auf der Arbeitsstelle - wie in allen Biographien und Bildbänden immer wieder beschrieben wird, weil es wie die Geschichte vom Aschenputtel klingt. Militärfotograf David Conover, damals 25 Jahre alt, sollte im Auftrag seines Vorgesetzten, eines gewissen Ronald Reagan, optimistische Fotos von jungen Rüstungsarbeiterinnen mitbringen, die sich voller Patriotismus für den Dienst am Vaterland gemeldet hatten. Norma Jeane kontrollierte, wie sie es als Marilyn Monroe später immer tun wird, alle Kontaktabzüge des Fotografen. Äußerst selbstkritisch ging sie jede Einstellung durch. Sie gab sich von Anfang an nur mit dem Perfekten zufrieden. «Norma Jeane Dougherty beschäftigte sich intensiv mit Fotografie, stellte detaillierte Fragen über die Kamera, Beleuchtung und verschiedene Filmarten.»[42] Sie wollte Bescheid wissen, nicht nur über den Part, den sie gab: das blitzende Augenlächeln, das offene Lachen, bei dem sie ihre lockigen, damals noch kastanienbraunen Haare in den Nacken warf.
Von Juni bis Mitte des Sommers 1945 macht der Armeefotograf David Conover weitere Aufnahmen von ihr und fährt dafür mit dem jungen Mädchen durch Kalifornien. Zur damaligen Zeit absolviert Jim Dougherty seinen Kriegsdienst. Die Fotos erscheinen in Armeeheften, andere bleiben im Privatbesitz des neu entdeckten Models. Und so beginnt die blitzartige Karriere der späteren Filmschauspielerin als Fotomodell. Es wird eine Passion und Profession, auf die sie immer wieder zurückgreifen wird: in Zeiten, in denen es filmisch nicht recht vorangehen will oder in denen sie Interesse daran hat, von sich reden zu machen.
Ihr Flirt mit der Kamera, von dem viele Fotografen hymnisch berichten, war eine perfekte Art der Selbstinszenierung, eine erotische, exhibitionistische Kommunikation, bei der die Fotografen nicht selten sich selbst mit dem Objektiv verwechselten, annahmen, die Hingabebereitschaft gelte ihnen.[43]
Die Schwiegermutter missbilligte die Entwicklung zum Fotomodell und teilte die neuen Fakten ihrem Sohn in Übersee mit. Aus dem bemitleidenswerten Geschöpf, das sie und Grace Goddard unter die Haube gebracht hatten, war eine bemerkenswert auffallende, auch ehrgeizige Aufsteigerin geworden, die dabei ihren Liebreiz nicht verlor. Norma Jeane zog bei dieser Entwicklung der familiären Verhältnisse lieber wieder bei ihrer «Tante» Ana Lower ein, und zwar in die untere Hälfte von deren Zweifamilienhaus. Jim Dougherty schrieb ihr: «Die Sache mit dem Fotografieren ist ja gut und schön, aber wenn ich zurückkomme, dann bekommen wir eine Familie, und Du läßt Dich nieder. Du kannst nur eine Karriere haben, und...
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