Schweitzer Fachinformationen
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Es sollte sich besser anfühlen. Doch jetzt lag alles im dumpfen Grauschwarz, zersetzt mit den Lichtern der Straßenlampen. Ein dünner Nieselschleier schluckte viel vom blinkenden Blaulicht.
»Du hattest wohl einen lauschigen Sommerabend erwartet statt einem Ausläufer der Eisheiligen?« Nicole bekam keine Antwort. Sie bohrte weiter. »Auch wenn es ein langer Tag war, ich sehe das doch, dass mit dir was nicht stimmt. Also raus damit, was bedrückt dich, Sophie?«
»Na ja, bedrücken ist vielleicht das falsche Wort, aber ich muss immer noch an den Jungen von heute Mittag denken.«
»Doch nicht etwa an den Schutzgeldeintreiber aus der Kneipe?«
»Ja. Wir hätten ihn nicht gleich mitnehmen sollen.«
»Sag mal, spinnst du?« Das Lächeln von Nicole verschwand.
»Nein, im Ernst. Wer weiß, vielleicht hat man ihn gezwungen. Er ist minderjährig, fast noch ein Kind. Bestimmt hat er nicht nachgedacht.«
»Jetzt mal stopp, Weltretterin, niemand fängt eine Verbrecherkarriere erst mit 18 Jahren an! Schutzgelderpressung ist nun wirklich keine Kleinigkeit, kein Kavaliersdelikt. Der Haftrichter wird entscheiden, was passiert. Wir haben das Richtige getan.«
»Und wenn wir erst mal nur in Ruhe mit ihm geredet und ihn belehrt hätten? Bestimmt steckt viel Gutes in ihm.«
»Nein, das bringt nichts. Wir sorgen für Recht und Ordnung. Das ist unsere Aufgabe.« Nicole schüttelte den Kopf. »Manchmal habe ich das Gefühl, dass du zu weich für diese Welt bist, Sophie. Du musst unbedingt strenger werden, sonst kannst du dich nicht mit der dunklen Seite der Macht anlegen!« Und nach einer kurzen Pause: »Dafür gibt es übrigens das Jugendstrafrecht. Nur so, falls dich das tröstet.«
»Verdammt, du hast ja recht.« Sie zögerte. »Aber ich werde dennoch versuchen, mit ihm zu reden. Wenn wir seine Gründe wissen, können wir ihm vielleicht helfen, ein besserer Mensch zu werden.«
»Tu, was du nicht lassen kannst. Wenn sie dich überhaupt zu ihm lassen. Aber pass auf, dass es nicht zu persönlich wird. Und jetzt«, sie hob die Stimme, »sollten wir uns auf den Einsatz konzentrieren, zu dem wir gerade unterwegs sind. Auch wenn es langweilig wird.«
»Schon gut, aber du brauchst es nicht schönzureden, ich wette nicht mit dir.«
»Langweilig.«
Der Regen nahm zu und die Intervalle des Scheibenwischers wurden kürzer. Das Wasser spritzte bis an die Seitenscheiben, als sie durch eine Pfütze fuhren.
»Wir wollten doch öfter mit großer Kapelle fahren, wenn wir mit der Funkstreife unterwegs sind.«
Sophie war sich nicht sicher, ob der Satz ihrer Freundin eine Frage oder eine Aussage war. Sie sah weiter auf die Fahrbahn und drückte die Taste für die Sirene, um sie kurz darauf wieder auszuschalten.
»Hast ja recht, leerer wird die Straße nicht. Will ja keiner raus, in diese verregnete Hässlichkeit.«
Nicole schob ihre Füße auf das Armaturenbrett. »Hättest du mal bei Dienstbeginn meine Wette angenommen.«
»Pff, wirst sehen, das ist wieder ein stinklangweiliger Einsatz.«
»Also doch noch eine Wette?«
»Vergiss es. Ich bin froh, dass wir überhaupt allein fahren durften, ohne die sonst übliche Begleitung durch die alten Hasen, sind ja erst ein paar Monate dabei. Die Umsetzung der Frauenquote erweist sich hier als Glück für uns. Ohne die hieße es auf unbestimmte Zeit: Willkommen im langweiligen Innendienst! Das Aufregendste, was Sie erleben, meine Herrschaften, ist das Anspitzen Ihrer Bleistifte.«
In der Zwischenzeit überquerten sie den Riebeckplatz und fuhren weiter auf der B 6. Nicole sah kurz aufs Handy. »Noch ungefähr zwei Kilometer, dann links.«
»Und wenn wir einfach weiterfahren, dann sind wir in gut 30 Minuten in Leipzig. Was meinst du?« Sie blickten sich für einen Moment in die Augen und nickten synchron.
»Aber wir haben uns nun mal für diese wunderschöne Stadt entschieden.«
Ja, und man hat uns zum Dank einen Streifenwagen verpasst, der nach all den Dienstjahren wie das Zuhause eines nassen und filzigen Bettvorlegers muffelt!
»So, hm, was ist denn nun hier so schön?« Wieder ein gleichzeitiges Nicken als Zeichen, dass das Ganze nicht so ernst gemeint war.
»Halle ist toll, immerhin nennt sie sich Saale-, Salz- und Händelstadt.«
»Verschon mich damit. Davon habe ich noch nichts gesehen. Oh verdammt .« Sophie bremste hart. Ein Bus vom Schienenersatzverkehr war, links vom Bahnhof kommend, eingebogen. Der Busfahrer setzte umgehend den Blinker und fuhr an den Straßenrand. Er hob entschuldigend die Hände. Nicole streckte den Mittelfinger nach oben.
»Na, du wirst doch nicht .?«
»Was? Doch, die Sirene wieder einschalten.«
Sie beschleunigten und nutzten beide Fahrbahnhälften, um schneller voranzukommen.
»Gleich siehst du links ein Einkaufscenter, dort bitte auf den Parkplatz.«
Sophie erinnerte sich an die Ansage der Leitstelle: aufgebrochener PKW mit eingeschalteter Warnblinkanlage.
»Da vorn muss es sein.« Sie fuhr langsamer und warf dabei einen Blick auf die Uhr. Mitternacht lag seit mehr als drei Stunden hinter ihnen.
»Da!« Im gleichen Moment stellte ihre Freundin die Sirene wieder aus. Sie rollten auf das blinkende Auto zu.
»Ich bin hinter dir.«
»Toll, so stellt sich wohl jeder Polizeischüler vor Ende des Studiums seinen ersten unbeaufsichtigten Einsatz vor.«
»Genau, wie im Film, Streifenfahrt mit Einlage.«
Sie stiegen zeitgleich aus und legten jeweils die rechte Hand auf ihre Pistolen. Die Warnblinkanlage zauberte ein zuckendes Licht über die Reste der eingeschlagenen Scheiben.
»Uff, hier an der Bundesstraße ist man schnell wieder weg. Ruck zuck in jede Richtung.« Nicoles Blick verweilte kurz an der Tankstelle und auf den Rücklichtern eines wegfahrenden Sportwagens. Jetzt war auch dieses Areal verlassen. Hinter ihr befanden sich einige Messehallen. Das hatte zumindest die Karte auf dem Handy angezeigt. Ausmachen konnte man sie im Nebel aber nicht.
Sie zog eine kleine Kamera aus der Uniformjacke. Viel gab es nicht zu fotografieren, denn erwartungsgemäß war um diese Zeit der restliche Parkplatz komplett leer. »Lass mich erst mal eine Runde um die Karre drehen.«
Sie zog Gummihandschuhe über und umkreiste den BMW. »Der 5er ist optisch echt gut in Schuss, Respekt. Aber noch von der vorletzten Serie, nicht mein Ding.«
»Angeberin!«
Sie ließ die Szene auf sich wirken, versuchte, die Geräusche des nahen Logistikflughafens zu ignorieren. Die Splitter der eingeschlagenen Scheiben passten nicht so richtig zu der Beschreibung, die sie erhalten hatten. Vorsichtig öffnete sie nacheinander alle Türen. Das Innere des PKWs war ebenfalls in einem guten Zustand. »Wer immer auch die Karre hier abgestellt hat: danke dafür, dass er das direkt unter einer Laterne gemacht hat.« Sophie beugte sich über das Lenkrad. Ihr Kopf zuckte zurück. »Stinkt ganz schön nach Alkohol. Und schau mal dort!« Sie zeigte auf die Lederummantelung der Gangschaltung. »Das scheint mir auch kein Kuchenmehl zu sein.« Sie fotografierte das weiße Pulver und rollte dann ein Wattestäbchen nebst einer kleinen Tüte aus ihrer Hosentasche.
»Oh, Frau Kommissarin ermittelt!«
»Quatsch, man darf ja noch Wünsche haben! Wir wollen doch irgendwann mal zur Kripo, oder? Jeder fängt mal klein an. Ohne Streifendienst .« Sie sprach den Satz nicht zu Ende, packte die Tüte ein.
»Hast du vorhin auch den Schatten gesehen?«
»Den was?«
»Na, den Schatten. Mir war so, als wäre jemand weggelaufen, wahrscheinlich ein Mann, in Richtung der Messehallen.«
»Einen Mann? Nein, nichts gesehen. Du und die Kerle. Das ist Wunschdenken! Überleg doch mal, wer soll um die Zeit hier rumlaufen? Deinen Traumprinzen findest du so ganz bestimmt nicht.«
Sophie winkte ab, froh darüber, dass man in der Suppe nicht sah, wie sie rot wurde.
Nicole umfasste ihre Schultern, so als wolle sie sich entschuldigen.
Auch wenn du es ganz bestimmt nicht hören willst: Sei froh, dass du noch eine Jungfrau bist! Doch das ließ sie lieber unausgesprochen. Wir sind total gegensätzlich. Verrückt.
»Ich habe jedenfalls niemanden gesehen.« Sie zeigte auf das Auto. »Du hast heute das Kommando. Also?«
»Hm, also abgesehen von den zerstörten Scheiben kann ich nichts Verdächtiges erkennen.« Schnell hatte Sophie Fahrer- und Beifahrersitz vor- und zurückgeklappt und dabei einen Blick unter die vorderen Fußmatten geworfen. Es gelang ihr allerdings nicht, das Handschuhfach zu öffnen. »Mist! Können die Kollegen nachher machen. Lass uns den Abschlepper rufen. Die sollen das Auto erst mal auf ihrem Hof sichern, am Vormittag kümmern wir uns um eine Halterabfrage.« Wie angekündigt hatten sie den Wagen ohne Nummernschilder vorgefunden. Aber vielleicht half ja die Fahrgestellnummer.
»Den Zeugen, der das Fahrzeug gefunden und uns angerufen hat, befragen wir ebenfalls.«
»Insgeheim muss ich ihn ja beglückwünschen, der ist nach seiner Spätschicht hier vorbeigefahren und hat uns angerufen, weil ihm das Auto verdächtig vorkam. Wäre er ausgestiegen, hätte er auf uns warten dürfen. So konnte er weiterfahren.«
»Und wir hätten die Freude, seine Aussage aufzunehmen.« Nicole steckte sich eine Zigarette an. Im dichten Nebel war der Rauch fast nicht zu erkennen.
»Du wolltest doch aufhören?«
»Bla bla . habe ich ja ... Ich wollte auch einen ersten richtigen Einsatz. Und jetzt? Warten auf den...
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