Schweitzer Fachinformationen
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Mit einem Schrei fuhr ich auf. Herzklopfend und mit weit aufgerissenen Augen sah ich mich um. Es war dunkel. Schemenhaft konnte ich einen Schrank erkennen. Daneben ein Stuhl, auf dem ein Bündel Kleider lag. Ein Fenster mit zugezogenen Vorhängen. Es roch nach Holz, abgebranntem Kaminfeuer und ganz leicht nach Bauernhof. Ein kaum wahrnehmbares Lüftchen zog an meinem Gesicht vorbei.
Als ich realisiert hatte, wo ich war, ließ ich mich wieder ins weiche Kissen fallen.
Mein Herz galoppierte noch wie wild in meiner Brust. Ich atmete tief ein und schloss die Augen. Sicherlich war es noch viel zu früh, um aufzustehen. Suchend tastete ich nach meinem Handy, das sich nicht, wie gewohnt, links neben mir auf dem Bett befand. Schließlich wurde ich rechts auf einem kleinen Nachttisch fündig und stöhnte auf, als mein Blick auf das Display fiel. Es war noch verdammt früh - erst kurz nach 5.30 Uhr. Unwillig brummend legte ich mein Handy wieder auf den Nachttisch und versuchte, wieder einzuschlafen. Nachdem ich mich noch ein paar Mal auf beide Seiten gewälzt hatte, beschloss ich nach einem erneuten Blick auf die Uhr - 6.02 Uhr - aufzustehen.
Draußen dämmerte es bereits. Ich öffnete das Fenster und sog die frische, klare Bergluft ein. Es roch nach Gras, feuchter Erde und irgendwie ein bisschen wie im Garten meiner Großmutter. Der Himmel schien wolkenlos. Die Gletscherfelder des Glärnisch schimmerten bereits rötlich in der Morgensonne.
Auf bloßen Füßen tappte ich zu meinem Rucksack, den ich am Abend achtlos an die Wand gelehnt hatte, und wühlte darin nach den Wollsocken, die mir meine Mutter zum Abschied mit einem fürsorglichen Lächeln in die Hand gedrückt hatte. Ich hatte die Augen verdreht, sie aber eingepackt, in der festen Überzeugung, dass ich ganz bestimmt nicht ökomäßig mit Wollsocken herumlaufen würde. Aber wie immer hatte meine Mutter recht behalten. Der Boden war eiskalt, und meine Füße froren bereits jetzt schon entsetzlich.
Kurz presste ich die Wollsocken an mein Gesicht und sog den vertrauten Geruch nach Chanel Nr. 5 und dem Rasierwasser meines Vaters ein, bevor ich sie dankbar über meine Füße zog. Nun sah ich zwar schrecklich alternativ aus, aber meine Füße schienen es mir zu danken.
Mit meinem Handy machte ich ein Foto, um es meiner Mutter zu schicken.
Ach, ich Trottel. Es gab ja im ganzen Resort keinen Handyempfang. Natürlich wurde das sogar mehrmals im Prospekt des Vrenelisgärtli Retreat Village erwähnt, aber offen gestanden hatte ich mir das nicht so recht vorstellen können. Schließlich waren wir ja nicht im finstersten Dschungel irgendwo in Südamerika, sondern in den Schweizer Bergen, und das noch nicht einmal auf schwindelerregenden Höhen. Irgendeinen Ort, wo man Empfang hatte, würde es schon geben, hatte ich mir gedacht.
Offenbar weit gefehlt. Missmutig schnalzte ich mit der Zunge und schmiss das Telefon aufs Bett. Das war ja wirklich ein schöner Käse. Nicht nur, dass ich jetzt zehn Tage hier oben ausharren musste, nein, ich konnte tatsächlich noch nicht einmal den Kontakt zu meinen Freundinnen aufrechterhalten. Meine geliebten Netflix-Serien und meinen Instagram-Account konnte ich so wohl auch vergessen. Frustriert beschloss ich nach einem Blick auf mein nutzlos gewordenes Telefon, mir mal den Rest des Häuschens anzuschauen.
Die Tür meines Schlafzimmers öffnete sich mit einem leisen Quietschen. Durch einen schmalen Gang huschte ich in die kleine, aber gemütliche Wohnküche, in deren einen Ecke ein großer Schwedenofen stand. Gestern Abend hatte dort noch ein lebhaftes Feuer gelodert. Nun aber war es abgebrannt, wobei der Ofen noch immer eine leichte Restwärme ausstrahlte. Auf dem Küchentisch lag ein Prospekt des Resorts und eine Willkommenskarte neben einem kleinen Körbchen, in dem sich einige altbackene Weggli und eingeschweißte Brotscheiben befanden. Daneben standen ein paar Flaschen Elmer Mineral mit und ohne Kohlensäure sowie je eine Flasche Rot- und Weißwein aus hiesigen Weinanbaugebieten.
Hoffentlich gibt es hier wenigstens guten Kaffee, dachte ich missmutig.
In der Küche öffnete ich mehrere Schränke, bis ich eine silberne Espressokanne in den Händen hielt. In einem anderen Schrank fand ich ein Päckchen Kaffeepulver, das zusammen mit einigen Teebeuteln, kleinen Konfitüregläsern, Milch, Butter und etwas Käse zur Grundausstattung der Unterkünfte gehörte. Ratlos schaute ich auf die drei Herdplatten vor mir.
Oh nein!
Wie bediente man schon wieder einen Gasherd? Unschlüssig stand ich davor und traute mich nicht, an den Knöpfen zu drehen. Was, wenn ich da etwas falsch machte und dann die ganze Bude in die Luft sprengte? Aus Gewohnheit zückte ich mein Handy, um nachzuschauen, nur um es gleich wieder mit einem genervten Grunzen auf den Tisch zu legen. Okay. So war das also ohne Handyempfang. Schöner Mist. Genauso hatte ich es mir vorgestellt, nur dass es tatsächlich noch schlimmer war.
Dann hieß es also, entweder eine Anleitung finden oder auf den Kaffee verzichten. Und Letzteres ging natürlich gar nicht! In einer Schublade wurde ich dann zum Glück doch noch fündig. In einem recht zerfleddert wirkenden Heftchen stand ziemlich idiotensicher, wie man den Gasherd bediente und bei Bedarf auch die Gasflasche austauschen konnte. Erleichtert, dass ich doch nicht auf meinen heiß geliebten Cappuccino verzichten musste, machte ich mich dran, die Kanne mit Wasser aus einer der Flaschen zu füllen und den Herd anzuzünden. Schon bald züngelten kleine blaue Flämmchen unter meiner Espressokanne. Na bitte. Ging doch. Nun brauchte ich nur noch eine kleine Kanne für die Milch, und dann stand meinem Cappuccino nichts mehr im Weg.
Schon bald erfüllte der unvergleichliche Geruch nach frisch gebrühtem Espresso den kleinen Raum. Ich nahm meine dampfende Tasse und ging auf die Terrasse.
Die Aussicht war schon toll, gestand ich mir widerwillig ein und nahm einen Schluck Kaffee, während ich mich umsah.
Mein Häuschen lag auf einem kleinen grasbewachsenen Plateau, etwa 200 Höhenmeter oberhalb des eigentlichen Zentrums des Resorts, das einmal ein kleiner Bergweiler gewesen war und im Rahmen einer aufwendigen Umbauaktion zu einer Art Ökoresort in den Bergen verwandelt worden war. So war auch mein Häuschen früher einmal eine Art Stall mit Unterschlupf für Ziegen und Hirte gewesen, war aber dann nach modernen Standards renoviert und in das Vrenelisgärtli Retreat Village Projekt eingebunden worden. Nun wurde es, wie die meisten Häuschen hier, an Touristen vermietet, die wie ich eine Auszeit brauchten oder, besser gesagt, auferlegt bekamen. Freiwillig hätten mich keine zehn Pferde in diese Einöde gebracht!
Ich war erst spät mit einem der letzten Helikoptertransporte angekommen. Meine Eltern hatten es sich nicht nehmen lassen, mich den langen Weg von Süddeutschland ins Glarnerland zu fahren, wobei meine Mutter nicht müde geworden war, uns mit begeisterten Kommentaren über die Umgebung zu beglücken. Am Walensee der ach so tolle Kontrast zwischen den schroffen Hängen der Churfirsten und dem Blau des Sees, das wegen der Wolken eher einem Grau glich, in Glarus diese sauberen bunten Häuser gegenüber des Volksgartens und an der Abzweigung zum Sernftal dann die spektakuläre Fahrt zum Helikopterlandeplatz, wobei sie mit jeder Haarnadelkurve und dem damit einhergehenden Blick über den steilen Abgrund neben der schmalen Straße stiller geworden war und sich irgendwann krampfhaft am Türgriff festgehalten hatte.
Mit der Tasse in der Hand lief ich durch den großen Umschwung, der meine Unterkunft umgab, auf der einen Seite an ein Waldstück grenzte und nach den zwei anderen Seiten hin jäh abfiel. Ein wenig vertrauenerweckender, aus groben Latten zusammengezimmerter Holzzaun sicherte den Abgrund, wobei man schon lebensmüde sein musste, um sich hier dagegen zu lehnen.
Vorsichtig beugte ich mich ein wenig über den Zaun.
Weit unter mir lag das Tal, noch im Schatten, durch das sich die Straße, auf der sich einzelne Autos von Spielzeugformat entlang schoben, ihren Weg bahnte. Wenn ich den Kopf ein wenig drehte, konnte ich den schneebedeckten Gipfel des Tödis erkennen, der sich unverkennbar in den stahlblauen Himmel reckte. Und natürlich war von meiner Bleibe aus das schroffe Kalkmassiv des Glärnisch mit dem Vrenelisgärtli zu sehen, nach dem das Resort benannt worden war.
Ein wenig neben meinem Häuschen plätscherte fröhlich Wasser aus einem kantigen Granitsteinbrunnen, aus dem ich auch Trinkwasser würde beziehen können, wie mir die freundliche Frau, die mich gestern in Empfang genommen hatte, versichert hatte. Ich lief mit der Tasse in der Hand zum Brunnen und hielt meine Hand unter den eiskalten Wasserstrahl.
Brr! Das war ja wirklich bitterkalt! Gab es hier eigentlich auch fließend warmes Wasser? Oder musste ich das kalte Wasser erst noch irgendwie erwärmen? Vor meinem inneren Auge tauchten Bilder altmodischer Waschzuber auf, in die man über dem Feuer erhitztes Wasser schütten musste . Nein danke! Nicht mit mir! Ich seufzte tief und fühlte mich plötzlich einsam und verloren. Und das, obwohl ich noch nicht einmal eine ganze Stunde auf den Beinen war.
Ich ging zurück in die Küche und blätterte lustlos durch den Prospekt des Vrenelisgärtli Retreat, in dem die wichtigsten Informationen zu finden waren - »jeden zweiten Donnerstag treffen wir uns zum Pizzaplausch bei Reto« und »gehen Sie niemals bei drohendem Gewitter wandern«. Danach überflog ich das kurze...
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