Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Am Abend war der Salon des Bordells gut besucht. Die Damen des Hauses räkelten sich in reizvollen Posen in den prächtigen Fauteuils und führten gepflegte Unterhaltungen mit ihren Gästen. Sophie war bereits in Begleitung eines englischen Earls in ihrem Zimmer verschwunden. Madame Elodie saß am Cembalo und klimperte mehr schlecht als recht eine Weise des Komponisten Joseph Bologne. Als ihr Blick auf Manon fiel, die mit einem mit Champagnergläsern gefüllten Tablett herumging, um den Gästen eine Erfrischung anzubieten, beobachtete sie das Mädchen eine Weile. Dann brach sie ihr Spiel abrupt ab, erhob sich und winkte Manon zu sich.
»Komm mit, ich habe mit dir zu reden.«
Verängstigt stellte das Dienstmädchen das Tablett auf einem der Tische ab und folgte seiner Herrin in einen winzigen fensterlosen Raum, den die Bordellwirtin als Kontor bezeichnete. In Erwartung einer harten Bestrafung wegen einer angeblichen oder tatsächlichen Verfehlung blieb sie an der Tür stehen, die Arme hinter dem Rücken verschränkt.
Solange Jacques nicht auf der Bildfläche erscheint, gibt es auch keine Prügel, dachte Manon.
»Nur nicht so schüchtern, mein Kind, komm herein und setz dich dort auf den Hocker«, lud Madame das Mädchen ein.
Das kam zögerlich näher und nahm vorsichtig auf der Kante des Sitzmöbels Platz. Eigentlich war es ihm nicht erlaubt, in Gegenwart der Bordellwirtin zu sitzen. Ruhepausen waren bei ihrer nie enden wollenden Arbeit auch nicht möglich.
»Du bist jetzt beinahe ein Jahr in meinem Haus«, begann Elodie mit sanfter Stimme. »Gefällt es dir bei mir?«
»Oh ja, Madame, sehr gut!«, beeilte sich Manon zu versichern. »Ich habe einen warmen Schlafplatz neben der Küche und genug zu essen. Das ist mehr, als ich in meinem Elternhaus hatte. Dort gab es mehr Not als Brot.«
»Es freut mich, ma petite, dass du dich bei mir wohlfühlst«, lächelte die Dame des Hauses. »Aber bislang hast du nur für Kost und Logis gearbeitet. Wie würde es dir gefallen, dafür auch einen guten Lohn zu erhalten?«
»Einen Lohn, Madame? Sie meinen damit - Geld?«, fragte das Mädchen zweifelnd. »Aber - was müsste ich denn dafür tun?«
»Nicht viel, eigentlich fast gar nichts. Nur freundlich zu den Gästen sein«, gurrte die Bordellwirtin.
»Aber das bin ich doch! Wirklich, Madame!«, wandte Manon erschrocken ein. »Oder hat sich ein Gast über mich beschwert?«
»Aber nein, liebes Kind, ganz im Gegenteil. Ich höre nur Gutes über dich. Du gefällst den Männern, ihre Blicke folgen dir voll Verlangen, wenn du im Salon Champagner servierst. Steh doch einmal auf und dreh dich im Kreis, damit ich dich anschauen kann«, verlangte sie.
Gehorsam erhob sich Manon und drehte sich langsam, sodass Madame Elodie sie von allen Seiten begutachten konnte.
»So, und nun leg dein Kleid ab!«, befahl die Frau plötzlich in scharfem Ton.
»Aber . aber, Madame! Ich kann nicht einfach . Das geht doch nicht .«, stotterte das Mädchen, bestürzt über den überraschenden Stimmungswechsel seiner Herrin.
»Soll ich etwa Jacques hereinholen, damit er dir aus den Kleidern hilft?«, keifte die Frau hinter dem Schreibtisch. »Los, zieh dich aus!«
Mit zitternden Händen legte Manon die Schürze ab, streifte das graue Leinengewand von den Schultern und ließ es zu Boden fallen. Darunter war sie nackt.
»So, und jetzt dreh dich noch einmal, damit ich mir die Ware anschauen kann, die du zu bieten hast.«
Während Manon sich um die eigene Achse drehte, Brust und Scham mit Armen und Händen bedeckte, war Jacques lautlos ins Kontor getreten. Seine Augen glitten wie giftige Schlangen über den Körper des Mädchens.
»Nun, mein Lieber, was sagst du dazu? Das Gesicht eines Engels, eine Haut wie Sahne, der Körper einer griechischen Göttin. Ob sie unseren Gästen wohl gefallen wird?«, wollte Madame Elodie von ihrem Majordomus wissen.
Als Manon den Mann bemerkte, hob sie rasch ihr Gewand vom Boden auf, um es schützend vor sich zu halten und damit ihre Nacktheit zu bedecken. Doch Jacques war mit einem Schritt bei ihr und riss ihr die Arme herunter. Mit seinen riesigen Händen betastete er die knospenden Brüste und den straffen Bauch und zwickte sie grob in die runden Hinterbacken.
»Sie ist jung und gesund, aber eindeutig zu mager. Nichts, was mit regelmäßigen Mahlzeiten nicht zu ändern wäre. Aber sie scheint recht widerborstig zu sein«, urteilte der Beschützer des Bordells.
»Nichts, was mit einer ordentlichen Tracht Prügel nicht zu ändern wäre, oder was meinst du, lieber Jacques?«, konterte die Bordellwirtin süffisant.
Der Majordomus des Bordells nickte zustimmend.
»Sobald sie ein wenig besser im Futter steht, wird sie an den Höchstbietenden versteigert«, entschied Madame Elodie.
Damit war Manons Schicksal besiegelt.
*
Vor den Fenstern des Maison Reine Margot zog bereits der Morgen herauf, als der letzte Freier in trunkener Seligkeit aus dem Bordell torkelte. Manon schleppte noch ein mit leeren Gläsern und Flaschen beladenes Tablett in die Küche, dann schlich sie die Treppe nach oben zu Maries Zimmer. Sie wusste, dass Marie heute keinen Übernachtungsgast bei sich hatte, darum öffnete sie die Tür einen Spalt, um zu sehen, ob ihre Freundin noch wach war. Marie saß vor dem goldgerahmten Spiegel und betrachtete aufmerksam ihr makelloses Gesicht, in der Hand die Bürste mit dem Elfenbeingriff, eines der Geschenke ihrer reichen Kunden. Als sie Manon bemerkte, legte sie das kostbare Stück beiseite und winkte das Mädchen zu sich.
»Zu so später Stunde noch wach, Mademoiselle la Belle?«, neckte sie die Kleine mit einem Grinsen.
Doch als sie Manons verstörte Miene sah, gefror ihr Lachen. Die erfahrene Kurtisane, die mit einem Blick ihre Bestürzung erkannte, griff nach der Hand des Mädchens und zog sie aufs Bett, wo sich die beiden in die Satinkissen fallen ließen.
»Was ist passiert?«, wollte Marie wissen, den Kopf auf den Unterarm gestützt. »Hat dir einer der Kerle etwas angetan? Hat sich dir einer aufgedrängt?«
Als Manon wortlos den Kopf schüttelte, atmete die Freundin erleichtert auf.
»Was ist es dann? Du bist ja ganz verstört. Etwas ist dir zugestoßen. Erzähl doch, was ist geschehen?«
Da sprudelte die Geschichte über die bevorstehende Versteigerung wie ein Wasserfall aus Manon heraus. Als sie endete, wischte sich die Kleine die Tränen ab, die ihr während des Erzählens über die Wangen gekullert waren.
Marie hatte zugehört, ohne den Redeschwall auch nur einmal zu unterbrechen und ohne eine Miene zu verziehen. Als Manon ein weiteres Mal verzweifelt aufschluchzte, zog sie das Mädchen an sich und streichelte ihm tröstend über Kopf und Rücken.
»Aber das ist doch nichts Schlimmes, ma petite. Hast du geglaubt, du kannst in einem Hurenhaus arbeiten und dabei deine Jungfräulichkeit bewahren? Wozu sollte das denn gut sein?« Die Kurtisane lachte auf. »Sieh es doch einmal von der positiven Seite. Madame verschafft dir einen wohlhabenden Gönner, der dich jede Woche besucht und dich mit Geschenken und Leckereien verwöhnt. Du bekommst schöne Kleider, ein wenig Schmuck, Pralinés, hin und wieder einen Theaterbesuch, und wirst für deine Dienste ordentlich bezahlt. Ganz ehrlich, ich habe jeden Tag befürchtet, dass beim Einkaufen auf dem Markt ein betrunkener Soldat oder ein Bierkutscher in einer dunklen Ecke über dich herfällt und dich nimmt, ohne einen Sou dafür zu bezahlen. Wäre dir das vielleicht lieber?«
Mit liebevoller Geste strich Marie der Weinenden eine verschwitzte Strähne aus der Stirn. Als das Mädchen nicht antwortete, legte die Kurtisane einen Finger unter Manons Kinn, hob ihren Kopf an und sah ihr fest in die Augen.
»Es gibt schlimmere Schicksale, als im Maison Reine Margot zu arbeiten, mein Kind. Du bist jung und bildschön. Vielleicht schaffst du es, dir einen Baron oder Grafen zu angeln, der dich hier herausholt und dir im Marais-Viertel eine feine Wohnung einrichtet. Dann musst du nur noch ihm zur Verfügung stehen, wäre das nicht nett?«, lockte Marie mit sanfter Stimme.
»Auch eine Hure mit nur einem Freier ist eine Hure!«, stellte Manon nüchtern fest.
»Und was ist daran auszusetzen?« Maries Geduld mit der widerspenstigen Dienerin begann zu schwinden.
»Ich will keine Hure sein!«
»Sondern was?«, fragte die Kurtisane unwillig. »Eine Gräfin, eine Herzogin? Was willst du denn?«
»Ich möchte bei einer großen Dame in Diensten stehen, mich um ihre Garderobe kümmern, sie bei der Auswahl der Roben, Perücken, der Schminke und des Parfüms beraten, sodass ein jeder von ihrer Erscheinung derart geblendet ist, dass er fragt, wer diese fabelhafte Erscheinung erschaffen hat. Eine Künstlerin am lebenden Objekt zu werden - das ist mein Traum.«
Marie richtete sich auf und starrte das Dienstmädchen kopfschüttelnd an.
»Du bist ja völlig verrückt! Welche edle Dame sollte eine aus der Gosse in ihren Dienst nehmen? Die uneheliche Tochter einer armen Näherin! Du kannst froh sein, in einem vornehmen Haus wie diesem arbeiten zu dürfen. Hör auf, von Edeldamen und ihren Festgewändern zu träumen und gib dir Mühe, einen reichen Freier zu finden, der dir ein sorgenfreies Leben bietet. Etwas anderes ist Frauen wie uns nicht möglich, hast du das verstanden?«
»Dir vielleicht, mir nicht!«, schrie Manon, worauf ihre Freundin Marie die Hand hob und die Unverschämtheit mit einer schallenden Ohrfeige...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.