1 - Vorwort [Seite 6]
2 - Inhaltsverzeichnis [Seite 8]
3 - A "ImmoWertV": Das neue Grundgesetz der Immobilienbewertung [Seite 12]
3.1 - 1 Die Entstehungsgeschichte [Seite 12]
3.2 - 2 Was ist neu? - Ein Überblick [Seite 13]
3.3 - 3 Chancen und Risiken aus den Neuregelungen [Seite 32]
3.4 - 4 Ab wann gelten die neuen Regelungen? [Seite 44]
3.5 - 5 Immobilienbewertung und Schwarzgeldzahlung [Seite 45]
4 - B Einfluss der Erbschaftsteuerreform auf die Immobilienbewertung [Seite 46]
4.1 - 1 Die neuen Bewertungsregeln im Überblick [Seite 46]
4.2 - 2 Allgemeine Grundsätze zur Immobilienbewertung [Seite 47]
4.3 - 3 Bewertung bei Landwirten [Seite 48]
4.4 - 4 Nachweis eines niedrigeren Verkehrswerts [Seite 48]
4.5 - 5 Unbebaute Grundstücke, Mindestwert bebauter Grundstücke [Seite 49]
4.6 - 6 Bebaute Grundstücke [Seite 49]
4.7 - 7 Erbbaurechtsbelastete Grundstücke, Erbbaurechte [Seite 50]
4.8 - 8 Nachweis eines niedrigeren gemeinen Grundstücks-werts [Seite 52]
5 - C Die NHK 2005 [Seite 54]
5.1 - 1 Die Grundsätze der neuen NHK 2005 [Seite 55]
5.2 - 2 Die Neuerungen im Überblick [Seite 56]
5.3 - 3 Ein Fazit [Seite 65]
6 - D Einfluss der Finanzkrise auf die Wertermitt-lung [Seite 66]
6.1 - 1 Optimale Entwicklung . Negative Entwicklung [Seite 66]
6.2 - 2 Weitere mögliche Lösungsansätze [Seite 67]
7 - E Die neue Wertermittlung bei Erbbaurechten [Seite 68]
7.1 - 1 Der historische Hintergrund [Seite 68]
7.2 - 2 Ziele von Erbbaurechten [Seite 69]
7.3 - 3 Hindernisse für Bauwillige [Seite 69]
7.4 - 4 Hindernisse für Erbbaurechtsgeber [Seite 70]
7.5 - 5 Erbbaurecht: Die Systematik [Seite 70]
7.6 - 6 Verkehrswertermittlung bei Erbbaurechten [Seite 72]
7.7 - 7 Kritik am Modell der WertR 2006 [Seite 78]
7.8 - 8 Die wichtigsten Unterschiede zu alten WertR [Seite 79]
7.9 - 9 Allgemeine Einschätzung zum Erbbauzins [Seite 82]
8 - F Glossar [Seite 84]
8.1 - 1 Immobilienbegriffe [Seite 84]
8.2 - 2 Mietbegriffe [Seite 90]
9 - G Vorschriften und Gesetzesmaterialien [Seite 92]
9.1 - 1 Synopse zur Wertermittlungsverordnung [Seite 92]
9.2 - 2 Bewertungsgesetz (Auszug) [Seite 104]
9.3 - 3 Immobilienwertermittlungsverordnung Bundesrat 2010 [Seite 112]
10 - Stichwortverzeichnis [Seite 188]
E Die neue Wertermittlung bei Erbbaurechten (S. 67-68)
Die Wertermittlung bei oder von Erbbaurechten wird mit der neuen ImmoWert V nun etwas erleichtert, da jetzt auch verschiedene Verfahren angewendet können. Wichtig ist auch hier, eine nachvollziehbare Begründung der Wertansätze im Gutachten zu dokumentieren. Aus diesem Grund wird hier das Thema gesondert behandelt.
1 Der historische Hintergrund
Bereits das römische Recht kannte Superficies, ein dingliches Baurecht auf einem fremden Grundstück gegen Zahlung eines Entgelts (sog. solarium). Das Deutsche Recht im Mittelalter entwickelte die sog. „städtische Bauleihe“, die bei der Entwicklung vieler deutscher Städte eine wichtige Rolle spielte. Der Staat und die Städte erwarben (oder enteigneten) den Boden und stellten ihn den Baulustigen gegen Zahlung eines Jahreszinses zur Verfügung. Der Berechtigte hatte das vererbliche – aber unveräußerliche – dingliche Recht an der Baustelle und Nutz- bzw. Untereigentum am Bauwerk.
Im 19. Jahrhundert setzte sich der durch die französische Revolution bewirkte individualistische Eigentumsbegriff durch. Es bestand der Wunsch auf Loslösung des Eigentums aus den teilweise noch aus dem Mittelalter stammenden Bindungen und nach Abschaffung von lehensrechtlichem Ober- und Untereigentum. Die Bauleihe, die bereits bei der Rezeption des römischen Rechts mit den römischen Superficies vermischt worden war, wurde als Fremdkörper gesehen und in den Hintergrund gedrängt. Im Gegensatz dazu besitzt in Großbritannien die building lease, die sich an die mittelalterliche deutsche Bauleihe anlehnt, noch heute große Bedeutung.
Das BGB hat dem Erbbaurecht als Nachfolgeinstitut der Superficies bzw. der städtischen Bauleihe mit nur sechs Paragrafen (§§ 1012 – 1017 BGB) wenig Bedeutung beigemessen. Es wurde vermutet, diese Art der Bodennutzung habe sich nicht durchgesetzt. Aufgenommen wurde das Erbbaurecht nur aufgrund der Motive zum BGB, die das Ziel verfolgten, die entsprechenden früheren Erlasse und Anordnungen nicht abzuschaffen. Die Regelungen waren derart lückenhaft, dass das Erbbaurecht lediglich noch theoretische, aber keine praktische Bedeutung mehr besaß.
Um die Jahrhundertwende (19./20. Jahrhundert) kam es wegen des starken Bevölkerungsanstiegs einerseits zu Wohnungsnot, andererseits zu erheblichen Bodenwertsteigerungen. Die deutschen Bodenreformer (z. B. Damaschke) wollten mit dem kaum mehr angewendeten Institut des Erbbaurechts die Bodenspekulation bekämpfen und weiten Teilen der Bevölkerung die Möglichkeit auf Erwerb eines Eigenheims verschaffen.
Die Regelungen des BGB erwiesen sich als unsicher und ungenügend, vor allem weil eine Beleihung des Erbbaurechts kaum möglich war. Die Reformvorstellungen konnten nur durch eine gesetzliche Neuregelung verwirklicht werden. Während des Ersten Weltkriegs wurde ein „Entwurf eines Reichsgesetzes über Erbbaurecht“ erarbeitet, der praktisch unverändert in die Verordnung über das Erbbaurecht, am 22. Januar 1919 an Stelle der §§ 1012-1017 BGB und § 7 GBO in Kraft getreten, übernommen wurde.