Schweitzer Fachinformationen
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Ein heftiger Wind begleitet von enormen Regengüssen fegte über das Münsterland hinweg. Die riesigen Eichen an den Höfen knarrten und ächzten unter den Böen, wie die Holzscheite im Kamin unter der Glut des Feuers. Ganze Äste stürzten zu Boden, die Dachziegel an den Stallgebäuden rappelten und wurden von starken Winden reihenweise angehoben und zur Erde geschleudert. Charlotte Kantig stand am Montagmorgen während einer Regenpause vor ihrem Haus und beobachtete mit Sorge die große Kastanie, die dem Haus gegenüber an der Straße stand. Durch die Trockenheit des letzten Sommers war sie stark geschädigt worden und die Mitarbeiter der Stadtwerke hatten den Baum vorsorglich gestutzt. Nun drückten die Sturmböen die Krone des Baumes tief herunter und Charlotte befürchtete das Schlimmste. Wenn der Baum umkippen würde, läge das Dach ihres Doppelhauses, von dem ihre Schwester Isabella Steif die eine Hälfte und sie die andere bewohnte, genau im Zentrum der Gefahr. Immer wieder neigte der Baum sich herüber und sie hoffte inständig, dass der Wind endlich nachlassen würde. Es waren auch nicht nur die heftigen Winde, die momentan das Münsterland heimsuchten, sondern auch die Regenschauer, die dermaßen niederprasselten, dass der Sprokenbach schon an einigen Stellen über die Ufer getreten war und der Regen den Bauern die Frühjahrsbestellung ihrer Äcker unmöglich machte.
Als erneut der Regen einsetzte, verließ Charlotte den Beobachtungsposten unter ihrem Vordach, denn jetzt klatschten ganze Wasserladungen gegen die Haustür, so sehr schüttete es.
Charlotte ging in die Küche und machte sich einen Kaffee. Eigentlich hatte sie sich vorgenommen zur neuen Großgärtnerei zu fahren, die im letzten Sommer aufgemacht hatte. Aber das Wetter war ihr momentan einfach zu schlecht, um schon im Garten zu werkeln, obwohl es bereits Ende März war.
Bauer Aufdemsande hatte im letzten Frühjahr sein Wohnhaus samt Gebäuden und einer Fläche von zehn Hektar an einen Gärtner aus Münster verkauft, weil er keine Nachfolger für die Übernahme finden konnte. Seine drei erwachsenen Kinder waren alle in anderen Berufen untergekommen und nicht bereit, den Hof zu übernehmen. Der Bauer wohnte mittlerweile mit seiner Frau in einem Haus mit großem Garten in der Stadt, das er sich vor Jahren als Altenteil gebaut hatte. Die restlichen zweihundert Hektar seines Betriebes hatte er an die umliegenden Bauern verpachtet und hatte nun durch Rente und die Pachterlöse einen sorgenfreien Ruhestand.
Der Hof war vollkommen verändert worden. Gewächshäuser waren entstanden und große Flächen mit Gehölzen für eine Baumschule angelegt worden. Vor einigen Tagen hatte Charlotte einen Werbeprospekt in ihrem Postkasten gefunden, in dem die Gärtnerei Grünwald mit dem Verkauf von Frühlingsblumen, Kompost und den passenden Pflanzkübeln warb. Alles was man zum Anlegen eines Gemüsebettes brauchte, war ebenfalls dort zu bekommen.
Charlotte brauchte Frühlingsblumen für den Garten und ihre Tontöpfe. Sie wollte sich unbedingt bei der neuen Gärtnerei umschauen, aber nicht solange draußen Weltuntergangsstimmung herrschte.
Fröstelnd blickte sie aus dem Fenster und beneidete ihre Schwester Isabella, die mit ihrem Hund Balu an die Nordsee gereist war und dort ein kleines Ferienhaus angemietet hatte. Natürlich war es auch dort windig, aber Charlotte liebte die See bei jedem Wetter und wäre auch gern am Strand entlanggegangen mit dem Blick auf Wasser und Wellen, aber eine starke Erkältung hatte sie vor zwei Wochen dermaßen aus der Bahn geworfen, dass sie die Reise stornieren musste. Seufzend begann Charlotte mit dem Hausputz.
Gegen Mittag war sie im Obergeschoss fertig und das Wetter hatte sich beruhigt. Der Sturm hatte nachgelassen und der Regen endlich aufgehört. Charlotte checkte ihre Vorräte durch und verließ langsam mit ihrem Auto die kleine Siedlung, um im Hofladen einzukaufen.
Überall lagen Äste und Zweige herum, nicht nur weil der Sturm sie abgeworfen hatte, sondern auch weil Männer vom städtischen Bauhof die Straßenbäume Ende Februar gestutzt und die Zweige zwischen den Bäumen abgelegt hatten, um sie später zu häckseln. Der Sturm war den Arbeitern zuvorgekommen und hatte das Schnittholz teils auf der Straße, teils auf den umliegenden Feldern verteilt. Charlotte steuerte das Auto vorsichtig um die Zweige herum und schon auf halber Strecke kam ihr ein mit Warnlicht ausgestattetes Auto der Straßenwacht entgegen, um die Zweige von der Straße zu entfernten.
Etwas weiter waren mehrere Arbeiter bereits mit Häckseln beschäftigt. Obwohl Charlotte die Fenster geschlossen hatte, konnte sie den ohrenbetäubenden Lärm des Häckslers schon von Weitem hören. Als sie vorbeifuhr, sah sie, dass die Holzschnitzel auf einen Wagen verladen und abtransportiert wurden. Sie konnte sich erinnern, dass im letzten Jahr diese Schnitzel beim nahegelegenen Kompostwerk als riesiger Haufen gelagert und dort zu wertvollem Humus verarbeitet worden war.
Im Hofladen war nicht viel los. Frau Kottenbaak, die Besitzerin, baute neben der Ladentür gerade ein Regal wieder auf, das der Sturm umgeworfen hatte, als Charlotte grüßend aus dem Auto stieg.
»Moin, Frau Kantig«, grüßte Frau Kottenbaak freundlich zurück und setzte hinzu: »Vorsicht! Die Gemüsekisten stehen noch vorn im Gang.«
Charlotte balancierte mit ihrem Korb um die Kisten herum und sah sich in Ruhe um. Schnell hatte sie ihren Korb gefüllt und als Frau Kottenbaak die Gemüsekisten draußen auf das Regal gesetzt hatte, stand Charlotte schon an der Kasse. Nach einem kleinen Schwätzchen über das Wetter verabschiedete sich Charlotte und fuhr langsam wieder heim.
Der Regen hörte kurz darauf auf und seit Tagen war es endlich wieder trocken. Charlotte räumte die Einkäufe weg, packte ihre Kamera ein und setzte sich auf ihr Fahrrad, um die ersten Frühlingsboten im März einzufangen.
Am Radweg hatte sie zuvor einen blühenden Haselstrauch entdeckt und hoffte auch blühende Weidekätzchen oder vielleicht gar die ersten Veilchen zu sichten. Wieder passierte sie die Straßenarbeiter, die noch immer dabei waren die abgeschnittenen Zweige und Äste zu häckseln.
Es war noch windig, aber zu Charlottes Freude kam gerade passend für eine tolle Aufnahme die Sonne durch, als sie jetzt den Haselstrauch ins Visier nahm.
Etwas weiter nahe einer Einfahrt zu einem Bauernhof sah Charlotte eine blühende Weide am Waldrand stehen. Gleich dahinter hatten die Straßenarbeiter einen leeren Hänger abgestellt, der wahrscheinlich in Kürze mit Gehäckseltem beladen werden sollte.
Charlotte stellte das Rad ab und ging langsam auf die Weide zu. Das laute Geräusch des Häckslers begleitete sie dabei. Etwas weiter halb im Wald verborgen parkte ein Auto. Wahrscheinlich gehörte es einem der Straßenarbeiter, die das Gesträuch bearbeiteten.
Als Charlotte die Weide erreichte, sah sie einige Meter entfernt am Gebüsch etwas liegen. Es sah aus wie Jeansstoff, bedeckt von einer dünnen Schicht aus Holzschnitzeln. Sie ging näher heran und hockte sich nieder. Mit Sicherheit hatte dort jemand die Holzschnitzel als Tarnung benutzt, um Müll und Altkleider zu entsorgen.
Der Wind war wieder heftiger geworden und die Baumwipfel schwankten mächtig, während Charlotte fotografierte. Das Häckselgeräusch übertönte das Sausen des Windes, ja selbst die fahrenden Autos auf der Münsterlandstraße waren nur schwach wahrzunehmen.
Plötzlich spürte Charlotte eine Bewegung hinter sich und noch bevor sie sich umgedreht hatte, um zu sehen, was es war, landete etwas mit Wucht auf ihrem Kopf. Die Kamera fiel ihr aus der Hand und Charlotte taumelte benommen zu Boden.
Regen tropfte auf ihr Gesicht, als sie die Augen aufschlug. Sie rappelte sich verwirrt hoch und stülpte die Kapuze ihres Parkas über den Kopf. Ihr Kopf brummte und sie verspürte heftige Schmerzen. Sie nahm die Kapuze wieder ab und fühlte vorsichtig in ihrem Haar. Eine leicht geschwollene Stelle zeugte davon, dass sie einen ordentlichen Schlag auf den Kopf bekommen hatte. Jetzt sah sie auch einen dicken Ast neben sich, der irgendwo über ihr aus dem Baum gefallen sein musste, gleich daneben lag ihre Kamera. Charlotte hielt sich mit der Hand am Stamm der Weide fest, weil ihr schwindlig war, und bückte sich vorsichtig danach. Zitternd blieb sie eine ganze Weile stehen, denn plötzlich war ihr übel und die Kopfschmerzen verstärkten sich. Wie lange hatte sie eigentlich da auf der Erde gelegen? Sie blickte auf ihre Uhr. Es waren nicht einmal fünf Minuten vergangen.
Vorsichtig blickte sie sich um. Die Holzschnitzel hinter dem Baum waren etwas verteilt worden. Auch das Auto, das dort gestanden hatte, war verschwunden, genau wie der Müll, der zwischen den Holzschnitzeln gelegen hatte. Oder bildete sie sich das alles nur ein? War sie so durcheinander?
Nachdenklich und ganz langsam ging Charlotte zu ihrem Fahrrad, das wie zuvor ordentlich auf dem Ständer am Radweg stand. Noch immer dröhnte der Lärm des Häckslers und in ihrem Kopf hämmerte es. Ganz langsam fuhr Charlotte nach Hause, immer darauf bedacht nur ja nicht zu stürzen, denn die Kopfschmerzen und die...
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