Schweitzer Fachinformationen
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Wenn deine schönsten Träume die größten Gefahren bergen ...
Seit dem plötzlichen Tod ihres Lebensgefährten Henry lebt Dawn Walker zurückgezogen in einem kleinen Dorf im Lake District. Eines Tages findet sie ein geheimnisvolles Buch auf der Straße. Es scheint besondere Kräfte zu haben, denn als Dawn am Abend mit dem Buch in der Hand einschläft, träumt sie von Henry so real wie nie zuvor. Als eine junge Frau versucht, das Buch zu stehlen, fragt Dawn sich: Was hat es damit auf sich? Da taucht ein Fremder namens Leo Turner auf und will Dawn in eine Londoner Buchhandlung mitnehmen. Zögernd stimmt sie dem Vorschlag zu. Sie hofft, Antworten auf ihre Fragen zu finden. Noch ahnt sie nicht, dass dort ein gefährliches Abenteuer auf sie wartet ...
Ein Wiedersehen mit der magischen Bücherwelt aus DAS BUCH DER GELÖSCHTEN WÖRTER
In der kleinen Stadt Keswick am Derwent Water liegt in der Heads Lane No 10 die wohl hässlichste Bibliothek Großbritanniens. Sie sieht aus, als hätte eine mürrische Riesin die drei kubistisch anmutenden Gebäudeteile umgekegelt und nachher hätte sie niemand aufräumen können. Dies ist im Winter mein Arbeitsplatz. Wenn die Hügel rund um die Seen des Lake Districts in der Grafschaft Cumbria sich mit Raureif überziehen und selbst hartgesottene Wanderguides wie mich mit kalten Windböen von ihren Höhen vertreiben.
Auf den ersten Blick scheint es unmöglich, den Eingang der Bücherei zu finden. Wer es trotzdem hineinschafft in die Keswick Library, wird die Mühen nicht bereuen, denn Tausende wunderschöne Geschichten bereiten dort einen glitzernden Empfang. Es ist ein geschmackvoll ausgesuchter, liebevoll gepflegter Bestand an Romanen, Thrillern, Liebesgeschichten, klassischer Literatur und Dramen. Jeder einzelne Titel handverlesen von Elizabeth Mitchell, der Bibliotheksleiterin, die jetzt gerade drüben in der Ecke mit den Neuerscheinungen steht und zwei knittrige alte Damen berät. Die beiden Ladys sind in ihren dicken Wintermänteln mit Wollhüten und selbst gefertigten Schals zunächst auf die Strickanleitungen zugesteuert, holen nun aber mit leisen Stimmen bei der Bibliotheksleiterin Erkundigungen über gern etwas heißere Lovestorys ein.
Schmunzelnd fahre ich mit dem kleinen Rollwagen der retournierten Medien durch die Regale. Ich räume die Bücher an die Stellen, an die sie gehören, platziere ein buntes Bilderbuch mit der Front nach vorn in die Kinderecke, streife kurz das eine oder andere Cover mit einem Seitenblick, ehe auch dieser Titel zurück in die alphabetische Reihe wandert.
Früher habe ich besonders diesen Teil meiner Winterarbeit geliebt. Die von geschichtenbegeisterten Menschen ausgeliehenen, gelesenen, erlebten, durchliebten und dann schweren Herzens wieder zurückgebrachten Bücher waren wie die Panoramablicke auf meinen Wandertouren: Manche von ihnen warm und wohlig vertraut wie ein Zuhause. Andere schockierend fremd, alarmierend neu, voller Verheißung und Locken. Ich erinnere mich noch, wie ich es kaum abwarten konnte, selbst dorthin aufzubrechen, in diese unbekannten Welten, die mich in andere Leben führen würden. Manchmal glaubte ich in jenen Tagen sogar, die Geschichten zu mir sprechen zu hören. Wie ein leises Flüstern, ein gerauntes Werben um meine Gunst: Nimm mich zuerst, nein, mich. Ein Gedanke, über den ich damals schmunzeln musste.
Doch diese Zeit ist vergangen. Heute greife ich nur ein Buch nach dem anderen vom Wagen und stelle es an seinen Platz zurück. Die Geschichten darin schweigen, während ich die ehemals geliebte Arbeit so rasch wie möglich beende.
Elizabeth hat ihren beiden Kundinnen einige Titel empfohlen. Rotwangig halten die Ladys ihre Beute mit den Hochglanzcovern unter den Ausleihscanner, verstauen sie in den mitgebrachten Einkaufstaschen und machen sich eiligen Schrittes auf in den dunklen, trüben Winterabend.
»Grins nicht«, sagt Elizabeth, als wir uns am Tresen treffen. »Für so was ist man nie zu alt.«
»Sagt die Frau, die dieses Jahr erst siebzig geworden und schon seit dreißig Jahren Single ist«, erwidere ich mit einem Zwinkern.
Ihre Augen, die Henrys so ähnlich sind, blitzen kurz auf. Sie wendet sich ab. Aber ich sehe noch, wie sich ihre Wangen im Fortdrehen rosa überhauchen. Ach?
»Du kannst Feierabend machen, Dawn. Ich räume noch in der Leseecke das benutzte Teegeschirr weg«, sagt sie.
»Gut, ich bereite die Ausleihe für morgen früh vor und gehe dann.«
Während Elizabeth geschäftig davoneilt, schaue ich ihrer kleinen, zarten Gestalt hinterher.
Ich kenne sie so gut, seit siebzehn Jahren nun. Damals kam ich als Wanderguide nach Keswick und trat schon am nächsten Tag dem Buchklub der Bibliothek bei. Weil Bücher für mich dasselbe waren wie das Umherstreifen in der Natur, von Lieblingsplatz zu Juwelenausblick, über steile, schmale, steinige Wege, sumpfige Wiesen und uralte Brücken, die sich über murmelnde Bäche oder strömenden Flüsse spannen.
Im Buchklub fiel mir gleich auf, dass Elizabeth und der sympathische Endzwanziger Henry nicht nur denselben Nachnamen trugen, Mitchell, sondern auch sehr ähnliche Augen und exakt das gleiche warmherzige Lächeln besaßen.
Henry, nur wenig größer als ich, mit breiten Schultern und gemütlicher Rundung um die Mitte, stand das Lächeln seiner Mutter ausgezeichnet. Es ließ ihn weich und sensibel wirken, wenn er über seine favorisierten Bücher sprach, in denen immer eine Liebesgeschichte vorkam.
Ich stellte mich unglaublich dumm an. Fühlte mich zu ihm hingezogen, fieberte den Klubtreffen entgegen, hielt ihn jedoch wegen seiner Vorliebe für Austen, Alcott, Salten und Burnett so lange für schwul, bis er sich endlich erbarmte und mich um ein Date bat. Als er mich vor meiner Haustür zum ersten Mal küsste, starrte ich ihn danach vor Überraschung mit offenem Mund an. Sodass er unwillkürlich lachen musste. Und ich auch. Wir lachten so sehr, dass wir uns aneinander festhalten mussten, um nicht umzufallen, während wir uns die Tränen aus den Augen wischten. Dann küssten wir uns erneut.
Die folgenden vierzehn Jahre erscheinen mir heute so, als hätten wir all die Zeit nichts anderes getan. Gelacht und uns gehalten, fest, damit wir beide nicht umfallen konnten.
»Wovon träumst du, liebe Dawn?«, sagt da eine Stimme hinter mir. Sonor. Freundlich.
Ich knipse ein Lächeln an und drehe mich um. »Joseph, wir dachten schon, du kommst heute nicht.«
Flicken-Joseph sieht aus wie jeden Tag in den vergangenen drei Jahren. Seine schmale, aufrechte Gestalt mit den ein wenig staubig wirkenden braunen Haaren und dunklen Augen ist in einen Mantel gehüllt, der aus mehr ausgebesserten Stellen zu bestehen scheint als aus seinem ursprünglichen Textil, einem rauen Tweed. Vor der Brust hält Joseph seinen Hut, den er beim Hereinkommen stets abnimmt und auf dem nun einige zarte Schneeflocken schmelzen. Der Mantel verfügt über so viele Taschen, dass ich beim Zählen immer durcheinanderkomme. Inzwischen weiß ich, dass sich darin neben nützlichen Alltäglichkeiten wie Nähgarn, Pflastern, Fäustlingen, Taschentüchern und Hustenbonbons auch jede Menge rätselhafter Dinge befinden: Glitzerpailletten, eine winzige Pferdemarionette ohne Strippen, ein zusammenschiebbares Fernrohr und mindestens drei Uhren an antiquierten Ketten oder modernen Armbändern, die alle eine unterschiedliche Zeit anzeigen.
Josephs Alter ist schwer zu schätzen. Manchmal halte ich ihn für vielleicht zwanzig Jahre älter als mich, also etwa Anfang sechzig. Dann wieder schimmert in seinen Augen ein Wissen um die Welt, das ihn weit älter wirken lässt.
»Auch wenn ich heute nur wenig Zeit habe, werde ich doch meine tägliche Visite in der Library nicht versäumen«, erwidert er zwinkernd. Doch sein Blick wandert prüfend über mein Gesicht, als könne mein Lächeln ihn nicht täuschen und er ahne, woran ich kurz vor seinem Auftauchen noch so intensiv gedacht habe.
»Ich träume natürlich meist von meinen Wanderungen«, antworte ich deswegen schnell auf seine ursprüngliche Frage. »Manchmal fällt es mir schwer, morgens nicht einfach den Rucksack zu packen und loszugehen. Du weißt, ich liebe meinen Job hier in der Library. Aber tief in meinem Herzen bin ich eine Wanderin. Und ob du es glaubst oder nicht, ich vermisse die Touris, denen ich die Seen und Hügel zeige. Den Moment, wenn diesen Großstadtmenschen Tränen in die Augen steigen beim Blick über den Windermere.«
Er nickt verständnisvoll. »Und lass mich raten, noch mehr vermisst du die Kühe und Schafe und das Steinadlerpaar auf den Höhen über dem Bassenthwaite Lake?«
Joseph ist zwar nur ein Kunde in der Bücherei - doch wie gut er mich in den vergangenen Jahren kennengelernt hat. Ich grinse ihn an.
»Elizabeth ist drüben.« Ich deute in die Richtung.
Joseph nickt, bleibt aber bei mir am Tresen stehen.
»Ich habe den neuen Clark gelesen«, teilt er mir mit, so beiläufig, dass jede andere Person darauf reinfallen würde. »Der ist wirklich gut, weißt du. Es geht um eine Frau, die im Amazonas-Regenwald in den Baumkronen lebt. Das ist wie auf einem anderen Planeten. Oder, wenn du so willst, wie auf einem unentdeckten Kontinent.«
»Ah?«, mache ich.
Er nickt wieder. Dabei hebt er die Hand und massiert sich leicht die Schläfe. Die Geste ist mir vertraut. Ich sehe sie immer mal wieder an ihm, wenn er über eines der Bücher spricht, die er ausgeliehen hat - als würde er damit seine Gedanken in Bewegung bringen.
»Wusstest du, dass über die Hälfte aller Lebewesen der Erde dort oben lebt, in den Baumwipfeln und nicht auf dem Boden? Erschreckend, wie wenig wir darüber wissen, nicht wahr? Und wie faszinierend, dass ein Mensch dort oben nicht nur überleben, sondern auch glücklich sein kann.« Prüfend sieht er mich an. Mit dem Blick eines Anglers an einem der vielen kleinen Flüsschen im District, der kurz den Köder über die Wasseroberfläche tanzen lässt, um zu sehen, ob schon ein bedauernswerter Fisch angebissen hat.
»Netter Versuch, Joseph«, sage ich. »Aber nein. Danke dir.«
Er zuckt mit den Schultern, als habe er gar keine besondere Absicht verfolgt. Aus der großen Manteltasche mit dem roten Flicken, in der ich ihn noch nie etwas anderes habe transportieren sehen als die ausgeliehenen Bücher, holt er das soeben so subtil angepriesene Exemplar und stellt es in das Regal der elektronischen Rückgabe....
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