Schweitzer Fachinformationen
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Die Kinder saßen in der Mitte der Jurte im dunstigen Licht um den Flachtisch mit einer schwelenden Kerze; spielten mit den Handfingern bis die Hirtin mit dem Abendmahle fertig war. Das Kerzenlicht warf dunkle, riesige Schattenfiguren von jenen Fingern an die Jurtenwände. Alles war in Bewegung, um Hundeköpfe mit offenen und geschlossenen Mündern, Rinder mit verschiedenen Hörnern abzubilden. Dabei versuchten sie ihr Bestes aufzuzeigen. Das Mädchen verließ die Winterjurte, um sich zu erleichtern. Als sie über die Türschwelle trat, dampfte ihr ganzer Körper wegen der dumpfen, trockenen Kälte leicht. Das zeigte sich im Schein des Kerzenlichts durch die noch offene Jurtentür deutlich. Das Mädchen blickte euphorisch in den Himmel. Eine überwältigende schwarze Pracht, von Sternen übersät. So hatte es das noch nie gesehen.
Gebiete mit einer ungetrübten Sicht düsen in die milchig dämmernde Stille. Das tiefe Weltall, dunkel wie alles verschluckender Samt, verkörperte in ihren Augen den »Schatten seines Selbst«. Das Mädchen verlor sich infolge ihres Staunens und stand still mit erhobenem Haupt, den Blick himmelwärts. Es näherte sich dem Winterstall und empfing die Wärme der Tiere.
Diese lagen im Stall und käuten langsam wieder, wie nachdenklich träumend, denn der Tag war zwar anstrengend, aber ein erfüllter. Auf dem Rückweg sah es den Hund. Der Wachhund mit dem Namen Pavga lag zusammengerollt wie >Mund und Arsch in einem< in seiner Stoffhütte neben der Großjurte - satt und schläfrig. So schön angenehm konnte der damalige Winterabend am Bergschoß »??????« sein. Das Mädchen, das einen »Schöpfkellen« ähnlichen Kopf besaß, stand noch eine Weile draußen, streckte sich mit allen Sinnen und in alle Richtungen aus und kehrte in die Jurte zurück.
Die Winterabende, die den Augen wenig Licht gewährten, luden vermehrt zum Sprechen und Zuhören in einer von außen schneeweißen, die Wände und das Dach mit Filz gut bedeckten Jurte ein. Die Jurte war von innen verräuchert, geräumig und mit gepresstem Schafmist vom Vorjahr gut geheizt. Die Winterjurte eines alten Hirten. Der untere Teil der Jurtenwand wurde durch den frischen Kuhmist mit dem Erdboden gekittet und fror fest. Es gab vor dem Altar eine ein trübes Licht verbreitende Butterlampe, die von der Hirtin nicht aus dem Schlachtfett, sondern aus Milch gemacht wurde, um Sünde zu vermeiden und Glück zu bringen. Auf dem Lauftisch in der Mitte der Jurte strahlte ein helleres Kerzenlicht, welches der alte Hirte meist aus der Ortschaft holte. Auf dem Blechofen stand ein Kessel voll mit heißem Butterquark zum Trinken, den die Hirtin nach dem Abendbrot aus dem Fleisch- und Nudelgericht zubereitet hatte. Sie reichte den Kindern im Uhrzeigersinn vor dem Blechofen sitzend den heißen und herben Quark mit ausgestreckten Armen. Zuerst bekam der Hirte oder derjenige, der neulich zu Beginn der Ferien von der Schule nach Hause gekommen war, dann die Älteste der Geschwister und zuletzt der Jüngste. Der alte Hirte saß in der Jurte in östlicher Richtung nicht weit von seiner Frau, der Hirtin, schlürfte aus der reichlich mit Silber verzierten Wurzelholzschale den Quark und hörte dabei dem Gespräch der anderen eher kommentierend zu. Sehr selten nahm er das Erzählen in seine Hände und begann seine Rede oft so: »Dies sollte keinem Öhrchen fehlen.« Dabei lächelte er die Kinder liebevoll an und fesselte sie mit seinen Geschichten. Eines fragte: »Können Sie uns eigentlich richtig sehen?« Solche Mandelaugen hatte er. Der alte Hirte antwortete darauf mit einem Kopfnicken und sanftmütigem Humor in die Zukunft jenes Lebensdschungels hineinschauend: »Ich sehe euch voll und ganz!« Bedächtig war er, gütig und duldsam. Mit dem Blickkontakt sagte er vieles, das man verstehen konnte, wenn man wollte.
Die Hirtin hatte im Winter nur drei Melkkühe, die nicht beschält waren. Sie war bereits wieder vom Melken zurück. Nach jeder Nacht wurde zunächst das Schlafzeug aufgeräumt und dann wusch man das Gesicht und die Hände. Die kleinen und großen Menschen saßen ringsum den Tisch und frühstückten ein Milchprodukt. Das köstlichste Frühstück bestand aus Gebäck- oder Teigwaren, doch das gab es selten. Vom Wetter hing es ab, gleich dem »Tagesstern«: War es trüb, lockte ein gutes und seltenes Frühstück dann lächelnd an den kleinen Tisch.
Am frühen Morgen stand ein junger Hirte vor seiner Jurte. Der Nachbar. Im Schlaf hatte er fühlen können: Es schneit. Leise herabfallender Schnee. Der Flockenschnee in windstiller Nacht erschwerte dem Hirten den Herdenaustrieb. Er beobachtete deshalb, wo die Windspitze während und nach den Schneewehen gewesen zu sein schien. Der Wind sollte nach den Schneewehen behilflich sein, um den Schnee am Bergschoß und -hang wegzufegen. Dorthin wollte der junge Hirte seine Herde treiben. Falls der Schnee so hoch wie die Hufe eines Rindes oder eines Pferdes gefallen sein sollte, konnten auch die kleinen Tiere wie Schafe und Ziegen unter dem Schnee das quasi schockgefrostete Gras vom vergangenen Spätherbst finden. Der junge Hirte erreichte inzwischen den Bergschoß mit den Tieren und stieg vom Pferderücken ab. Er schlang die Zügel um den Sattel, entfernte die Trense, lockerte seinem Wallach die Bauchgurte und band ihm drei Füße. Er holte seine Pfeife aus dem Stiefelschaft, bildete aus dem Schaft und aus der unteren Hälfte seines Deels eine Sitzunterlage und setzte sich im Schneidersitz auf die Erde. Er zündete den Tabak im Pfeifenkopf an und zog das Fernglas aus der Brusttasche seines Deels. Er blickte von hier oben hinunter auf die schneebedeckte Steppenweite und die Spitzen und Wipfel der verwitternden Bergketten seiner Ebene, an der die Kühe oder Pferde gewohnt waren, sich aufzuhalten. Dort beruhigte der Hirte seine vom Schnee im Steppental geblendeten Augen. Die Tiere pflügten oder scharrten im Schnee geschickt mit den Vorderbeinen und zogen dann mit der Kraft ihrer Zähne das Gras aus den Wurzeln heraus. Der Hirte balsamierte durch die Geräusche der Tiere seine Seele und empfing ihre natürliche Wärme. Er war gespannt und gleichzeitig entspannt. Er brachte sich die Kunst der kleinen Schritte für den Alltag findig und erfinderisch bei. Seine Gedanken flogen in seinen Träumen zu den von ihm weit weggezogenen Geschwistern und hingen Anderem, Erkenntnissen und Erfahrungen, Gehörtem und Gesehenem im täglichen Allerlei und weltweiten Vielerlei nach. Dabei dachte er einmal an die Mittelstreckenrakete mit dem Namen »Pershing II«. Falls er am bekannten Berghang namens »Die Höhe«/»?????« eine ganze, heile Rakete auffinden würde, könnte er sie auseinanderbauen, um die Technik und die Materialien zu bestaunen und zu verwenden. So gönnten der alte und junge Hirte sich ihre leibliche und seelische Stärkung.
Der »dumpfe« Winter galt bei den Steppennomaden allgemein als die bevorzugte Jahreszeit für das Erzählen, das Nähen, das Jagen und für das Spielen. Der Winter war meist selbstbestimmt von den Hirten, denn die vom reichlichen Schnee bedeckten, windstillen Wintertage zogen, durch die Natur bestimmt, von allein ihre Bahnen. Die Hirten hatten sich für den eventuell harten Winter auch gut vorbereitet. Das hieß - eingesammeltes Gras. Der Heuvorrat war bereits in der Scheune hinter dem Winterstall gelagert. Einige Säcke voll getrocknetem Quark aus verschiedenen Kräutern als Kraftfutter, meist von der wilden Lauchzwiebel, waren in der Kleinjurte für die zu fütternden Tiere. Zum vom Füttern abhängigen Vieh gehörten die Tiere, die meist vom Wuchs her winzig klein waren - die meisten Spätgeborenen, die Kranken, auch die hinkenden Alten, die ausgedehnte Hufe hatten. Wenn der Wind- oder Schneesturm einige Tage lang ihre Gebiete durchheulte, bekamen die gehegten Tiere ein kalorienreiches Stück vom Kräuter- und Lauchquark wie ???????? ??????. Geschwächtes Vieh, das dieses Kraftfutter fraß, kam rasch wieder zu Kräften.
Die Kinder spielten an den Wintertagen in der oberen Hälfte der Jurte mit beinahe eintausend Stück Fersengelenkknöchelchen verschiedene Spiele wie: der bunte Schildkröten-Baustein, die Reitbahn für die bedeutendsten Rennpferde, die Knöchelchen-Greifschau, das Knöchelchen-Schnipsen. Es kamen immer mehr eifrige Gesellen und Schaulustige dazu, die von der Weide oder von der Jagd die Familie besuchten und sich während der Mahlzeit besprachen. Das Ofenfeuer wurde sanfter. Alle Menschen waren zufrieden. Die Kinder spielten Schach. Die altmongolischen Schachfiguren waren meist von den Vätern geschnitzt worden. Der Knabe, der den Quirl- ähnlichen Kopf besaß, konnte sich die Züge des Spiels nicht merken. Nach seinem hartnäckigen aber verlorenen Spiel war er leider nicht mehr wohlgesonnen, sondern wurde sehr ärgerlich. Von ihm wurden die Schachfiguren nicht selten in den feuerroten Ofen geworfen. Nicht nur die Spieler, sondern auch alle anderen waren wenig entzückt. Nach einigem Zögern wurden die ziemlich unglücklich und unanständig aussehenden Schachfiguren von dem alten Hirten erneuert. Den Spielern war damit unwohl. Das Mädchen mit dem Schöpfkellen ähnlichen Kopf gab dem Knaben mit dem Quirlkopf eine mächtige Ohrfeige und sprach dabei leise, völlig ernst zu ihm: »Wenn deine Ohren und Augen ihre Leitfunktion ins Gehirn noch immer nicht beherrschen, dann sollte deine Haut das Wichtigste übernehmen.« Sie kniff ihn am Oberarm. Er wurde rot wie ein ertappter Schwindler. Gleichzeitig sprach die Hirtin: »Kein Mann darf eine Frau zurück schlagen.« Zu ihr schmunzelte der alte Hirte mit sanftem Gemüt. Daraufhin schnitzte er wieder schöne Schachfiguren.
Die drei Kinder brachten nach dem Frühstück an einem angenehmen Wintertag die vom Muttertier getrennten Kälber zur Weide auf dem...
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