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England im Herbst 1013: Um den dänischen Gefangenen Hakon bei Hofe abzuliefern, reist der junge Engländer Ælfric of Helmsby nach London. Die Stadt liegt in Trümmern, denn dem schwachen König Ethelred gelingt es nicht, sein Reich gegen die ständigen Wikingerüberfälle zu schützen.
Doch anders als England und Dänemark sind Ælfric und Hakon keine Feinde - während der gefährlichen Reise sind sie zu Freunden geworden. Bald schon gehören sie zum inneren Kreis um die machtbewusste Königin Emma. Aber der Widerstand der Engländer droht zu brechen, und als der dänische König stirbt, steht bald ein noch gefährlicherer Feind vor den Toren ...
Von der Bestseller-Autorin der Warringham-Saga
»Du wirst tun, was ich sage, oder ich verkaufe deinen Bengel in die Sklaverei, Ælfric, ich schwör's bei Gott.«
Ælfric spürte ein Durchsacken in der Magengegend, denn er wusste, es war seinem Onkel todernst mit dieser Drohung. Er biss die Zähne zusammen, damit seine Furcht sich nur ja nicht auf seinem Gesicht abmalte. Es war eine Kunst, in der er lebenslange Übung besaß.
Penda stand neben ihm und blickte zu ihm auf, die stahlblauen Augen riesig und voller Unruhe. Ælfric schob ihn hinter sich, als könne er ihn mit seinem breiten Kreuz beschützen, und der Sechsjährige klammerte eine Hand in das Hosenbein seines Vaters.
Ælfric sah seinem Onkel in die Augen. »Du hast kein Recht, den Gefangenen zu fordern, denn er gehört mir.« Er rang darum, ruhig zu klingen und seinen Zorn ebenso zu verbergen wie seine Furcht, denn sein Onkel war ein Mann, der jeden Widerspruch für Respektlosigkeit hielt und Respektlosigkeit mit Grausamkeit ahndete.
Doch noch ehe Onkel Dunstan antworten konnte, trat dessen Sohn einen halben Schritt vor. »Er kann von dir fordern, was immer ihn gut dünkt, denn er ist der Thane of Helmsby«, sagte er schroff. »Eine Tatsache, an die man dich anscheinend immer wieder erinnern muss, Vetter. Woran liegt das nur?«
»So wie man dich ständig daran erinnern muss, dich nicht in Dinge einzumischen, die dich nichts angehen, Offa«, konterte Ælfric. »Woran liegt das nur?«
Leises Gelächter plätscherte hier und da durch die dämmrige, verräucherte Halle, wo die Männer des Thane mit ihren Familien beim Frühstück saßen.
Offas sonderbar bartlose Wangen röteten sich. »Du verfluchter .«
Doch sein Vater brachte ihn mit einer gebieterisch erhobenen Hand zum Schweigen, ohne Offa auch nur eines Blickes zu würdigen. Nicht zum ersten Mal kam Ælfric der Verdacht, dass der Thane für seinen einzigen Sohn und Erben nicht mehr übrighatte als für den Rest der Welt.
»Der König hat ein neues Heregeld erhoben, um seine Söldnerarmee zu bezahlen, die die Dänen zurück übers Meer jagen soll«, erklärte der Thane seinem Neffen nüchtern. »Helmsby musste dreißig Pfund aufbringen, und darum brauchen wir Geld. Dein Gefangener ist ein gesunder, bärenstarker junger Kerl und wird auf dem Sklavenmarkt in Norwich zwei Pfund einbringen. Also gib ihn heraus. Du schuldest deiner Familie Loyalität, Ælfric, vergiss das nicht. Und Helmsby.«
Einen Moment sahen sie sich in die Augen. Dunstans waren dunkel, wirkten im matten Dämmerlicht schwarz, und das Lodern darin war kein Widerschein des Herdfeuers. Es gab nicht gerade viel, das Onkel Dunstan entflammen konnte, denn der war ein nüchterner, grüblerischer Mann. Doch er brannte für Helmsby, den Stammsitz seines Hauses. Und Ælfric wusste, dass der Thane ganz und gar erbarmungslos war, wenn es darum ging, Helmsbys Sicherheit zu wahren und seinen Wohlstand zu mehren. Ælfric verstand auch, dass man so sein musste, um in kriegerischen Zeiten wie diesen einen Landsitz mit vier Dörfern und ein paar Hundert Bauern zu schützen. Und er ahnte, dass es diese schier unlösbare Aufgabe war, die seinen Onkel so hart und bitter gemacht, sein Gesicht wie eine Felslandschaft zerfurcht und sein Haar vor der Zeit weiß und schütter gemacht hatte. Trotzdem schauderte Ælfric, als er in den schwarzen Augen las, wozu sein Onkel fähig war.
Und was ist mit deiner Loyalität gegenüber der Familie?, hätte er ihn gern gefragt, doch er sparte seinen Atem. Für ein, zwei Herzschläge hielt er den Blickkontakt noch. Dann nickte er knapp, hob Penda hoch und setzte ihn sich auf die Schultern. »Es muss einen besseren Weg geben, Onkel.«
Und damit wandte er sich ab.
»Untersteh dich, uns hier einfach so stehen zu lassen, Ælfric, was fällt dir ein!«, schnauzte Offa in seinem Rücken.
Ælfric ignorierte ihn und ging mit langen Schritten zur Tür in der gegenüberliegenden Stirnwand. Aus dem Augenwinkel sah er die Blicke der Männer an den Tischen links und rechts: manche respektvoll, andere neugierig, die meisten undurchschaubar und grimmig, und mit einem Mal war es so still in der Halle geworden, dass das Rascheln der Binsen unter seinen Schuhen ihm eigentümlich laut erschien.
Ælfric stieß den rechten Flügel der schweren Tür auf und trat in den sonnigen, windigen Herbsttag hinaus, während Penda auf seinen Schultern routiniert den Kopf einzog, um nicht an den Türsturz zu stoßen.
Sie überquerten die ewig schlammige Wiese im Innenhof, vorbei am Backhaus, dem Brunnen und dem Viehstall und gelangten auf der Westseite zum Tor in der gewaltigen Buchenhecke, welche die Halle von Helmsby umfriedete. Auf der linken Seite des Haupttors ragte ein überdachter Wachturm auf, wo einer der Männer des Thane Tag und Nacht Ausschau nach Rauchsäulen am Horizont oder anrückenden Feinden hielt. Hildebert, der Sohn des Stewards, stand dort oben und winkte ihnen zu. Dann machte er Eselsohren links und rechts an seinem Kopf und streckte die Zunge heraus, sodass Penda lachen musste.
Erst als sie jenseits des Tores den schmalen Pfad Richtung Dorf einschlugen, fragte der Junge: »Ist der Thane böse auf uns, Vater?«
»Auf mich«, verbesserte Ælfric. »Auf dich nicht.«
»Aber er hat gesagt, er will mich in die Sklaverei verkaufen«, widersprach sein Sohn.
Ælfric musste für einen Moment die Augen zukneifen und nahm die kleinen, mäßig sauberen Hände des Jungen in seine. »Ich weiß.«
»War es nur Spaß?«
Ælfric antwortete nicht sofort.
Mit fünfzehn war er Vater geworden, selbst noch ein Knabe, wie er heute oft dachte, auch wenn er vor dem Gesetz mündig gewesen war. Sein eigener Vater war sieben Monate vor Ælfrics Geburt in der großen Schlacht bei Maldon gefallen, und so war das einzige Vorbild, das Ælfric gehabt hatte, ausgerechnet das, welchem er auf keinen Fall folgen wollte: sein Onkel Dunstan. Also hatte er andere Väter und ihre Söhne beobachtet, um zu lernen, wie ein Vater sein sollte, die Bauern im Dorf genauso wie die Männer des Heorthwerod - der Herdtruppe -, die im Dienst seines Onkels standen, ihm in die Schlacht folgten und mit ihren Familien in dessen Halle lebten. Zu den vielen guten Vorsätzen, die Ælfric gefasst hatte, zählte auch der, dass er seinen Sohn niemals belügen wollte. Kinder wurden viel zu oft angelogen, fand er, denn die Welt war nun einmal grausam, und das konnte man gar nicht früh genug lernen, weil man darauf vorbereitet sein musste. Wie die meisten seiner Vorsätze hatte er auch diesen dann und wann gebrochen, aber jetzt sagte er Penda die Wahrheit.
»Nein, es war kein Spaß. Der Thane braucht Geld. Dringend. Und weil die ständigen Kämpfe gegen die Dänen in den letzten Jahren alles aufgebraucht haben, was er hatte, ist er verzweifelt genug, sich an seinem eigenen Blut zu versündigen.«
»Hä?«
»Seinen Großneffen in die Sklaverei zu verkaufen, meine ich, statt seine Familie zu beschützen, wie das Gesetz und Gott es von uns fordern.«
»Aber ich bin doch noch viel zu klein für schwere Arbeit und würde gar nichts einbringen«, widersprach Penda mit diesem halb vorwurfsvollen, halb nachsichtigen Tonfall, den er für Erwachsene reserviert hatte, die Unsinn redeten.
»Doch, mein Sohn, du würdest jede Menge einbringen«, entgegnete Ælfric, und plötzlich verursachte der frische Oktoberwind ihm eine Gänsehaut auf den Armen. »Aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Denn ich lasse nicht zu, dass es dazu kommt. Das weißt du, oder?«
»Natürlich, Vater«, beteuerte Penda hastig, doch man konnte hören, dass ihn Zweifel plagten. So klein er auch sein mochte, wusste er schon, dass das Wort des Thane in Helmsby Gesetz war.
Und Ælfric wusste es auch.
Der Pfad ins Dorf war auf beiden Seiten von Wiesen gesäumt, ehe er nach vielleicht hundert Schritten in ein Wäldchen eintauchte. Eine struppige Grasnarbe wuchs zwischen den zwei Furchen, die Ochsenkarren in die schwarze, feuchte Walderde gegraben hatten. Die Luft war erfüllt von würzigen Herbstdüften, und die Oktobersonne schien durch das schon lichte Laubdach und ließ sein Rot, Braun und Gelb leuchten, während der frische Wind die bunten Blätter abriss und am Boden in raschelnden Wogen vor sich hertrieb. Lachend versuchte Penda, die fallenden braunen Eichenblätter einzufangen, ehe er nach rechts auf den Wegrand zeigte. »Sieh mal, Vater! Ein Fliegenpilz!«
Ælfric blieb stehen, hob den Jungen von den Schultern und stellte ihn auf die Füße. Andächtig bewunderten Vater und Sohn das leuchtend rote Prachtexemplar mit den weißen Flecken, die wie winzige Hagelkörnchen aussahen.
»Cnebba sagt, in jedem Fliegenpilz wohnt ein Wichtel«, berichtete Penda.
Cnebba war der älteste Krieger in Helmsby. Er ritt nicht mehr mit dem Thane in die Schlacht, sondern saß meist in der Halle am Feuer, erzählte den Kindern Märchen und den Männern Geschichten von den großen Taten ihrer Väter, die, so argwöhnte Ælfric, dann und wann auch dem Märchenreich entstammten.
»Und was glaubst du?«, fragte er seinen Sohn.
»Ich denke, man müsste Fenster oder wenigstens eine kleine Tür im Pilz sehen, wenn es stimmte«, antwortete Penda weltmännisch. »Aber vielleicht essen die Wichtel ja die Fliegenpilze.«
»Wie in aller Welt kommst du darauf?«
»Na ja, weil viele so angenagt aussehen. Wie der da.« Er wies auf einen ziemlich ramponierten Pilzhut weiter links. »Vielleicht können Wichtel ja essen, was für Menschen giftig ist. Sie sind ja ganz anders als wir.«
»Möglich«, räumte der Vater ein, und gemächlich setzten sie sich wieder in Bewegung. »Es...
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