Vorwort von Ádám Miklósi
Es gibt zwei Arten von Menschen auf der Welt. Die einen glauben, dass Hunde nicht in der Lage sind, Menschen zu imitieren; die anderen sind überzeugt davon, dass Hunde sowieso schon ständig menschliches Verhalten kopieren.
Vielleicht ist das hier der Ort, an dem ich zugeben sollte, dass ich für viele Jahre zur ersten Gruppe gehört habe, bevor József Topál und ich uns vor ein paar Jahren getraut haben, die Idee von Imitation bei Hunden in einem ersten Versuch zu untersuchen.
Ich hatte nichts zu verlieren, dachte ich, als klarer Vertreter der "Ungläubigen" - und so war es für mich eine große Überraschung, dass Philip, ein Belgischer Schäferhund, der als Assistenzhund für Menschen mit körperlichen Einschränkungen ausgebildet worden war, nach ein paar Wochen Training die Fähigkeit zeigte, Verhalten von Menschen zu imitieren (Topál, 2006).
Das attackierte Paper
Eine ähnliche Überraschung stellte sich bei mir ein, als ich erleben musste, wie unsere erste wissenschaftliche Veröffentlichung zu "Do as I do", in der wir unsere Ergebnisse der Versuche mit Philip beschrieben haben, vom wissenschaftlichen Publikum leidenschaftlich attackiert wurde.
Die Kommentare zum Paper waren teilweise länger als das Manuskript selbst, und natürlich war klar, dass diese Wissenschaftler zu den "Ungläubigen" gehörten - wie ich zuvor auch -, also wäre ich wahrscheinlich genauso kritisch gewesen wie sie, wenn ich diese Veröffentlichung zum ersten Mal in der Hand gehalten hätte.
Kein Raum für Zweifel
Doch Philips beeindruckende Leistung hat mir keinen Raum für Zweifel gelassen. Ein paar Jahre später haben wir mit Hilfe dieser Methode weitere Hunde ausgebildet. Die Ergebnisse zeigten, dass auch diese Hunde in der Lage waren, funktionale Imitation von speziellen Handlungsabläufen zu zeigen, ohne dass diese im Vorfeld trainiert wurden.
Auch wenn ich mir schon zu einem frühen Zeitpunkt gedacht habe, dass die "Do as I do"-Methode hilfreich sein könnte, um das Training von Hunden (und ihren Menschen) zu bereichern, war es allein Claudia Fugazzas Verdienst - es ist ihrem Engagement und Durchhaltevermögen zu verdanken -, dass diese Methode heute allen hundelieben-den Menschen zur Verfügung steht.
Ich hoffe, dass dieses Buch nur der erste Schritt ist, um die "Do as I do"-Methode Hundetrainer- und Halter:innen vorzustellen - und ich bin mir sicher, dass Claudia viele weitere Ideen haben wird, um "Do as I do" weiterzuentwickeln.
Paartanz und soziales Lernen
Dieses Buch bietet eine schöne und hilfreiche Einführung in das Konzept des "sozialen Lernens" und erklärt im Detail, wie das "Do as I do"-Training durchgeführt werden sollte. Ich habe mich immer ein bisschen darüber geärgert, dass Hundetraining - wie es die Bezeichnung ja schon nahelegt - den Fokus auf den Hund legt, während es eigentlich darum geht, eine Synchronisation des Verhaltens von Hund und Mensch zu erreichen.
Wenn wir Menschen Paartanz lernen, dann wird ja auch nicht nur der Mann trainiert (mal abgesehen davon, dass Frauen hier häufig die größeren Talente zeigen), sondern wir lernen gemeinsam, uns zusammen zu bewegen, in einer synchronisierten, aufeinander abgestimmten Art und Weise.
Soziale Komponente von Do as I do
Das gleiche gilt für die "Do as I do"-Methode. Hundehalter- oder Trainer:innen sind Partner ihrer Hunde und sie können erleben und nachempfinden, was die Ausführung spezieller Aktionen für ihre Hunde bedeutet.
Sich mit "Do as I do" zu befassen, verleiht Hundetraining eine besondere soziale Komponente, macht es fröhlicher, Mensch und Hund haben mehr Spaß. Doch nebenbei bietet "Do as I do" auch eine einfache Möglichkeit, dem Hund neue Handlungen oder Bewegungen mit vergleichsweise wenig Aufwand beizubringen.
Am Anfang werden Hunde noch nicht in der Lage sein, das gewünschte Verhalten präzise zu zeigen. Aber man kann regelrecht dabei zuschauen, wie "der Groschen fällt" und sie nach und nach das Konzept verstehen.
Claudia Fugazza und ich konnten zeigen, dass diese Methode mindestens genauso gut funktioniert wie andere, traditionelle Formen des Hundetrainings. Es ist also gar nicht nötig, dass wir alte Methoden verdammen - wir können einfach damit anfangen, "Do as I do" als eine zusätzliche Form der sozialen Interaktion mit unseren Hunden zu nutzen.
© Anna Auerbach/Kosmos
Hunde haben genetisch bedingt ein großes Interesse an unseren Handlungen. Sie beobachten uns sehr genau.
Fähigkeit zur Synchronisation
Zum Ende meines Vorworts möchte ich eine neue Idee mit euch teilen. Wenn wir Welpen in der Interaktion miteinander beobachten, kann man sehen, wie groß ihr Bedürfnis ist, sich an Aktivitäten der Gruppe zu beteiligen - und dazu gehört besonders das Synchronisieren, also das Zeigen gleicher Aktionen, die sie bei anderen Welpen beobachtet haben.
Von diesen Beobachtungen ausgehend, glaube ich fest daran, dass dieses "Lernen voneinander" eine grundlegende Fähigkeit von Hunden ist, die bereits in einer frühen Phase ihrer Entwicklung aktiviert wird. Das größte Problem ist, dass wir Menschen ihnen in den meisten Fällen diese Fähigkeit abgewöhnen, weil wir sie in ihrer Entwicklung nicht fördern. Wir wollen nicht, dass ein Hund buddelt, wenn wir Blumen einpflanzen, oder dass er den Kühlschrank öffnet, nachdem er gesehen hat, wie wir das tun.
Die "Do as I do"-Methode bedient sich deshalb eigentlich nur einer natürlichen Fähigkeit unserer Hunde und fügt noch ein kleines bisschen Kontrolle über diese Tendenz, menschliche Handlungen nachzuahmen, hinzu. Hunde, denen erlaubt wird, die Aktionen ihrer Menschen zu imitieren, werden dieses "Do as I do" lieben und haben ein glücklicheres Leben . Also gebt der Methode eine Chance - denn "You can DO IT!" - genau wie wir es auch getan haben.
© Philip Alsen
Wenn geschlafen wird, wird geschlafen! Gerade Welpen passen ihr Verhalten an das der anderen an.
Viel Spaß dabei wünscht
Ádám Miklósi, Professor of Ethology Family Dog Project, Budapest, Hungary
© Ádám Miklósi
Ádám Miklósi, Leiter des ethologischen Instituts der Universität Budapest, ist einer der führenden Hundeforscher in unserer Zeit.
Vorwort der Übersetzerin
In den letzten Monaten wurden in den sozialen Medien viele Videos gezeigt, in denen Hunde eine neue Handlung lernten, nachdem sie ihre Menschen dabei beobachtet hatten.
Der Clou: Die Halterinnen und Halter bekamen für die Handlung - zum Beispiel eine Klingel am Boden mit der Hand berühren, bis es klingelt - ein Leckerchen gefüttert. Ihre Hunde saßen daneben, beobachteten die Szene, wurden zusehends nervöser und fingen ziemlich schnell an, selbst die Klingel mit der Pfote zu berühren, um dafür belohnt zu werden. Die Dauer zwischen Beobachtung und Ausführung der Handlung betrug manchmal nur wenige Minuten. Und je häufiger die Hunde mitgemacht hatten, desto schneller wurden sie darin, nachzumachen, was ihr Mensch vormachte!
Trend zum sozialen Lernen
Was hier von Privatmenschen getestet und viral verbreitet wurde, wird das Herz von Forschenden erfreuen, die sich seit Jahren dem Studium des sozialen Lernens bei anderen Tierarten widmen - so wie Claudia Fugazza. Denn was wir hier sehen konnten, ist im Prinzip nicht viel anders als das, was "Do as I do" möchte - nur auf einem sehr einfachen Level.
Der TikTok-Trend zeigt uns, dass immer mehr Menschen erkennen, wie schnell Hunde lernen, wenn sie sozial motiviert sind - und weil sie so gute Beobachter sind.
Eltern als Vorbild
Innerhalb einer sozial lebenden Tierart ist das soziale Lernen weit verbreitet - besonders zwischen Eltern und Nachwuchs kann man beobachten, wie die Jungen durch Nachahmung neue Handlungen ausführen. Dabei gibt es unterschiedliche Schwierigkeitsgrade von Imitation - es ist ein Unterschied, ob ein Meisenküken von seinen Eltern lernt, wo sich die leckersten Insekten verstecken, oder ob ein Schimpansenkind seine Mutter beim Knacken von Nüssen mit Hilfe von vorher gesammelten Werkzeugen beobachtet und dann selbst beginnt, Steine und Holzstücke als "Hammer und Amboss" einzusetzen. Eine weitere Stufe ist erreicht, wenn zwischen unterschiedlichen Tierarten Informationstransfer via Handlungsimitation stattfindet, wie zum Beispiel zwischen Hund und Mensch.
Auch artübergreifend möglich
Hunde setzen gezielt Signale ein, um uns Menschen zu Handlungen zu bewegen, und sie nutzen unsere körpersprachlichen Hinweise, um sich ein Bild von der Gefährlichkeit oder der Harmlosigkeit von Situationen zu machen. Das schaffen sie sogar schon im Alter von acht Wochen! Da bei so jungen Welpen eine Lernerfahrung ausgeschlossen werden kann, scheinen Hunde über ein genetisch verankertes Talent zu verfügen, schon mit wenigen Lebenswochen unser Verhalten zu lesen und zu deuten.
Da liegt die Vermutung nahe, dass sie auch lernen könnten, abstraktere...