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Grönland ist meine Trauminsel! Atemberaubende Naturlandschaften, die ihresgleichen in der Welt suchen. Der Nordosten Grönlands, der insgesamt 45 Prozent der Gesamtfläche der Insel ausmacht, ist als Naturpark ausgewiesen. Zutritt erhält nur derjenige, der über eine recht umständlich zu beantragende Genehmigung verfügt. Ein paar Wissenschaftler, Angehörige der militärischen Siriuspatrouille - und hin und wieder eine Handvoll Besucher. Wilde, unberührte Natur. Moschusochsen, Eisbären, Walrosse und Polarwölfe leben unbehelligt von irgendwelchen Nachstellungen durch Menschen. Im Meer tummeln sich Wale, deren Bestand erfreulicherweise zugenommen hat. Schutzmaßahmen haben gegriffen, die Tiere konnten sich weitgehend ungestört vermehren. In Ostgrönland gibt es mit Ausnahme der Siedlungen Ittoqqortoormiit und Tasiilaq sowie einiger assoziierter Dörfer keine menschlichen Ansiedlungen. Erst wenn man die Südspitze Grönlands, das Kap Farvel, gerundet hat und die Westküste entlang nach Norden segelt, trifft man immer wieder auf vereinzelte kleine Ortschaften, von denen Nuuk, die Hauptstadt mit ihren 18.000 Einwohnern, die größte ist. Bedingt durch den Golfstrom, dessen Ausläufer an der Westküste für milderes Klima und wärmeres Wasser sorgt, ist es hier vergleichsweise eisfreier als an der Ostküste. Aber auch hier lässt man die Zivilisation schnell hinter sich, sobald man den Ort verlässt. Von den 56.000 Grönländern leben die meisten in den wenigen größeren Orten, der Rest in kleinen, abgelegenen Siedlungen. Ein Straßennetz oder öffentliche Verkehrsmittel gibt es nicht. Das Flugzeug, das nahezu alle Siedlungen verbindet, sowie Boote oder Hundeschlitten bilden das Verkehrsnetz. An einem Platz wie diesem erwartet man zuallerletzt Umweltschäden. Aber es gibt sie. Von den Auswirkungen des Klimawandels einmal abgesehen, der überall in Grönland seine Spuren hinterlässt, gibt es auch andere Zeugnisse eines gedanken- und verantwortungslosen Umgangs mit der Natur. An einem der einsamsten Plätze der Welt! Wenn wir den Wert einer funktionierenden Natur nicht erkennen, wird die Menschheit fortfahren, sie weiter zu zerstören und fortwährend neue Probleme zu generieren. Dazu ein Beispiel:
Es gibt einen Ort, den ich vor einigen Jahren mehr zufällig entdeckt hatte. Berichte über eine alte aufgelassene amerikanische Militärstation mit Namen Bluie East 2 hatten uns mit der DAGMAR AAEN durch gewundene Fjorde und Sunde dorthin geführt. Eine verlassene Militärstation aus dem Jahr 1947 - »Was wird da schon sein?«, fragten wir uns. Ein bisschen Schrott und Ruinen. Was wir dann aber dort vorfanden, traf uns wie ein Blitz aus heiterem Himmel: Ölfässer, so weit das Auge reichte. Einige leer, aber viele immer noch mit Schmierstoffen und sonstigen undefinierbaren Flüssigkeiten gefüllt, die über die Jahrzehnte hinweg eine sirupartige Konsistenz angenommen hatten. Viele Fässer waren geborsten, ihr schmieriger Inhalt sickerte ungehindert ins Erdreich. Wir waren geschockt, hatten damals aber nicht Zeit für längere Recherchen. Ich entschloss mich, irgendwann mit mehr Zeit im Gepäck wiederzukommen. Im Sommer 2019 war es dann im Rahmen der Ocean-Change-Expedition so weit. Bei herrlichstem Sommerwetter gingen wir vor der Station im ostgrönländischen Ikateq-Fjord vor Anker. Um uns herum hohe Bergmassive und in der Sonne schwitzende Eisberge, die träge mit der Tide durch den Sund zogen - ein Idyll. Eigentlich. An Land trat Ernüchterung ein. Ich wusste ja, was uns dort erwartete. Eine baufällige und brüchige Pier, darauf ein rostiger Kran, der früher die Versorgungsgüter gelöscht hatte, rostiger Schrott und vereinzelte leere Fässer, von denen jedes einmal 200 Liter Öl oder Brennstoff beinhaltet hatte. Wir kletterten einen kleinen Abhang hoch und standen auf einer eingeebneten, rund 1.500 Meter langen Landebahn für die amerikanischen Flugzeuge. Die Station war ursprünglich im Jahr 1941 als Luftwaffenstützpunkt gebaut worden. Das Vorland des Gebirges lieferte die gewünschte ebene Fläche. Mittels Planierraupen wurde für die damals noch eingesetzten Propellermaschinen eine brauchbare Piste in der Wildnis geschaffen. Flugzeughangars, Werkstätten, Funk- und Wetterstationen, Wohnbaracken, ein Fuhrpark aus Lastwagen, Dampfkessel für die Energiegewinnung und für die Werkstätten - eine richtige kleine Stadt wurde hier innerhalb weniger Monate in der Wildnis errichtet. Nach dem Krieg verlor die Station rasch an Bedeutung. 1947 war endgültig Schluss. Von einem Tag auf den anderen verließen die Militärangehörigen die Anlage und schifften sich ein - Kurs Heimat. Zurück blieb alles, was nicht ins Reisegepäck passte: aus den Augen, aus dem Sinn. Das harsche Klima Grönlands und die heftigen Winterstürme ließen die Gebäude in den folgenden Jahren einstürzen. Grönländer kamen aus benachbarten Siedlungen, um sich in der verlassenen Station mit Baumaterial für ihre Hütten einzudecken. Der Rest blieb vor Ort - alles, auch die Fässer.
Den ersten Gesamteindruck verschaffte sich unser Kameramann Tim. Er startete seine Drohne, überflog das rund einen Quadratkilometer große Areal und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Da standen diverse Lkw mit geschwungenen Kotflügeln, wie man sie aus alten Filmen kennt. Das ausgebrannte und zusammengefallene Skelett eines Flugzeughangars war zu erkennen, ebenso rostige Dampfkessel, Fundamente von Holzhütten und braune, vom Rost zerfressene Fässer. Nicht hier und dort verstreut, nicht zehn, 20 oder 50 Fässer waren es; es waren buchstäblich überall Fässer, die allesamt drei große Buchstaben auf dem Blechdeckel aufwiesen: USA. Sie waren einzeln, in Reihen abgelegt, zu wilden Haufen aufgetürmt oder fein säuberlich gestapelt. Tausende mussten es sein, wahrscheinlich weit mehr als 10.000, so mutmaßten wir. Wir sollten einer groben Fehleinschätzung unterliegen. Tatsächlich lagern dort rund 190.000 Fässer, wie eine spätere Analyse ergeben hat.
___WÜRDE MAN EINE VERGLEICHBARE UMWELTSÜNDE IN DEN USA ANRICHTEN, GINGE MAN DAFÜR VERMUTLICH INS GEFÄNGNIS
Die Grönländer kennen den Ort natürlich, doch bis heute ist er in keiner Seekarte und keinem Handbuch erwähnt. Einige Menschen in Tasiilaq, der nächstgelegenen großen Siedlung, haben ihre ganz eigene Meinung zum Thema Bluie East 2: Sie wollen, dass mögliche Giftstoffe unbedingt entfernt werden, ansonsten soll der Schrott aber vor Ort bleiben. Die US-Airbase sei eine kulturhistorische Stätte und solle deshalb erhalten bleiben. Für uns durchaus verständlich, gibt es doch bereits so etwas wie einen Bluie-East-2-Tourismus in Tasiilaq: Vereinzelt werden schon Touristen in kleinen Motorbooten zur US-Airbase gefahren, um sich die militärische Schrotthalde anzuschauen. Es ist zumindest eine kleine Einkunftsquelle in der ansonsten von Arbeitslosigkeit geprägten Gemeinde.
Von morgens bis abends erkunden wir das Gelände, nehmen Bodenproben und dokumentieren jedes Detail durch Foto- und Filmaufnahmen. Denn Bluie East 2 - und das ist die gute Nachricht - könnte sich schon bald verändern. Endlich, nach mehr als 70 Jahren, soll hier aufgeräumt werden. Allerdings nicht von den Verursachern. Die hatten sich ihrer Verantwortung schon in den 50er-Jahren entledigt, indem sie mit Dänemark einen Vertrag schlossen, das damals die alleinige politische Hoheit über Grönland ausübte. Einfach ausgedrückt, wurde in dem Vertrag ausschließlich der amerikanische Standpunkt zu Papier gebracht. Frei nach dem Motto: Wir Amerikaner haben euch vor Nazideutschland geschützt, jetzt könnt ihr auch den Müll wegräumen. Dänemark unterschrieb - und tat jahrzehntelang nichts. Erst 2018 wurde ein Vertrag mit Grönland unterzeichnet, der besagt, dass Dänemark bis 2024 insgesamt knapp 26 Millionen Euro zur Verfügung stellt, um die amerikanischen Hinterlassenschaften in Grönland wegzuräumen.
Im Rahmen einer Ausschreibung zur Entsorgung der Fässer von Bluie East 2 wurde eine grönländische Firma namens »60 North« ausgewählt. Eine Mammutaufgabe wartet auf das Unternehmen. Einerseits ist da die gigantische Menge an Material, die abtransportiert werden soll, auf der anderen Seite betrifft es die schwierige Logistik. Zu erreichen ist der ehemalige Luftwaffenstützpunkt nur aus der Luft oder per Schiff und Letzteres auch nur in den eisfreien Sommermonaten Juli und August/ September. Zudem wird schweres Gerät benötigt, da teilweise auch der Boden abgetragen werden muss. In den Fässern wurden offenbar Flugbenzin, Heizöl, Diesel und Schmierstoffe transportiert. Der Boden in der Region könnte umfangreich vergiftet sein. Mit der Schneeschmelze dürften schädliche Stoffe jedes Jahr in den Sund gespült werden. Um das herauszufinden, haben wir Bodenproben genommen. Im Institut für Umweltanalytik im bayerischen Möhrendorf wurden die 34 gesammelten Proben genau analysiert. Glücklicherweise ergaben die Analysen, dass der dauerhaft gefrorene Boden dafür gesorgt hat, dass die Schadstoffe nicht tief ins Erdreich eindringen...
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