Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Kathrin van Busche ist sauer, richtig sauer
Bezirkskriminalinspektion Kiel, 17. 12. um 8.50 Uhr
Die Erste Kriminalhauptkommissarin Kathrin van Busche war hundemüde. Und wütend. Äußerst wütend. Die zweite Nacht hintereinander hoch. Wieder in dieses verfluchte Tarbek. Wieder Tote, diesmal gleich zwei. Richterin und Anwältin. Und Liebig hatte gerade angerufen.
"Ich brauch diese ganzen toten Juristen nicht in meinem Land, nicht in Schleswig-Holstein."
Ach, was. Aber van Busche war auch sauer auf sich selbst. Zweimal ins gleiche Grab. Der hatte sie verarscht. Oder die? Aber wer hätte das wissen können? Der werte Landespolizeidirektor Wolfgang Liebig bestimmt auch nicht. Sie wettete drauf, dass er einen Anruf von Innenminister Franke bekommen hatte. Todsicher. In zehn Minuten war Besprechung. Aus dem kleinen Team wurde nichts. Das Zauberwort hieß SOKO. SOKO Juristenmörder. War zwar nicht kreativ, aber passte ja. Zwei tote Rechtsanwälte, eine tote Richterin. Das war definitiv kein Zufall. Und SOKO kam auch gut bei der Presse an. Das sah nach geplanter Operation aus.
Ferdinand von Rotenstein war 40 Jahre alt, offenbar ein äußerst selbstverliebter Rechtsanwalt. Von Natur aus reich. Kanzlei in Kiel-Düsternbrook. Auf seiner Homepage stand "Der Anwalt für besondere Mandanten". Rotenstein war der wohl bekannteste Strafverteidiger in ganz Norddeutschland. Es gab etliche Presseartikel. Immer nach dem Motto "Star-Anwalt Rotenstein siegt vor Gericht". Er hatte auch seine eigene TV-Show bei RTL. Schlichter Titel: Richter Ferdinand von Rotenstein. Die ersten Befragungen ergaben, dass er sich gerne im Gerichtssaal reden hörte und ihm die Klienten völlig egal waren. Armani-Anzüge, Rolex, Maserati. Er soll zwar seine Mandanten sehr erfolgreich verteidigt haben, doch oft waren die Urteile fragwürdig. Kurzum: Das hörte sich nach einem Juristen-Arschloch an. Hauptsache die Kohle stimmte. Hochmut, Eitelkeit, Übermut. Es war eine Minute vor 9 Uhr.
Die Erste Kriminalhauptkommissarin betrat den Konferenzraum, der seit der Renovierung des alt ehrwürdigen Gebäudes deutlich vergrößert worden war, und blickte in die Gesichter ihres Teams. Meyer, Scholz, Wilhelm, Ludwig, Christiansen und der Forensiker Hinrichs gehörten quasi zur inneren Mannschaft. Käppner als Polizeipsychologe vom LKA hatte sofort großes Interesse gezeigt und saß ebenfalls am großen, runden Holztisch. Ergänzt wurde der Kreis von vier Kolleginnen und Kollegen aus anderen Dezernaten, die gerade Personal entbehren konnten oder mussten. Die Namen wollte van Busche sich Laufe der Sitzung merken. Sogar Kap-Staatsanwalt Walter, der als ausgesprochener Misanthrop und Schreibtischtäter bekannt war, hatte sich in die "Blume" bemüht. Schlussendlich musste die Kommissarin zweimal hinschauen, als ihr klar wurde, dass Kriminalobermeister Aslan ebenfalls mit am Tisch saß.
"Was machen Sie denn hier?", fragte van Busche völlig überrascht, aber nicht unfreundlich den kleinen zappeligen Deutsch-Türken.
Der grinste wie ein Sechzehnjähriger nach seinem ersten Date und entgegnete, "Hallo Frau Hauptkommissarin. Segeberg hat so viel mit dem Brand in der Asylbewerberunterkunft zu tun und Ihr Chef wollte unbedingt nen Ortskundigen in der SOKO haben. Et voilà, hier bin ich."
Die Kommissarin schluckte, machte eine einladende Geste und nahm sich vor, mal mit Liebig über die Zusammenstellung ihrer SOKO zu reden. Sie hatte nichts gegen Aslan, ganz im Gegenteil, sie fand ihn recht helle, aber sie wollte doch gerne vorher gefragt oder zumindest informiert werden.
"Okay", eröffnete van Busche die Sitzung, "fangen wir an. Kaffee ist genug da. Ich hoffe, Infos auch. Niels, was sagen Forensik und Gerichtsmedizin? Du hast doch auch mit Leiendecker von der Pathologie gesprochen."
Der schmächtige Leiter der kriminaltechnischen Abteilung ergriff das Wort und wie immer mussten einige grinsen, als sie die piepsige Stimme von Hinrichs hörten.
"Leiendecker bestätigt, was wir auch schon vor Ort festgestellt haben. Alle wurden erhängt. Dabei wurde ihnen nicht das Genick gebrochen, was bedeutet, dass sie entweder langsam hochgezogen wurden oder es keine große Fallhöhe gab. Durch die Kompression der arteriellen Gefäße trat nach etwa sechzig Sekunden die Bewusstlosigkeit ein, der Hirntod nach spätestens zehn Minuten. Die Messerstiche waren alle ins Herz platziert und mit großer Kraft ausgeführt, aber eindeutig post mortem. Es war kaum Blut an den Wunden zu finden. Ansonsten wiesen alle kleine Hämatome auf, wie sie nach einem Sturz auftreten. Vielleicht wurden sie zu Fall gebracht oder es gab Kämpfe. Das untersucht er noch genauer, macht uns aber wenig Hoffnung, da brauchbare Spuren zu finden. Die Messer konnten wir schon zuordnen. Eindeutig IKEA. Ein dreiteiliges Set mit drei unterschiedlichen Größen. Massenware. Klug gewählt würde ich sagen."
Hinrichs blätterte in seinen Unterlagen, während in der Runde ein Gemurmel losbrach. Etwas irritiert blickte der Forensiker auf und räusperte sich.
"Ich bin noch nicht fertig." Dabei schaute er wie ein Lehrer, der seine Klasse mal wieder tadeln wollte.
"Der Schnee hatte Vor- und Nachteile. Es gab Reifenspuren von Winterreifen der Marke Goodyear. Aufgrund der Größe eher ein schwereres Fahrzeug. Wahrscheinlich ein Kombi oder SUV, was ja auch Sinn ergibt, wenn man zwei Leichen auf einmal transportieren möchte. Ich habe die Fotos der Spuren für alle hochgeladen, falls ihr sie benötigt. Fußspuren gab es jede Menge vom Förster Lichtrein und dem Kollegen Aslan."
Wieder glitt sein Blick tadelnd über die Runde und blieb bei dem kleinen Zappelphilipp hängen, der plötzlich ganz ruhig war.
"Wir haben aber unter dem Neuschnee noch Abdrücke gefunden, die von einem Wanderschuh kommen könnten. Da sind wir noch dran. Am zweiten Abend muss er sich Tüten oder Ähnliches über die Schuhe gezogen haben. Das sah mehr nach einer Rutschpartie aus. Da es wiederum der Förster war, der die Leichen gefunden hat, können wir fast ausschließen, dass mehr als eine Person beteiligt war. Eine erstaunliche Leistung, wenn man das Gewicht der Rechtsanwältin in Betracht zieht. Wir haben noch nicht alles ausgewertet, aber es sah nicht so aus, als ob irgendwas Frisches unter den Spuren war."
Hinrichs lehnte sich als Zeichen, dass er vorerst fertig war, zurück.
Van Busche ergriff wieder das Wort.
"Was gibt's zu den Toten? Rotenstein ham wir ja gestern schon besprochen. Was habt ihr zu den zwei Frauen?" Sie blickte Meyer und Wilhelm an, die das noch in der Nacht übernommen hatten.
Kriminaloberkommissar Thomas Meyer, der van Busche immer den Rücken stärkte und sie auch vertrat, machte eine kurze Geste mit dem rechten Arm und zeigte zu Sven-Uwe Wilhelm. Der ehemalige Zivilfahnder hatte seine langen Haare wieder zum Zopf gebunden.
"Also, die Richterin und die Verfahrensbeiständin haben beim Amtsgericht Hamburg wohl immer zusammengearbeitet. Das war Mauschelei pur, es ging um Sorgerechtsfälle", erklärte Wilhelm.
"Da ist ein klarer Zusammenhang und es gibt auch ein mögliches, eindeutiges Motiv."
Kathrin van Busches Augen leuchteten vor Glück. Sofort ein Motiv, das gab es doch gar nicht.
"Schieß los!"
Wilhelm, der seine zahlreichen Piercings im Gesicht im Dienst nicht tragen durfte, machte eine kleine Pause und genoss die Spannung in der Runde.
"Es gab jede Menge Zoff um die beiden, da sie wohl Väter klar benachteiligten. Etliche Befangenheitsanträge, Abberufungsanträge, sogar drei Strafanzeigen wegen Rechtsbeugung - immer von Vätern, denen das Sorgerecht entzogen wurde."
Im Gehirn der Chefin der SOKO begann ein Zukunftsfilm zu laufen. Alle Fälle raussuchen und überprüfen - dann hat man den Täter, einen verbitterten Vater aus Hamburg.
"Es passt aber der Mord des Kieler-Star-Anwaltes nicht dazu", ergänzte Meyer.
"Der hatte nichts mit Familienrecht zu tun. Vielleicht war's nur ne Nachahmungstat. Also zwei Täter." Wilhelm meinte, dass das Vorgehen der Richterin Salz skandalös gewesen sei.
"Einmal landete ein Fall vor den BGH wegen Rechtsbeugung und es war klar, dass sie den Richterjob los war und für ein bis fünf Jahre in den Knast muss."
Van Busche war erstaunt.
"Und wieso saß die nicht ein? Das ist doch ein Verbrechen, oder?"
Meyer räusperte sich.
"Es war wohl eindeutig, aber der BGH hat die Gefängnisstrafe abgelehnt - wegen angeblicher Verfahrensfehler. Die Akten waren verschwunden."
Van Busche schüttelte den Kopf. Sie hatte vom Justizfilz schon einige unglaubliche Geschichten gehört, aber das. Unfassbar! Keine Richter-Krähe hackt der anderen ein Auge aus.
"Thomas, was sagst du zu der Geschichte, auch wenn sie noch so frisch ist?"
Die Hauptkommissarin duzte den äußerst fähigen Polizeipsychologen, der ihnen schon öfter geholfen hatte. Der zuckte mit den Achseln.
"Dass die Taten im Zusammenhang stehen, dürfte allen klar sein - auch wenn Rotenstein nix mit Sorgerechtsfällen am Hut hatte. Die Messer in der Brust, dazu mit großer Kraft ausgeführt und den quasi festgenagelten Eiden sprechen von Wut, einer großen Wut. Rache wäre sicherlich ein gutes Motiv. Ob persönlich oder exemplarisch müsst ihr herausfinden. Den gleichen Ort zweimal zu benutzen, spricht von Kaltschnäuzigkeit und Cleverness, egal ob es ein oder zwei Täter waren. Sucht weiter nach einer möglichen Verbindung zwischen den Toten, das kann helfen, muss aber nicht. Er oder sie wollen auf jeden Fall beachtet werden."
Käppner sah unzufrieden...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.