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Kordofan
Vier Meleks, Könige, regierten in dem großen Reiche, der eine in Nubien, der zweite in Habesch, der dritte in Kordofan, der vierte in For.
Der reichste von ihnen war der Nap von Naphta in Kordofan, dessen Hauptstadt in der Richtung von Hophrat-en-Nahas lag. Er war der Besitzer von allem Gold und Kupfer. Sein Gold und sein Kupfer wurden nach Nubien gebracht und von den großen Königen aus dem Westen geholt. Von Osten her kamen Gesandte auf Schiffen über das Meer, und im Süden herrschte der König über viele Völker, die für ihn Waffen aus Eisen schmiedeten und Sklaven sandten, die zu tausenden am Hofe des Nap lebten.
Der Nap von Naphta war der reichste Mann auf der Erde. Sein Leben aber war das traurigste und kürzeste unter allen Menschen. Jeder Nap von Naphta durfte nämlich nur eine Reihe von Jahren sein Land regieren. Während seiner Regierung beobachteten jeden Abend die Priester des Landes die Sterne, brachten Opfer dar und entzündeten Feuer. Keinen Abend durften sie mit ihren Gebeten und ihren Opfern aussetzen, sonst verloren sie den Weg eines Sternes aus den Augen und wussten dann nicht, wann nach ihrer Vorschrift der König getötet werden musste. So ging dies eine lange Zeit hindurch. So sahen einen Tag nach dem andern, jahraus jahrein, die Priester nach den Sternen und erkannten den Tag, an dem der König getötet werden musste.
Einmal war wieder der Tag des Todes eines Königs. Den Stieren waren die Hinterschenkel durchschlagen. Alle Feuer im Lande waren erloschen. Die Frauen waren in den Häusern eingeschlossen. Die Priester entzündeten das neue Feuer. Sie riefen den neuen König. Der neue König war der Sohn der Schwester des soeben Getöteten. Der neue König hieß Akaf; dieser war es, unter dessen Regierung die alten Einrichtungen des Landes geändert wurden. Das Volk aber sagt, dass diese Änderung der Grund des späteren Unterganges von Naphta war.
Die erste Handlung, die ein neuer Nap vorzunehmen hatte, war, zu bestimmen, wer ihn auf seinem Todeswege seiner Zeit zu begleiten hatte. Der Nap wählte diese unter den Liebsten seiner Umgebung. Er musste vor allem den ersten bestimmen, der der Führer der andern war. Nun hatte vor einiger Zeit ein König aus dem fernen Osten über das Meer her an den Hof von Naphta einen Mann gesandt, der berühmt war durch die Geschicklichkeit, Geschichten zu erzählen. Dieser Mann hieß Far-li-mas. Far-li-mas war so gerade als Sklave an den Hof des Nap gekommen. Der König Akaf hatte ihn gesehen. Far-li-mas gefiel dem König Akaf. Der König Akaf sagte: »Dieser soll mein erster Begleiter sein. Er wird mich in der Zeit bis zu meinem Ende durch seine Geschichten unterhalten. Er wird mich auch nach dem Tode froh machen.«
Als Far-li-mas hörte, was der König beschlossen hatte, erschrak er nicht. Er sagte bei sich nur: »Gott will es.«
In Naphta war damals der Brauch, dass ein ständiges Feuer unterhalten wurde, so wie heute noch in entlegenen Orten von For. Die Priester bestimmten zur Unterhaltung dieses Feuers stets einen Burschen und ein Mädchen. Die mussten das Feuer hüten und ein keusches Leben führen. Auch diese beiden wurden getötet, aber nicht mit dem König, sondern bei der Entzündung des neuen Feuers. Als nun das neue Feuer für den König Akaf entzündet wurde, bestimmten die Priester die jüngste Schwester des neuen Königs zur Hüterin des Feuers. Ihr Name war Sali. Als Sali hörte, dass die Wahl auf sie gefallen war, erschrak sie. Denn Sali hatte große Angst vor dem Tode.
Eine Zeitlang lebte der König glücklich und in großer Freude; denn er genoss die Reichtümer und Herrlichkeiten seines Landes; jeden Abend verbrachte er mit Freunden und mit Fremden, die als Gesandte in das Land Naphta gekommen waren. Eines Abends aber sandte Gott ihm den Gedanken, dass er mit jedem der fröhlichen Tage um einen Tag dem sicheren Tode näher gekommen war. Der König erschrak. Der König versuchte den Gedanken fortzuwerfen. Der König vermochte es nicht. Der König Akaf ward sehr traurig. Da sandte Gott ihm den zweiten Gedanken, Far-li-mas kommen und sich eine Geschichte erzählen zu lassen.
Far-li-mas wurde gerufen. Far-li-mas kam. Der König sagte: »Far-li-mas, heute ist der Tag gekommen, an dem du mich erheitern sollst. Erzähle mir eine Geschichte.« Far-li-mas sagte: »Die Ausführung ist schneller als der Befehl.« Far-li-mas begann zu erzählen. - Der König Akaf hörte. Die Gäste hörten. Der König und die Gäste vergaßen zu trinken. Sie vergaßen zu atmen. Die Sklaven vergaßen die Bedienung. Sie vergaßen zu atmen. Far-li-mas' Erzählung war wie Haschisch. Als er geendet hatte, waren alle wie von einer wohl tuenden Ohnmacht umfangen. Der König Akaf hatte seinen Gedanken an den Tod vergessen. Keiner der Anwesenden hatte gemerkt, dass Far-li-mas vom Abend bis zum Morgen erzählt hatte. Als die Gäste von dannen gingen, war die Sonne aufgegangen.
Am andern Tage konnten der König Akaf und seine Gäste kaum die Abendstunde erwarten, in der Far-li-mas eine Geschichte erzählen würde. Jeden Tag musste Far-li-mas erzählen. Die Nachricht von den Märchen des Far-li-mas verbreitete sich am Hofe, in der Hauptstadt, im Lande. Far-li-mas aber erzählte in jeder Nacht besser. Der König schenkte ihm jeden Tag ein schönes Kleid, die Gäste und Gesandten schenkten ihm Gold und edle Steine. Far-li-mas ward reich. Wenn er durch die Straßen ging, folgte ihm ein Zug von Sklaven. Das Volk liebte ihn. Das Volk begann die Brust vor ihm zu entblößen.
Die Nachricht von den wunderbaren Erzählungen des Far-li-mas drang überall hin. Auch Sali hörte davon. Sali sandte zu ihrem Bruder, dem König, und bat ihn: »Lass mich einmal den Erzählungen des Far-li-mas zuhören.« Der König antwortete: »Erfüllung geht dem Wunsche voran.« Sali kam. Sali wollte die Erzählung hören. Far-li-mas sah Sali. Far-li-mas verlor für einen Augenblick die Sinne. Far-li-mas sah nichts als Sali. Sali sah nichts als Far-li-mas. Der König Akaf sagte: »Warum erzählst du nichts? Weißt du nichts mehr?« Far-li-mas riss die Blicke von Sali und begann zu erzählen. Far-li-mas' Erzählung war erst wie Haschisch, der eine leichte Betäubung hervorruft, dann aber wurde seine Erzählung wie Haschisch, der die Menschen durch Ohnmacht zum Schlafen führt. Nach einiger Zeit entschlummerten die Gäste, entschlummerte der König Akaf. Sie hörten die Erzählung nur noch im Traum, bis sie völlige Entrückung erfüllte. Nur Sali blieb offenen Auges. Ihre Augen hingen an Far-li-mas. Ihre Augen nahmen Far-li-mas ganz in sich auf. Sali war ganz erfüllt von Far-li-mas.
Als Far-li-mas geendet hatte, erhob er sich. Sali erhob sich. Far-li-mas ging auf Sali zu. Sali ging auf Far-li-mas zu. Far-li-mas umfing Sali. Sali umschlang Far-li-mas und sagte: »Wir wollen nicht sterben.« Far-li-mas lachte in Salis Augen und sagte: »Der Wille ist bei dir. Zeige mir den Weg.« Sali sagte: »Lass mich jetzt. Ich suche den Weg. Wenn ich den Weg gefunden habe, rufe ich dich.« Sali und Far-li-mas trennten sich. Der König und seine Gäste schliefen.
Am andern Tage ging Sali zu dem ersten Priester und sagte: »Wer bestimmt den Zeitpunkt, in dem das alte Feuer gelöscht und ein neues entzündet wird?« Der Priester sagte: »Das bestimmt Gott.« Sali fragte: »Wie teilt euch Gott seinen Willen mit?« Der Priester sagte: »Wir betrachten jeden Abend die Sterne. Wir verlieren sie nie aus den Augen. Wir sehen den Mond jede Nacht und wissen von einem Tag zum andern, wie jener Stern zum Mond oder vom Monde weggeht. Daraus wissen wir die Stunde.« Sali sagte: »Jede Nacht müsst ihr das tun? Was geschieht denn, wenn ihr in einer Nacht nichts gesehen habt?« Der Priester sagte: »Wenn eine Nacht nichts zu sehen ist, müssen wir Opfer darbringen. Wenn wir viele Nächte hindurch nichts sehen würden, könnten wir uns nicht zurecht finden.« Sali sagte: »Könntet ihr dann nicht mehr den Zeitpunkt des Feuerlöschens erfahren?« Der Priester sagte: »Nein, dann könnten wir nicht mehr tun, was unseres Amtes ist.«
Sali sagte: »Gottes Werke sind groß. Das größte ist aber nicht seine Schrift am Himmel. Sein größtes ist das Leben auf der Erde. Ich habe es vorige Nacht erkannt.« Der Priester sagte: »Was meinst du?« Sali sagte: »Gott gab Far-li-mas die Gabe zu erzählen, wie solches noch nie geschehen ist. Das ist größer als die Schrift am Himmel.« Der erste Priester sagte: »Du hast unrecht.« Sali sagte: »Den Mond und die Sterne kennst du. Hast du denn aber auch die Erzählungen des Far-li-mas gehört?« Der Priester sagte: »Nein, ich habe sie nicht gehört.« Sali sagte: »Wie kannst du denn ein Urteil aussprechen? Ich sage dir, dass auch ihr alle beim Zuhören vergessen werdet, nach den Sternen zu sehen.« Der erste Priester sagte: »Schwester des Königs, du behauptest.« Sali sagte: »So beweise mir, dass ich unrecht habe, dass die Schrift am Himmel größer und stärker ist als das Leben auf der Erde.« Der Priester sagte: »Ich werde es beweisen.«
Der erste Priester sandte zum König Akaf und ließ ihm sagen: »Erlaube den Priestern, heute Abend in dein Schloss zu kommen und den Erzählungen des Far-li-mas vom Untergang der Sonne bis zum Aufgang der Sonne zuzuhören.« Der König Akaf antwortete: »Es ist mir recht.« Sali sandte zu Far-li-mas und ließ ihm sagen: »Heute musst du erzählen wie gestern. Das ist der Weg.«
Als es Abend war, versammelte der König Akaf seine Gäste und die Gesandten. Sali kam und setzte sich zu ihm....
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