Schweitzer Fachinformationen
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»Können Sie nicht wenigstens ein einziges Mal etwas richtig machen?! Ich kann doch nicht für alle hier das Kindermädchen spielen!«, ruft Achim Bohn. Er dreht sich um und stürmt aus dem Zimmer. Katja Herrmanns, seine Assistentin, sitzt noch fünf Sekunden später wie erstarrt hinter ihrem Bildschirm, als Martin Dampf den Kopf zur Tür reinsteckt: »Was war das denn gerade?«
»Eine kleine Detonation?«, zuckt die Assistentin mit den Schultern.
Martin Dampf runzelt die Stirn: »Schon wieder?«
Er überlegt kurz und geht dann über den Flur zu Bohns Büro. Die beiden Männer sind Kollegen: Dampf ist Geschäftsführer Vertrieb, Bohn Geschäftsführer Immobilien für die große Einzelhandelskette KÖNIGSKAUF. Beide sind Anfang vierzig, beide haben ihre Positionen seit gut einem Jahr inne und verstehen sich persönlich sehr gut. Dampf klopft an die verschlossene Bürotür und betritt nach einem scharfen »Herein!« den Raum.
Er zieht die Tür hinter sich zu: »Achim? Alles okay bei dir?«
»Na klar, was soll schon sein?« Bohn hat sich hinter seinem Schreibtisch verschanzt und schaut finster auf seinen Laptop.
Dampf zieht sich einen Stuhl heran, setzt sich und atmet tief durch. »Achim - alles okay?«, fragt er erneut.
»Natürlich nicht!«, poltert dieser. »Katja sollte mir bis 14 Uhr die Unterlagen für unser GF-Meeting morgen vorbereiten. Gerade rückt sie damit heraus, dass ihr dazu noch wichtige Informationen von mir fehlen. Schau auf die Uhr: Es ist 13.30 Uhr, sie wird es bis 14 Uhr nicht fertig haben. Das wirft mir meinen ganzen Zeitplan um. Ich hätte erwartet, dass sie das früher merkt - und nicht erst eine halbe Stunde vorher!«
»Ah ja ... und das war der wievielte Fehler in einer wie langen Kette von Fehlern?«, fragt Dampf vorsichtig und fügt hinzu: »Ich dachte immer, Katja wäre solch eine Spitzenkraft - aber vorhin hörte sich das ganz anders an?«
»Ist sie ja auch! Aber sie hat schon letzte Woche vergessen, mich noch einmal an meinen Termin mit Theo Hendricks vom Lager Mürzhausen zu erinnern, so dass ich dort zu spät gekommen bin! So geht das einfach nicht!«
Dampf fragt sich, wer hier wessen Kindermädchen zu sein scheint, aber er unterdrückt den entsprechenden Kommentar. Stattdessen fasst er zusammen: »Verstehe ich das richtig - du hast Katja vorgestern einige Informationen nicht gegeben, und ihr Fehler war, dass sie das nicht direkt bemerkt hat? Außerdem hast du neulich einen Termin verpennt, und Katjas Fehler war, dass sie dich nicht nochmal erinnert hat? Das war der Grund für deinen Ausbruch gerade?«
Bohn runzelt die Stirn: »Nein ... ja, schon, aber ... das war nicht der eigentliche Grund. Zurzeit geht einfach alles schief .« Er stockt.
»Verstehe - und an allem, was schiefgeht, ist Katja schuld? Dieses professionelle Feedback musstest du ihr jetzt mal in aller Gelassenheit geben?«, hakt Dampf nach.
»Du gehst mir manchmal echt auf den Zeiger mit dieser Kreuzverhörmasche«, faucht Bohn seinen Kollegen an. Dampf schaut ihn nur an, Bohn windet sich auf seinem Stuhl, dann sagt er leise: »Du hast ja recht - Katja ist nicht an allem schuld, im Gegenteil. Und ich war gerade eben auch nicht ruhig und professionell.«
»Jetzt, wo du das so offen sagst, fällt es mir auch auf.« Dampf grinst ihn an, wird dann rasch wieder ernst. »Also, Achim, was ist los mit dir? Wenn ich das als Flurnachbar und als freundschaftlich verbundener Kollege sagen darf: Das war nicht deine erste Explosion in den letzten Wochen; es war auch nicht deine zweite. Wenn es in deiner Nähe gerade mal nicht knallt, dann sieht man dich nicht mehr bei den Leuten. Du scheinst dich in deinem Büro zu verkriechen. Das macht mir Sorgen.«
Bohn ist lange still. Er schenkt sich Wasser ein, bietet auch Dampf etwas an, beide trinken schweigend. Schließlich seufzt er: »Ich mache mir selbst auch Sorgen. Ich fand es so toll, diese GF-Position zu erreichen. Karriere, Status, Kohle - und Macht! Endlich etwas bewegen zu können! Aber momentan sehe ich um mich herum nur Baustellen. Von oben kommen ständig neue Instruktionen, die wissen gefühlt seit letztem Jahr nicht mehr, was sie wollen. Meine Mitarbeiter reagieren logischerweise schon längst voller Missmut auf das Chaos, und ich hänge dazwischen. Schließlich muss ich ja den Zickzackkurs offiziell unterstützen und täglich verkaufen. Dadurch wird auch die Abstimmung mit den Partnern belastet: Mit den hausinternen, denen es jeweils ähnlich geht, und den externen, die uns bald einen Vogel zeigen werden. Alles kostet doppelt so viel Zeit und doppelt so viel Kraft wie nötig!«
»Das kommt mir sehr bekannt vor«, nickt Martin Dampf und frotzelt: »Aber ist es nicht undankbar, dass du dich als Geschäftsführer Immobilien über Baustellen beschwerst ...?«
Postwendend fliegt die leere Plastikflasche gegen seinen Kopf, während der andere grinsend die Faust schüttelt: »Wenn du glaubst, so könntest du mich aufmuntern!«
Dampf duckt sich. »Sorry, es war einen Versuch wert. Du weißt, ich sitze mit meiner Truppe im gleichen Boot. Im Vertrieb ist der tägliche Wandel zwar normaler, wir sind das kaum anders gewohnt - aber die ständigen Widersprüche der letzten Zeit lassen sich der Mannschaft tatsächlich kaum noch verkaufen.«
»Wie kommst du denn damit klar?«, fragt Achim Bohn.
»Ach, weißt du, meine Frau ist Psychologin und Coach, die baut mich abends wieder auf«, lacht Dampf und ergänzt, »Nee, Quatsch: Meistens möchte ich nicht auch noch abends über die Arbeit reden - aber manchmal, wenn ich merke, dass ich sowieso nicht abschalten kann, bespreche ich bestimmte Dinge mit ihr. Wir achten dann beide darauf, dass ich mich nicht nur auskotze, sondern dass wir gemeinsam nach Lösungen suchen. Das hat mir schon einiges gebracht.«
»Wirklich? Kennt sie sich denn im Handel aus?«
»Nein, aber mit Menschen.«
Martin Dampf überlegt kurz und streckt dann seine Arme offen vor sich aus, Handflächen nach oben: »Wenn du magst, Achim, dann rede ich mal mit ihr. Sie kennt eine Menge Leute.«
»Ich brauche doch keinen Psychotherapeuten!«, fährt Bohn stirnrunzelnd auf.
»Darum geht's nicht. Ich würde zwar sagen, dass du ziemlich fertig bist ...«
»Vielen Dank auch!«
»... aber ich denke nicht, dass du krank bist. Ich denke einfach, du hast dich hier so reingehängt, du hattest so viel Power und Energie am Anfang - es wäre total schade, wenn du dich von der aktuellen Situation kaputtmachen ließest!«
»Glaubst du echt, dass so ein Coaching etwas bringt?«, überlegt Bohn. Dampf zögert, dann meint er: »Mir hat ein Kollege von ihr vor einigen Jahren in einer einzigen Coachingstunde mehr über Mitarbeiterführung gezeigt, als ich in den fünf Jahren zuvor als Führungskraft in all den Seminaren gelernt habe. Mehr kann ich dir dazu nicht sagen - deine Situation heute ist anders gestrickt als meine Lage damals.«
»Du kannst sie ja mal ansprechen«, gesteht Bohn schließlich zu, und Martin erhebt sich.
»Sehr gerne!«
»Danke, dass du reingekommen bist!«, sagt Bohn noch, als die Tür schon fast geschlossen ist.
»Achim geht's gerade gar nicht gut«, erzählt Martin Dampf am Abend seiner Frau. Er schildert sein Gespräch in Bohns Büro.
»Klingt wirklich nicht gut«, kommentiert Hannah am Ende. »Ich schätze, er befindet sich seit längerer Zeit dick im Stress. So wie sich das anhört, steht er sogar kurz vor einem üblen Burn-out.«
»So was gibt's wirklich?«, fragt Martin. »Ich dachte, das sei so ein neumodischer Kram? Wer in der heutigen Arbeitswelt nicht über Stress klagt und mal ein paar Wochen >Burn-out hatte<, kommt in den Ruf, nicht genug zu arbeiten?«
Hannah Dampf lacht. »Mein Lieber, wenn dich ein Burn-out erst mal erwischt hat, dann kommst du da nicht in ein paar Wochen wieder heraus! Es dauert im Allgemeinen einige Jahre, bis man drinsteckt - entsprechend dauert es auch viele Monate, um wieder herauszukommen. Das ist Physik.«
»Wie, Physik? Du meinst, Psychologie?«
»Ja, im Prinzip schon, es ist Psychologie, eigentlich sogar schlichte Biologie. Aber bildlich gesprochen ist das, was da passiert, Physik: Du kannst einen Menschen im Burn-out mit einem Akku vergleichen - und zwar mit einem Akku, der tiefenentladen wurde. Wer ein Burn-out-Syndrom erleidet, hat seiner inneren Batterie über viele Monate täglich mehr Power entnommen, als er ihr abends wieder zuführen konnte - irgendwann ist sie komplett leergesaugt. Dann gilt: Wenn sie so absolut leer ist, braucht sie sehr lange, bis sie wieder auf ein vernünftiges Level geladen werden kann.«
»Ich ahne, was du meinst. Also ist Burn-out etwas, was Schwächlinge bekommen? Leute, die der täglichen Härte nicht gewachsen sind und schlappmachen? Achim ist aber das Gegenteil von einem Schwächling, das passt nicht!«, überlegt Martin Dampf. »Woher nimmst du denn die Idee, dass es Schwächlinge trifft - was auch immer das sein sollte? Das Gegenteil trifft zu, lieber Martin: Du musst ja erst mal Power haben, um über Monate täglich alles zu geben! Wer jeden Tag entspannt zur Arbeit trabt, dort alles gemütlich angeht, die Verantwortung gern bei anderen sieht und immer pünktlich Feierabend macht - der hat nur...
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