Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Die Einschätzung der verschiedenen medizinischen Heilsysteme ist in der Bevölkerung recht asymmetrisch. Das Wort Schulmedizin hat keinen allzu guten Ruf, steht es doch für eine kalte, gewinnorientierte und nebenwirkungsreiche Apparatemedizin, für die Patienten nur Nummern sind, die am Fließband abgefertigt werden. Schulmediziner gefährden das Leben ihrer Patienten, indem sie zu viele chemische Medikamente verschreiben, zu viel operieren und in der Behandlung zu viele Fehler machen - so die Einschätzung. Zu ihr gehört auch die Gewissheit, dass im Hintergrund Big Pharma die Fäden zieht, an denen kranke Menschen wie Marionetten manipuliert werden. Was an dieser Bewertung auch tatsächlich stimmen mag: die Schulmedizin hat ein Imageproblem. Das wird noch dadurch verstärkt, dass es scheinbar eine »bessere Alternative« zur Schulmedizin gibt: die Alternativmedizin.
Alternative und komplementärmedizinische Verfahren werden von der Mehrzahl der Bevölkerung in einem ganz anderen Licht gesehen. Ob Pflanzenheilkunde, Homöopathie, Anthroposophische Medizin, chinesische Medizin, Osteopathie oder Yoga: Sie alle gelten als ganzheitlich, sanft und frei von Nebenwirkungen. Hier nimmt man sich Zeit und kümmert sich auch um Geist und Seele der Patienten. Alternativmedizin kann selbst dann noch helfen, wenn die Schulmedizin versagt. Krasser könnte die gegensätzliche Einschätzung von Schul- und Alternativmedizin nicht sein. Doch diese unterschiedlichen Bilder sind eigentlich Karikaturen, holzschnittartig vereinfachte Darstellungen einer viel komplexeren Situation. Feder oder Pinsel führt dabei meist das Gefühl, nur bedingt der Verstand.
Die allermeisten, die die Schulmedizin kritisieren, sind froh, wenn sie bei einem medizinischen Notfall umfassend und kompromisslos schulmedizinisch versorgt werden. Unzählige Menschen verdanken der modernen Notfallmedizin ihr Leben. Dank hochentwickelter Medizintechnik können kaum mehr gehfähige Arthrosekranke sich wieder schmerzfrei bewegen, gewinnen Beinamputierte in den Sprintwettbewerben bei den Paralympics Goldmedaillen und werden Taube wieder hörfähig. Die deutliche Steigerung der Lebenserwartung in den letzten Jahrzehnten ist zu einem großen Teil den Leistungen der modernen Schulmedizin zu verdanken. Man muss schon ideologisch verblendet sein, um dies alles zu ignorieren - oder aber von der Schulmedizin traumatisiert.
Ja, Schulmedizin kann nicht nur heilen, sie kann auch Wunden schlagen, unblutige, da im Seelischen verborgene. Sie wurden nicht mit dem Skalpell gesetzt, sondern durch Empathiemangel, durch Verdinglichung der Person des Kranken, durch den Ersatz von ärztlicher Wertschätzung durch Pillen, Apparate und eine Fließbandtherapie auf höchstem wissenschaftlichem Niveau. All das begann, als man das Wort Heilkunst durch den Begriff der Heilkunde ersetzte, als das Heilen nicht mehr als eigentlich kreativer und zutiefst individueller Dienst des Menschen am Menschen verstanden wurde, sondern als rein rationale Wissenschaft, die man bedenkenlos den Naturwissenschaften zuordnen konnte. Menschen scheinen diese Verschiebung in der Zuordnung instinktiv wahrzunehmen, insbesondere, wenn sie zu Patienten geworden sind. Dann spüren sie, dass sich hier etwas Grundlegendes verändert hat, das der Medizin als Ganzes nicht guttut. Und dann gehen auch solche zum Handaufleger, die bisher alles Alternative in der Medizin als Scharlatanerie und Humbug verdammt haben. Inkognito und bei Nacht und Nebel, aber sie gehen. Denn Kranke suchen Heilung wie der Gebirgsbach das Tal.
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Patienten bei Alternativmedizinern Linderung oder gar Heilung finden können, die ihnen die Schulmedizin nicht geben konnte. Das Vertrauen in medizinische Alternativen kann aber auch Gefahren mit sich bringen, dann nämlich, wenn es zu einer Glorifizierung dieser unkonventionellen Angebote führt - und zu einer unkritischen Hinwendung zu alternativen Heilverfahren, mit einer gleichzeitigen Abkehr von der Schulmedizin. In einer solch extremen Weise werden das sicher nur wenige Menschen tun, doch die potenzielle Gefahr hierfür besteht durchaus, und daher sollte das Problem auch klar benannt und offen diskutiert werden. Überzeugte Verfechter der Naturmedizin wehren Kritik aber nicht selten schroff ab und wittern dahinter unlautere Beweggründe. Doch so einfach darf man es sich nicht machen.
Selbstkritik ist nicht Zeichen von Schwäche. Aber Selbstkritik ist nicht jedermanns Sache. Selbstkritik bringt Zweifel und Verunsicherung mit sich. Eigene Überzeugungen könnten ins Wanken geraten und die so wichtige »Sicherheit im Denken« gefährden. Wer diese Gefahr in Kauf nimmt und bereit ist, notfalls auch bisherige Grundsätze zu hinterfragen oder gar zu revidieren, beweist nicht nur Mut, sondern Demut - intellektuelle Demut nämlich, die von der Gewissheit ausgeht, dass all unser Wissen vorläufig und niemals absolut und »in Stein gemeißelt« ist. Die gegenwärtig immer lauter werdende Kritik an alternativen Heilverfahren sollte also zunächst einmal offen angenommen und auf ihre Stichhaltigkeit überprüft werden. Nicht wenige Vertreter der Alternativmedizin wagen diesen Schritt aber gar nicht, und sind noch immer in einem panischen Abwehrreflex gefangen. Was natürlich auch verständlich ist: Wenn uns schon Gefahr von außen droht, weshalb sollen wir auch noch Selbstzweifel in uns säen? Wer aber vor Selbstzweifeln Angst hat und vor ihnen flieht, hat wohl auch einen Mangel an Selbstvertrauen. Vielleicht auch zu wenig Vertrauen in die eigenen Methoden?
Dabei ist die Angst der Freunde von Globuli & Co. eigentlich gar nicht begründet. Wer den Totstellreflex überwindet und nüchtern die Darlegungen der Gegner der Alternativmedizin abklopft, wird schnell merken: So solide und wissenschaftlich fundiert ist deren argumentatives Fundament gar nicht. Was vernünftig klingt, muss vernünftig nicht sein. Und was an der Kritik tatsächlich rational und nachvollziehbar ist, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen manchmal gar nicht als Argument gegen die Alternativmedizin. Dass es in dieser mitunter Scharlatane gibt, die haltlose Heilsversprechungen machen, ist nicht hinnehmbar und es muss gegen sie vorgegangen werden. Aber verläuft die Demarkationslinie zwischen Scharlatanerie und ethisch verantwortungsbewusster Medizin exakt zwischen Alternativ- und Schulmedizin? Hat die Schulmedizin kein Problem mit Scharlatanen? Ist die Schwierigkeit der Alternativmedizin, wissenschaftlich exakte Belege für ihre Wirksamkeit vorzulegen, ein Beweis dafür, dass sie unwirksam ist? Jeder wissenschaftstheoretisch Geschulte wird diese Frage verneinen, schließlich gilt: Das Fehlen eines Beweises kann nicht als Beweis für die Widerlegung einer These interpretiert werden. Warum wird dann dieses (Schein-)Argument immer wieder neu aufgewärmt? Und dass die Homöopathie keine Naturheilkunde im klassischen Sinne ist, sie aber bisweilen so vermarktet wird, ist sicher nicht in Ordnung und kann zur Irreführung von Patienten beitragen. Aber darf Naturheilkunde nur im klassischen Sinne von Wasser, Luft, Bewegung und Ernährung definiert werden? Ist Natur nur im Sinne der Naturwissenschaft erklärbar, die noch immer auf dem mechanistischen und materialistischen Modell eines Descartes und der Physik eines Newtons beruht?
Eines fällt auf: Der Kritik an der Alternativmedizin fehlt es an einem konstruktiven Element. Konstruktiv ist Kritik immer dann, wenn sie auf Schwachstellen und Missstände hinweist und Lösungsansätze zur Veränderung anbietet oder zumindest solche einfordert. Dabei bleibt sie auf der Sachebene und geht nüchtern und mit wenig Emotion vor. Vor allem verurteilt sie nicht und wertet andere nicht ab. Diese Merkmale fehlen bei der Kritik an alternativen Heilverfahren häufig. Stattdessen präsentieren die Kritiker offen ihre destruktiven Absichten, indem sie sich dazu bekennen, alternative Heilverfahren aus der Medizin eliminieren zu wollen. Vor allem die organisierten Homöopathiekritiker scheuen sich nicht davor, öffentlich zu bekennen, die Reputation, die die Homöopathie in der Gesellschaft genießt, zu zerschlagen und ihr im Gesundheitswesen keinen Platz mehr einräumen zu wollen, ja, sie nach über zweihundert Jahren endlich auf dem Friedhof der Medizingeschichte zu begraben. In dieses Bild passt auch, dass sie keine öffentliche Diskussion über Globuli wollen, sondern von der Politik verlangen, die Gesetze so zu ändern, dass es nicht mehr möglich sein wird, homöopathische Arzneimittel herzustellen, in Apotheken zu vertreiben oder von Ärzten verschreiben zu lassen.
Solch ein Vorgehen verlangt, dass man sich seiner Sache absolut sicher ist. Das sind sich die Gegner von Globuli & Co. auch. Für sie gibt es nicht den geringsten Zweifel, dass Alternativmedizin Humbug ist. Diese Überzeugung führt sie dazu, auch zum Mittel der destruktiven Kritik zu greifen, ohne dabei »kalte Füße« zu bekommen. Die Ironie dabei ist, dass sich die Gegner der Alternativmedizin selbst als »Skeptiker« bezeichnen. Der philosophische Skeptizismus hat den Zweifel zum Programm erhoben. Er zweifelt sogar daran, dass der Mensch überhaupt etwas absolut und vollständig erkennen kann, und postuliert, dass es daher unmöglich ist, letztgültige Behauptungen aufzustellen.
Im Gegensatz zu den skeptizistischen Philosophen vertreten die modernen »Skeptiker« einen selektiven Skeptizismus. Vor allem zweifeln sie an allem, was den Anschein von Irrationalität erweckt. Dazu zählen sie auch die Alternativmedizin. Vom Zweifeln explizit ausgeschlossen haben sie aber ihre eigene Haltung gegenüber dem Irrationalen in der Welt. Am derzeit herrschenden materialistisch-naturalistischen Weltbild der Naturwissenschaft und seinen...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.