Schweitzer Fachinformationen
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Margreta Mai überhörte das Knurren. Vielleicht, weil sie ihren Dreibeinhocker zum Knarzen brachte, während sie sich millimeterweise auf seiner ledernen Sitzfläche nach vorn beugte. Vielleicht, weil ihre Aufmerksamkeit ganz allein dem Wilden Salbei gehörte, der zu ihren Füßen wuchs. Sie starrte bereits minutenlang darauf und konnte sich dennoch nicht sattsehen.
»Welch ein Meisterwerk!«, murmelte sie, als es der vorbeifahrende Zug aus Ratzeburg schaffte, sie aus ihrer Konzentration zu reißen. Sie war noch ganz betört vom ausgiebigen Studium von Form und Farbe des Salvia pratensis, als sie sich auf ihrem Dreibeinhocker aufrichtete und das Kreuz weit durchstreckte. Sie blinzelte ein paar Mal in den Lübecker Sommerhimmel, bevor sie ihren Blick wieder senkte.
Erst jetzt nahm sie den Hund wahr. Er kam direkt auf sie zugestürzt.
Sie zuckte reflexartig zurück. Ihr Dreibeinhocker klappte zusammen. Margreta landete rücklings im Wiesengras.
Der Skizzenblock, der auf ihrem Schoß gelegen hatte, flog hoch in die Luft und knallte mit einer Ecke hart auf ihren Oberarm.
Sie rappelte sich hoch, sah zum Hund. Er war angeleint. Zum Glück. Der Hund sprang immer wieder in sein Halsband. Mit breiter Brust und wütendem Gebell versuchte er, zu Margreta zu kommen.
»Verdammt!«, entfuhr es Margreta.
Sie konnte nicht glauben, was ihr passierte. Sie war noch nie Opfer eines Hundeangriffs geworden. Sie, die sich rühmte, von einem Hund noch nicht einmal angebellt worden zu sein!
Im Gegenteil, bislang hatte sie fest daran geglaubt, eine magische Wirkung auf des Menschen besten Freund zu haben. Es gab bisher keinen, der sie nicht schwanzwedelnd begrüßt hatte, ob sie ihn nun kannte oder nicht.
Dieser Hund sollte sie an diesem herrlichen Sommertag eines Besseren belehren!
Es war nur etwa eine Stunde her, als Margreta ihren alten Golf durch die Siedlungsstraßen rechtsseitig der Vorrader Straße gelenkt hatte, um zu einem besonderen Wiesenblumenstreifen am Fußweg zur Berliner Allee zu gelangen. Er lag gleich hinter den Bahngleisen neben einer eingewachsenen Wiese.
Sie hatte den Tipp von einer der Kleingärtnerinnen bekommen, die sich in Lübeck für die Pflanzung von Wiesenblumen an öffentlichen Plätzen starkmachte. »Das ist ganz wichtig für unsere Artenvielfalt!«, hatte sie betont, und Margreta hatte ihr Engagement bewundert.
Neugierig wurde sie erst, als sie hörte, dass unter den ausgesäten Wiesenblumen auch der Wilde Salbei wuchs, ein für Schleswig-Holstein untypisches Wiesenkraut, für Margreta ein altbekanntes. Denn wie im übrigen Deutschland war es auch in Hessen weitverbreitet. Und dort hatte Margreta die ersten 30 Jahre ihres Lebens verbracht.
Margreta hatte aus zweierlei Gründen Interesse am Artverwandten das Gartensalbeis. Zum einen war sie in diesem Sommer sowieso ganz auf den Salbei gekommen: Sowohl in der Küche als auch bei der Neugestaltung ihres Kräutergartens spielten verschiedenste der unzähligen Salvia-Arten eine Rolle.
Zum anderen suchte sie eine ganz besondere Blüte für den Sommermalkurs »Blühende Landschaften« der Kunstschule, zu dem sie sich in diesem Jahr angemeldet hatte. Warum den Salbei nicht auch auf die Leinwand bringen, hatte sie sich schon in ihrem Garten gedacht. Als sie von der wild wachsenden Sorte gehört hatte, war sie sofort Feuer und Flamme gewesen. Sie erinnerte sich an deren wunderschöne Blüte. Und sie hatte sie auf Anhieb wiedererkannt. Ein besonders eindrucksvolles Exemplar entdeckte sie neben einem Trampelpfad, der an dieser Stelle Zugang zur ansonsten eingezäunten Wiese bot und zu einem baufälligen Schuppen führte. Dieser rottete im Schatten einer Eiche vor sich hin.
Nun stand sie neben dieser prächtigen Blüte und hatte keine Zeit für sie, denn sie musste ihre Haut retten.
Zum Glück ist er angeleint, dachte Margreta. Sie hoffte, das Mädchen hinter ihm hatte ihn im Griff. Er war nicht allzu groß. Beste Straßenmischung. Sein Fell war grau und braun gescheckt. Sein Bellen und Knurren ging Margreta durch Mark und Bein.
»Nun nimm den Hund endlich weg!«, befahl sie dem Mädchen, das mit erschrockenem Gesichtsausdruck am anderen Ende der Leine hing.
Es versuchte zwar, sich mit aller Kraft in den Boden zu stemmen, um den Hund am Vorpreschen zu hindern, dennoch kam die wütende Bestie Stück für Stück näher.
»Entschuldigung«, rief das Mädchen. »Günni! Jetzt komm her!«
Margreta schluckte. Mit dem dünnen Stimmchen konnte es den Hund kaum zur Räson bringen. Und dann hieß er auch noch Günni! Wer kam auf die Idee, einem Hund den Namen Günni zu geben?
»Günni!« rief Margreta. Sie musste dem Kläffer selbst Respekt einflößen.
Doch Günni machte unbeirrt weiter.
»Hast du den Hund neu?«, fragte Margreta.
»Ja«, antwortete das verängstigte Mädchen, das nun auch noch anfing zu heulen. Dabei wurde es gleich noch einmal ein ganzes Stück nach vorn gezogen. »Er ist aus dem Tierheim.«
»Hmm«, machte Margreta, während sie sich bückte, um Zeichenblock und Dreibeinhocker in ihre Tragetasche zu werfen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Günni sie erreicht hatte. Zudem befürchtete sie, dass sich der Hund losreißen könnte. »Ich nehme an, ihr lernt euch gerade kennen?«, fragte sie.
»Hmm«, machte das Mädchen, was Margreta ein »Ich habe es befürchtet« entlockte.
»Du musst ihn ganz kurz nehmen!«, wurde Margreta nun lauter, während sie sich hektisch umsah. Sie musste ihre Fluchtmöglichkeiten einschätzen. Würde sich der Hund losreißen, wäre jedes Weglaufen sinnlos. Günni hätte sie schnell wieder eingeholt. Sie sah zum Schuppen. Wenn sie Glück hatte, konnte sie dort Zuflucht finden.
»Ich . ich kann nichts tun. Er ist zu stark.«
Zu stark! War das kleine Würstchen Günni etwa mit Superkräften ausgestattet? Margreta stieß genervt die Luft aus. Dennoch musste sie dem Mädchen recht geben. Besser, sie verließ sich nicht auf seine Kräfte.
Margreta entdeckte einen Stock im Gras. Sie hob ihn auf.
Der Hund verstärkte sein Knurren.
»Sie wollen Günni schlagen?«, rief das Mädchen erschrocken. »Er ist wirklich ganz lieb!«
»Ganz lieb?« Die Äußerung des Mädchens entlockte Margreta ein Auflachen. »Dann meine ich aber, dass Günni sich heute ganz besonders gut verstellt! Wie heißt du überhaupt?«, fragte sie und hob den Stock in die Luft.
»Lisbeth«, antwortete das Mädchen.
Margreta nickte, während sie weiter auf den wütenden Günni starrte.
»Lisbeth, pass auf! Ich werfe den Stock gleich in deine Richtung. Mit Glück wird Günni davon für einen Moment abgelenkt. Dann ziehst du, so fest du kannst!«
»Ist gut«, sagte Lisbeth. Margreta sah, dass sie versuchte, sich breitbeinig hinzustellen.
Margreta bückte sich und ließ den Stock kreisen. Günni bellte noch wütender. Dann warf Margreta den Stock über die beiden hinweg.
Günni zuckte zusammen und hörte damit tatsächlich für einen Moment auf zu ziehen. Lisbeths Kraft reichte nun aus, Günni ein Stück zurückzuziehen.
Margreta ergriff die Chance und lief auf den Trampelpfad Richtung Schuppen. Auf der Vorderseite war ein Doppeltor eingelassen. Da dort ein dickes Vorhängeschloss hing, ließ sie es rechts liegen. Auf der Rückseite gab es eine Tür. Sie drückte den Eisengriff herunter. Der Riegel, der darüber lag, war bereits zurückgeschoben. Leider ließ sich die Tür nicht öffnen.
»Mist!«, entfuhr es Margreta. Sie rüttelte noch einmal. Schließlich gab sie auf.
Gleichzeitig bemerkte sie, dass ihr Rettungsmanöver offenbar geglückt war. Sie hörte Günni noch kläffen, doch er wurde immer leiser. Lisbeth hatte ihn wieder in den Griff bekommen. Margreta wartete ein Weilchen, dann wagte sie sich zurück auf den Fußweg.
»Du malst?«, fragte Hauptkommissar Jan Knutsen noch am gleichen Abend. Er wirkte überrascht. Für diese Frage hatte er sogar seine akribische Suche nach jedem noch so kleinen Stück Paprika in Margretas Gulasch unterbrochen. Seine Gabel ließ er in seine bisherigen Fundstücke sinken, die er an den Tellerrand geschoben hatte.
Margreta hatte ihre Tochter Marjolein und deren Mann Ole zu einem Abendessen ins »Radieschenheim« eingeladen. Hauptkommissar Knutsen war einfach mitgekommen. Unangekündigt.
Als Schwiegervater von Marjolein sah er es als selbstverständlich an, dass er nicht fragen musste. Margreta hätte damit leben können, dass er sich selbst einlud, würde er nicht ständig an ihren Kochkünsten herumnörgeln. Für seinen Geschmack verwendete sie entschieden zu viel »Grööntüch« im Essen. Und dies ließ er sie regelmäßig wissen.
»Ja, ich male! Was dagegen?« Margreta sah ihn angriffslustig an.
»Nein, nein«, beschwichtigte dieser. »Um Gottes willen!« Er stocherte schon wieder im Essen herum. »Ich habe es nur nicht gewusst.«
»Mama hat sich zu einem Kunstkurs angemeldet. >Blühende Landschaften<«, erklärte Marjolein.
Knutsen hüstelte.
»Was?«, fragte Margreta scharf in seine Richtung.
»Na ja, besser auf der Leinwand als im Kochtopf!«, sagte er grinsend, während er sein Gulasch weiter untersuchte.
»Papa! Du kannst es echt nicht lassen!« Ole schüttelte den Kopf, während Marjolein die Augen verdrehte.
»Was denn?« Knutsen blickte unschuldig auf. »Sie hat nachgefragt!« Dann fasste er in seine Hemdtasche, zog eine Lesebrille heraus und setzte sie sich auf die Nase. Als er sich wieder über den Teller gebeugt hatte,...
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