Schweitzer Fachinformationen
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Es war ein herrlicher Frühlingsabend im Gartenlokal >Radieschenheim< im gleichnamigen Lübecker Kleingartenverein, als Margreta Mai einen Riesentopf mit frisch gekochter Bärlauchsuppe vor die Nase von Hauptkommissar Jan Knutsen ab- und damit seine Gutmütigkeit auf die Probe stellte.
Denn wer es sich mit dem Lübecker Kommissar verscherzen wollte, der brauchte nicht viel mehr zu tun als genau das: nämlich ihm ein Gericht mit nichts als Gemüse zu servieren. Denn von Grööntüch im Allgemeinen hielt er rein gar nichts!
Margreta Mai hingegen war in der Regel eine sehr geduldige Frau. Ihr Geduldsfaden reichte mindestens von ihrer Wahlheimat Lübeck bis zu ihrem Heimatdorf am Rande des Hessischen Vogelsbergs und war so elastisch wie das langgezogene E eines Norddeutschen, das sie tagtäglich bei der Aussprache ihres Namens zu hören bekam.
Kommissar Knutsen allerdings traf Margreta Mai mit seiner Gemüseabneigung mitten ins stolze Köchinnenherz. Sie war der Ansicht, dass Menschen wie er nicht verstanden hatten, dass Kochen und Kreativität mehr verband als zu Beginn das gemeinsame K! Und deshalb reichte ihr Geduldsfaden, was ihn betraf, nicht mal mehr bis nach Hamburg.
Und so nahm seinen Lauf, was seinen Lauf nehmen musste: Kommissar Knutsen war beleidigt, dass er nichts Ordentliches zu essen bekam. Und Margreta Mai war beleidigt, weil er ihre Suppe bereits ablehnte, noch bevor er sie überhaupt probiert hatte.
Zum Glück mussten die beiden diesen Moment nicht allein überstehen. Denn an diesem herrlichen Frühlingsabend waren auch Margretas Tochter Marjolein und Knutsens Sohn Ole zugegen, die angesichts ihrer Hochzeit am Ende des Monats überhaupt nichts von dem sich anbahnenden Familienstreit hielten und deshalb mit Engelszungen auf die beiden einredeten. Außerdem saßen am Tisch Knutsens Exfrau Simone und ihr Mann Bernwald Lieblich, die das sich anbahnende Drama durch Folgendes abzuwenden versuchten: Sie schaufelten sich immer wieder Schöpfkellen voll Bärlauchsuppe auf ihre Teller und konnten gar nicht oft genug wiederholen, wie gut Margreta das Essen gelungen war.
Und so konnte das Unglück abgewendet und der Abend unter das Thema gestellt werden, weswegen sie überhaupt alle zusammengekommen waren: die baldige Hochzeit von Marjolein und Ole. Schließlich gab es noch so viel zu tun und tausend Kleinigkeiten zu besprechen, auch wenn die Einladungen ins hübsche Restaurant an der Wakenitz bereits lange verschickt waren.
Als Margreta Mai am nächsten Morgen um kurz nach sechs in ihr Gartenlokal zurückkehrte und das Vorderrad ihres Fahrrads in den Fahrradständer schob, hatte sie nicht viel Schlaf bekommen. Eine Diskussion darüber, ob die Lübecker und die Vogelsberger Verwandtschaft gemischt werden sollte, hatte die Runde bis weit nach Mitternacht zusammengehalten. Letztlich waren alle übereingekommen, sich auf das Experiment einzulassen. Allein deshalb, weil es einfacher war, als darauf zu achten, welche Familienmitglieder auf keinen Fall nebeneinander sitzen durften.
Das rustikale gusseiserne Schild mit dem ausgestanzten Radieschen in der Mitte quietschte über Margretas vom Fahrtwind zerzausten Lockenkopf wie zur Begrüßung in seiner nostalgisch verzierten Halterung an der roten Backsteinwand. Dies entlockte ihr ein Lächeln auf das von der Fahrradtour erhitzte Gesicht. Es erinnerte sie an die Überraschungsparty zu ihrem 50. Geburtstag im vergangenen Februar. Die Kleingärtnergemeinschaft hatte zusammengelegt und ihr mit diesem Schild eine Riesenfreude gemacht.
Margreta überquerte gähnend die Lokalterrasse, die sich über den kompletten Vorplatz des Lokals erstreckte und auf der bislang nur ein paar massive Holzbänke zum Sitzen einluden. Sie freute sich über die bunten Tulpenköpfe, die zwischen den sanften Tönen von Hartriegel, Forsythie und Schneeball die ersten knallfarbigen Argumente setzten. Im Vorbeigehen warf sie einen Blick durch die Fenster in ihr noch dunkel daliegendes Lokal. Hier servierte sie derzeit erst an vier Tagen in der Woche vom Mittag bis in den frühen Abend eine Auswahl kleiner warmer Speisen und etwas Gebäck zum Kaffee. Mehr war um diese Jahreszeit nicht nötig. Es war zwar schon allerhand los in der Kleingartensiedlung, schließlich wollte jeder die Jahresernte auf den Weg bringen, doch kaum einer blieb, wenn die Sonne sich in den Abend verabschiedete und es unangenehm kühl wurde. Wenn die Tage länger werden würden, würde ihre Freundin Valerie wieder im Gartenlokal mithelfen. Die hatte sich, bevor die Gartensaison richtig losging, noch auf eine Schiffsreise mit ihrer Tochter in die Fjorde Norwegens geschickt.
Rechts am Lokal vorbei führte der Weg in ihren Garten. Margreta folgte ihm und hielt am Nebeneingang. Als sie die Tür aufgeschlossen hatte, tauschte sie ihre Straßenschuhe gegen die am Eingang stehenden, mit Rosen bedruckten Gartenschuhe, dann folgte sie dem Weg weiter bis zu einer Gartenpforte, die eine quer wachsende Ligusterhecke durchbrach und dessen Holz in der Morgensonne silbrig glänzte. An die Pforte geschraubt hing ein mit bunten Farben bemaltes Holzschild, das ihr entgegenleuchtete. Darauf stand, in krakeligen Buchstaben geschrieben, das Wort >Privat<. Hier endete nämlich der Lokalbereich, und es begann der private Gemüsegarten von Margreta.
Das Schild war das Werk von Marjolein. Sie hatte es gemalt, als sie gerade eingeschult worden war. Jetzt war sie bereits 23, Referendarin an einer Grundschule und wollte bald heiraten. Margreta seufzte einmal tief bei dem Gedanken daran, dass es ihr vorkam wie gestern, als sie das Schild mit Hilfe ihres Nachbarn Freddy Meerbusch angebracht hatten. Dann hob sie den Schließhaken aus der Öse, was nie ohne ein leichtes Quietschen vonstattenging. Als sie den ersten Schritt in ihren Garten gemacht hatte, waren Müdigkeit und Trübseligkeit jedoch augenblicklich verflogen.
Denn für Margreta gab es nichts Schöneres als ihren Garten! Er gehörte für sie zum Leben wie die Luft zum Atmen. Oder, wie sie es selbst gern ausdrückte, wie der Samen zur Erde. Wie sie einmal ohne ihn sein konnte, vor 20 Jahren, als sie noch in einer Stadtwohnung in Frankfurt lebte und dachte, nur die Zweisamkeit mit ihrem heutigen Exmann Ulf Mai könne sie glücklich machen, kann sie sich heute nicht mehr erklären. Er hatte sie und ihre damals dreijährige Tochter eines Tages ganz unverhofft verlassen, um einmal um die Welt zu reisen und, wie sich später herausstellte, nie wiederzukehren.
Wie es sich für einen anständigen Frühlingsmorgen im Lübecker Umland gehörte, hing der Nebel noch tief und versah Bäume und Sträucher mit einem milchigen Anstrich. Margreta ignorierte, dass sie fröstelte. Sie passierte die schwarze Anbaufläche, die sie und Freddy Meerbusch bereits im März mit Kompost versehen und für die Aussaat vorbereitet hatten. Sie begutachtete den jungen Spinat, den sie erst vor Kurzem ausgesät hatte und der später am Tag in ihren Salat wandern sollte. Und sie schaute im Gewächshaus nach den jungen Gemüsepflanzen. Hier hatte sie Tomaten, Kohl, Salat, Fenchel, Sellerie, Kohlrabi und natürlich Radieschen ausgesät. Ein sorgenvoller Blick galt der gesprungenen Glasscheibe. Sie hoffte, dass sie auch noch in diesem Jahr hielt. Wenn es nach Marjolein gegangen wäre, dann hätte sie ihr schon lange ein neues Gewächshaus besorgt. »Es ist doch schon uralt, Mama! Die Scheibe auszutauschen, das lohnt doch nicht mehr.« Recht hatte sie damit, das Gewächshaus stand schließlich schon dort, als Margreta den Garten übernommen hatte. Es war damals schon nicht mehr neu. Und doch konnte Margreta sich nicht davon trennen.
Als sie wenig später ihre Fliederbeerbüsche umrundet hatte und damit in den südlichen Gartenteil kam, in dem auch ihr Kräutergarten lag, stieß sie einen spitzen Schrei aus. Die Meisen, die in den umstehenden Obstbäumen gerade noch emsig umeinander geworben hatten, brachen vor Schreck ihren Gesang ab. »Ach du meine Güte, was ist denn hier passiert?«, entfuhr es Margreta entsetzt.
Ihr Kräutergarten war komplett verwüstet worden! »Oh, mein Salbei!«, rief sie aus und stürzte vorwärts. Ein Teil der Äste war abgeknickt und hing nun traurig nach unten. »Und mein Rosmarin!«, jammerte sie. Hatte sie ihn nicht erstmals durch den Winter gebracht? Viel Vlies, ein Kranz aus wärmenden Steinen und ganz viel Liebe hatten nichts genützt, denn nun lag er da, von irgendjemandem achtlos umgetreten. Und der Nachtfrost hatte ihm eindeutig den Rest gegeben! Die größte Überraschung wartete allerdings inmitten des austreibenden Oregano: Ein Koloss von einem Mann hatte sich dort rücklings breit gemacht. Seinen Kopf auf dem jungen Schnittlauch gebettet, seine Füße hoch auf die Lavendelstauden gelegt, schien er es wirklich gemütlich zu haben. Seine Hände ruhten unterhalb seines Bauches, und sein Gesicht hielt er mit einem Sombrero vor der Morgensonne geschützt. Der Hut war wirklich riesengroß. Mit seiner rot gemusterten breiten Krempe verdeckte er den ganzen Kopf von der allerletzten Haarspitze bis zum Beginn der Brust.
»Na warte, Bürschchen, wenn du meinst, dass du hier deinen Rausch ausschlafen kannst, dann hast du mich aber noch nicht kennengelernt!« Margreta stapfte wütend auf den ungebetenen Gast zu und stieß ihm mit dem Fuß gegen die Hüfte. Doch statt dass er sich rührte oder zumindest mit Gegrummel reagierte, erreichte sie nur, dass die eine Hand von seinem Bauch rutschte und sich mit lockerem Griff um ihren Fuß legte. »Das gibt es jawohl nicht!«, zeterte Margreta, beugte sich über ihn und rüttelte an seinen Schultern, was nur zur Folge hatte, dass auch die andere Hand vom Bauch rutschte. Mit einem leisen Knistern legte sie sich auf die Reste der...
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