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Dresden, den 8ten Februar 1809
Lieber Professor! Sie verlangten in Ihrem letzten Briefe, dass ich Ihnen meine Gedanken über mein Altarbild mitteilen möchte; damalen stand es mir nicht zu Gebot, aber stattdessen teilte ich Ihnen über ein ander Bild meine Gedanken mit. Jetzt aber bin ich durch den Aufsatz des Herrn von Ramdohr, der gegen mein Bild gerichtet ist, veranlasst worden, meine Gedanken über das Altarbild aufzusetzen. Sie sind verwebt in einer kurzen Gegenschrift dieses Aufsatz[es]. Ich habe den Aufsatz selber gemacht, wenn ich gleich als ein anderer auftrete, ich weiß eigentlich nicht, warum ich es getan. Mehrere haben mir schon geraten, es in Druck zu geben, und ich bin eigentlich auch nicht ganz abgeneigt, ich möchte zu diesem Endzweck auch gerne Ihre Meinung wissen. Ich setze voraus, dass Sie den Aufsatz von Ramdohr gelesen haben; wo nicht, so bitte ich, ihn zuvor zu lesen; denn sonst möchte Ihnen der meinige gar wunderlich vorkommen.
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Wäre das Bild des Malers Friderich nach den durch Jahrhunderte geheiligten und anerkannten Regeln der Kunst verfertigt; das heißt mit andern Worten: Hätte F. sich der Krücken der Kunst bedient, und nicht die Vermessenheit gehabt, auf eigenen Füßen gehen zu wollen, wahrlich der Herr Kammerherr von Ramdohr hätte sich nimmer aus seiner Ruhe stören lassen. Wäre F. auf der einmal gebahnten Straße einhergegangen, wo jeder Esel seinen Sack trägt, wo Hund und Katz der Sicherheit wegen wandelt; weil die berühmten Künstler der Vorzeit als Muster und Vorbilder für Jahrtausende da aufgestellt worden, wahrlich der K. v. R. hätte geschwiegen [im Original «C v R.» für «Cammerherr von Ramdohr»]. Nicht aber haben sie sich selbst als solche da aufgestellt, sondern anmaßende Kunstrichter haben sie uns als einzige untrügliche Richtschnur gegeben. Denn sehr wohl wussten jene achtungswerten Meister, dass die Wege, so zur Kunst führen, unendlich verschieden sind; dass die Kunst eigentlich der Mittelpunkt der Welt, der Mittelpunkt des höchsten geistigen Strebens ist und die Künstler im Kreise um diesen Punkt stehen. Und so kann es sich leicht zutragen, dass zwei Künstler sich gerade entgegenkommen, während sie beide nach einem Punkte streben.
Denn die Verschiedenheit des Standpunktes ist die Verschiedenheit der Gemüter, und sie können auf entgegengesetztem Wege beide ein Ziel erreichen. Nur die Beschränktheit herzloser Kunstrichter, durch deren Schriften schon so manches zarte Gemüt verdorben und erkaltet, können wähnen, dass nur ein einziger Weg zur Kunst führe, und zwar der von ihnen vorgeschlagene. Wäre das Bild von F. ohne allen Wert; gewiss der Kammerherr hätte F. freundschaftlich die Hand geboten und wäre nicht als sein Gegner aufgetreten. Das Gewöhnliche und Schlechte fällt von selbst; das etwanige Gute muss man stürzen.
Aber warum hat F. auch nicht zuvor seine Ansicht von der Landschaftsmalerei dem K. v. R. mitgeteilt? Warum hat er diesen erleuchteten Kunstkenner nicht gefragt, ob er sie kenne oder nicht? Denn darinnen liegt auch schon die andere Frage samt der Antwort, ob er sie billige oder nicht. So nehme er denn auch hin, als Folge seines Eigensinns, die Strafpredigt von v. R. Was nützet es, dass das Bild dem großen Haufen gefällt; gefällt's doch dem H. v. R. nicht!
Wehe muss es einem Mann tun, wie dem K. v. R., wenn er sieht: den Greuel der Zeit, das Vorgesicht herannahender Barbarei, schwarz wie die Nacht, trotzig einherschreitend; verachtend mit Füßen tretend alle Regeln, alle Ketten, alle Banden, womit man den Geist fesseln und auf der gebahnten Heerstraße erhalten will. Hängt der Kunstgeist unserer Zeit nicht mit törichtem, beweinenswertem Glauben an ein eingebildetes geistiges Wesen, was keine Grenzen kennt? Folgt er nicht mit kindlicher, fast kindischer Ergebung jeder heiligen Regung seines Gemütes? Huldigt er nicht mit blinder Hingebung jeder frommen Ahndung, als wäre dies unbedingt die reinste lauterste Quelle der Kunst? Ohne zu fragen und zu prüfen, ob ein Claude Lorrain, Nicolas und Casper Poussin und Ruisdael, oder was mehr als alles ist, ob ein K. v. R dies billigen würde?
Der Effekt, oder um Teutsch zu reden, die Wirkung eines Bildes, beweist viel für die Güte desselben; wenn die Wirkung wahr, die Wahrheit das Edle beabsichtigt hat. Wenn ein Bild auf den Beschauer seelenvoll wirkt, wenn es sein Gemüt in eine schöne Stimmung versetzt, so hat es die erste Forderung eines Kunstwerks erfüllt. Wäre es übrigens auch noch so schlecht in Zeichnung, Farbe, Art und Weise der Malerei u.s.w. Wenn ein Bild den gefühlvollen Beschauer ohne Rührung, kalten Herzens lässt; und wäre es übrigens auch noch so musterhaft in Form und Farbe; so kann es keinen Anspruch auf den Namen eines wahrhaftigen Kunstwerks machen, wohl aber auf den einer schönen Künstelei. Aber ein vollendetes Kunstwerk vereiniget beides in sich.
Beschreibung des Bildes.
Auf dem Gipfel eines Felsens steht, hoch aufgerichtet, das Kreuz, umgeben von immer grünen Tannen, und immer grüner Efeu umwindet des Kreuzes Stamm. Strahlend sinkt die Sonne, und im Purpur des Abendsrots leuchtet der Heiland am Kreuz.
Beschreibung des Rahm[en]s.
Der Rahm[en] ist, wie wir wissen, nicht allein mit Bewilligung des Malers gemacht, sondern ganz seine Angabe. Was der Rahm[en] Fehlerhaftes in der Anordnung hat, ist also keinesweges dem Bildhauer Kühn, sondern lediglich dem Maler zuzuschreiben: Zur Seite bildet der Rahm[en] zwei gotisch ähnliche Säulen. Aus diesen steigen Palmzweige empor und wölben sich über das Bild. In den Palmzweigen sind fünf Engelsköpfe, die alle anbetend niederschauen auf das Kreuz. Über dem mittelsten Engel steht, im reinen Silberglanz, der Abendstern. Unten ist in länglicher Füllung das allsehende Auge Gottes, vom heiligen Dreieck eingeschlossen mit Strahlen umgeben. Kornähren und Weinranken neigen sich zu beiden Seiten gegen das allsehende Auge. Das ist zu deuten auf Leib und Blut dessen, der an's Kreuz geheftet ist. Drei Stufen enden unten den Rahm[en].
Caspar David Friedrich, Kreuz im Gebirge (Tetschener Altar), 1807/08
Der K. versteht die Zunge des Malers F. nicht zu regieren, und ich bin überzeugt, wie er ihn redend einführt, so möchte F. gewiss nicht gesprochen haben. Wohl hat das Bild eine Deutung, wenn sie gleich dem K. undeutlich ist! Wohl ist es beabsichtigt, dass Jesus Christus, ans Holz geheftet, hier der sinkenden Sonne zugekehrt ist als das Bild des ewigen allbelebenden Vaters. Es starb mit Jesu Lehre eine alte Welt, die Zeit, wo Gott der Vater unmittelbar wandelte auf Erden; wo er sprach zu Kain: Warum ergrimmest du, und warum verstellen sich deine Gebärden? Wo er unter Donner und Blitz die Gesetztafeln gab; wo er sprach zu Abraham [gemeint ist: Mose]: Zeuch [für: Zieh] deine Schuhe aus; denn es ist heilig Land, worauf du stehest! Diese Sonne sank, und die Erde vermochte nicht mehr zu fassen das scheidende Licht. Da leuchtet, vom reinsten edelsten Metall, der Heiland am Kreuz, im Gold des Abendrots, und widerstrahlet so im gemilderten Glanz auf Erden. Auf einem Felsen steht aufgerichtet das Kreuz, unerschütterlich fest, wie unser Glaube an Jesum Christum. Immergrün durch alle Zeiten während stehen die Tannen ums Kreuz, gleich unserer Hoffnung auf ihn, den Gekreuzigten.
Wenn der K. sagt, dass F. alle Luftperspektive bei seinem Bilde verbannt habe, so hat er unrecht; wenn er aber gesagt, sie wäre zu schwach ausgedrückt, so hätte er recht. Wenn der K. da Finsternis findet, wo andere ehrliche Menschen noch deutlich Gegenstände erkennen, so liegt die Schuld nicht am Bilde, sondern an der Schwäche seiner Augen.
Die unbedingte Forderung des K., dass eine Landschaft durchaus mehrere...
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