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Die führenden Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass der bereits jetzt bestehende Klimawandel sowohl die Häufigkeit als auch die Intensität gefährlicher Großwetterlagen beeinflusst. Viele bekannte Klimamodelle sagen voraus, dass sich noch in diesem Jahrhundert die Quantität von Starkregenereignissen von neun Tagen auf bis zu 17 Tagen jährlich nahezu verdoppeln wird. Darüber hinaus ist auch mit einer steigenden Qualität (also größere Regenmengen pro Ereignis) zu rechnen (vgl. hierzu DWD 2017).
Innerhalb der letzten 68 Jahre hat sich die Durchschnittstemperatur in Niedersachsen um 1,6 Grad Celsius erhöht. Im gleichen Zeitraum stieg die Niederschlagsmenge um 6?%. Diese Steigerung ist nicht gleichmäßig über das Jahr verteilt. So beträgt sie im Herbst und Winter um die 20?%, während im Sommer die Niederschläge sogar zurückgegangen sind (vgl. hierzu DWD 2017). Welche enormen Auswirkungen Starkregenereignisse annehmen können, wurde erst wieder im Juli 2021 in Rheinland Pfalz und in Nordrhein-Westfalen deutlich aufgezeigt. Mit 181 verstorbenen Bewohnerinnen und Bewohnern (Tagesschau 2021) handelt es sich um eine der größten Hochwasserkatastrophen in Deutschland.
Hochwasserereignisse in den Gebirgsregionen (Hoch- und Mittelgebirge) haben zudem die sehr unangenehme Eigenschaft, dass es für die Bevölkerung und die Rettungskräfte zumeist nur sehr kurze Vorwarnzeiten gibt. Je weiter entfernt die bewohnten Bereiche von den Niederschlagsgebieten in den Bergen entfernt liegen, desto rechtzeitiger kann mittels einer entsprechenden Vorwarnzeit auf das bevorstehende Ereignis reagiert werden. Somit ist es die unabdingbare Pflicht aller Verantwortungsträger, sich im vorbeugenden und abwehrenden Hochwasserschutz auf diese Situationen einzustellen.
Bild 1: Überschwemmte Ortslage; hier ein Beispiel aus dem Vorharzgebiet, Rhüden 2017 (Bild: Archiv der Feuerwehr Rhüden)
Vor dem Hintergrund des Klimawandels ist davon auszugehen, dass sich ähnliche Wetterlagen künftig vermehrt einstellen werden. Für den Katastrophenschutz in Deutschland bedeutet dies die Erforderlichkeit, sich auf die hiermit einhergehenden Szenarien noch deutlich besser als bisher vorzubereiten (Fricke/Bruns 2017). Zu den weiteren Auswirkungen des Klimawandels auf das Einsatzgeschehen der Feuerwehren und Hilfsorganisationen sei hier im Besonderen auf die Publikationen von Jens Motsch verwiesen (vgl. Motsch 2019: S.?18-50 u. 2021: S.?809-824). In den beiden Publikationen wird sehr deutlich auf das zukünftige Gefahrenpotenzial bei Extremwetterlagen verwiesen. Zudem werden die Wetterereignisse anhand vieler Schaubilder gut vermittelt.
[13]Die Hochwasserlagen in den Mittelgebirgen haben deutlich gemacht, mit welcher Geschwindigkeit vorgenannte Situationen wie im Harz und Harzrandgebiet 2017, in Rheinland Pfalz und Nordrhein-Westfalen 2021 oder in der Sächsischen Schweiz in Krippen 2021 auftreten. Auch in den Jahren und Jahrzehnten davor gab es immer wieder katastrophale Hochwasserereignisse. Das Niederschlagswasser in den Gebirgen kommt und geht jeweils sehr schnell. Dies bedeutet aber auch, dass mit kurzer Vorwarnzeit sofort reagiert werden muss. Aufgrund der hohen Fließgeschwindigkeit werden hierbei enorme Kräfte freigesetzt, die zu den nur schwer vorstellbaren Zerstörungen, vor allem in den Jahren 2017 und 2021, geführt haben (vgl. hierzu Fricke/Bruns 2017).
Bild 2 und 3: Anhand dieser beiden Aufnahmen kann man gut erkennen, wie stark auch kleine Gebirgsbäche anschwellen können (Bild: Archiv der Feuerwehr Goslar)
Eine weitere beispielhafte Erkenntnis der durchlebten Hochwasserlagen im Harz 2014 und 2017 bestand darin, dass die Hochwasserbekämpfungen in den einzelnen Kommunen sowohl materiell als auch taktisch nicht aufeinander abgestimmt waren. Nach den Ereignissen im Harz 2017 ordneten sich der Landkreis und die kreisangehörigen Kommunen neu. Es wurden umfangreiche Investitionskonzepte für die Hochwasserbekämpfung erstellt und die Feuerwehren stellten sich einsatztaktisch neu auf. Dies trug zu einer weiteren Harmonisierung der kommunalen Hochwasserbekämpfung bei (vgl. hierzu Fricke/Bruns 2018).
[14]Bild 4 und 5: Auch diese beiden Bilder veranschaulichen gut, wie kleine Gebirgsbäche anschwellen können (Bild 5: Archiv der Feuerwehr Goslar).
Weltweit sind sich mittlerweile die Expertinnen und Experten einig, dass durch die klimatischen Veränderungen aufgrund der höheren Erwärmung der Atmosphäre zukünftig mit deutlich mehr und vor allem intensiveren Niederschlagsereignissen zu rechnen ist.
Wie aus Berichten der Vergangenheit regelmäßig zu entnehmen ist, gab es auch schon in den früheren Jahren extreme Hochwasserereignisse. In der Natur des Menschen liegt es allerdings, das frühere Ereignisse und Erlebtes recht schnell verdrängt werden und somit aus dem Bewusstsein verschwinden. Wenn in den vergangenen Jahrzehnten zum wiederholten Male Flüsse begradigt, Uferböschungen erhöht und Auenlandschaften in Baugebiete verwandelt werden, so ist es doch nicht verwunderlich, wenn diese Gebiete zu den mit am stärksten von Starkregenereignissen betroffenen Räumen gehören. Hochwasserschutz fängt bereits bei der [15]Bauleitplanung und bei der Flächennutzungsplanung an. Häufig werden die Meinungen der Experten/Expertinnen zum Hochwasserschutz von den politischen Gremien mehr oder weniger missachtet und Flussauen zu Baugebieten umgewandelt. Fraglich ist auch, wenn zerstörte Gebäude oder ganze Ortslagen nach einem Hochwasserereignis unverändert wieder an gleicher Stelle errichtet werden.
Weitere verstärkende Faktoren bei Hochwasserlagen
Neben den eigentlichen Niederschlagsmengen und den Zeitfaktoren, also in welcher Zeitspanne welche Mengen an Niederschlägen niedergehen, gibt es noch eine ganze Reihe weitere Einflüsse, die eine Hochwasser- bzw. Starkregenlagen verstärken bzw. verschärfen können. Hierzu zählen in erster Linie die jeweiligen topografischen Lagen und weitere Faktoren wie z.?B. die Bewirtschaftung der Forst und Ackerflächen im Niederschlagsgebiet. Steile Hanglagen, wie sie es in den Mittel- und Hochgebirgsregionen gibt, führen zu einem Ansteigen der Fließgeschwindigkeiten bei den abfließenden Niederschlagswässern. Fehlt an diesen Steillagen (Steilhängen) zudem auch noch der Bewuchs, der ggf. das abfließende Wasser bremst und die Abflussraten in Richtung Tal dadurch verzögert, gelangt das Niederschlagswasser sehr schnell in die jeweiligen Vorfluter und lässt deren Pegel rasant ansteigen.
Ein nicht zu unterschätzender Störfaktor ist das in den Wäldern liegende Holz (gefällte Baumstämme), in erster Linie dient es dem ökologischen Gleichgewicht, bei einem Starkregenereignis kann es jedoch dazu führen, dass sich die Unwettersituation drastisch verschlimmert. Am Beispiel des katastrophalen Hochwasserereignisses im Ahrtal in Nordrhein-Westfalen im Sommer 2021 hat ein Team des Helmholtz-Zentrums in Potsdam des Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) bei Untersuchungen festgestellt, dass die Hochwassereffekte des starken Niederschlages durch mitgerissenes Totholz verstärkt wurden. Wörtlich heißt es dort:
»Die Effekte, die die Forschenden des Helmholtz-Zentrum Potsdam - Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ dafür verantwortlich machen, sind in Mitteleuropa bisher kaum aufgetreten und daher auch nicht berücksichtigt worden. Vor allem mitgerissenes Treibholz und Sedimente dürften mit fortschreitendem Klimawandel stärker in den Fokus rücken« (Reckter 2021).
Die Forscher/Forscherinnen des Deutschen GeoForschungsZentrums wurden laut dem Bericht sogar unmittelbare Zeugen der extremen Niederschlagsflut, da sie Wochen zuvor für Untersuchungen auf einer drei Meter hohen Terrasse Seismik Stationen an der Ahr aufgebaut hatten. Wie die Forscherinnen und Forscher berichten, stieg dann das Wasser in der Ahr so rasant, dass nach kurzer Zeit die [16]Seismik Stationen völlig zerstört und fortgerissen waren. Mittels der Seismik Stationen sollte der Zweck verfolgt werden, bei turbulent fließendem Wasser den Gerölltransport zu dokumentieren (vgl. Reckter 2021).
Welche enorme Kraft das abfließende Wasser in Gebirgsbächen entfalten kann, lässt sich allenthalben in den Bachläufen der Mittel- und Hochgebirgsregionen anschaulich beobachten. Bei starken Abflussereignissen vibriert die gesamte Umgebung der jeweiligen Flussläufe, durch den Transport des Gerölls. Die Gesteinsbrocken, die dadurch mitgerissen werden, können schnell die Größe von Kleinwagen erreichen. In dem GFZ-Bericht wird Michael Dietze von der Sektion Geomorphologie am GFZ und am Geografischen Institut der Universität Bonn zitiert: »Die Flut in den Tälern der Eifel war weitaus gewaltiger, schneller und unberechenbarer, als wir das für ein solches Ereignis in der Mitte Europas bislang angenommen haben«. Laut Dietze sind diese vielfältigen Ursachen zwar bekannt, allerdings nicht in Mitteleuropa, sondern mehr aus den Wüsten- und Tropenregionen (vgl. Reckter 2021). Mitgerissene Geröll- und Holzmassen waren auch besonders verstärkende Faktoren beim katastrophalen Hochwasserereignis im Landkreis Goslar im Bundesland Niedersachsen im Juli 2017. Innerhalb kurzer Zeit wurden große Geröllmassen, ähnlich wie bei Murenabgängen in den Hochgebirgen, auf mehrspurige Bundesstraßen gespült und dadurch die enormen Niederschlagswässer unkontrolliert in die Städte geleitet.
In dem GFZ-Bericht ist weiter nachzulesen, dass nach den wochenlangen Regenfällen die Böden gesättigt waren und das Niederschlagswasser dadurch nicht mehr versickern konnte. Im abschüssigen...
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