Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Existenzphilosophie und Phänomenologie bilden die philosophische Basis der EA. Dieser Zugang zum Menschen aus einem philosophischen Verständnis heraus ist in der Psychologie eher ungewöhnlich, besonders weil viele Begriffe in der Alltagssprache nicht geläufig sind, auch für Psychologen (Existenz, In-der-Welt-Sein, Dasein, Stellungnahmen usw.). Eine Psychotherapierichtung, die sich primär auf philosophische Inhalte zur Begründung ihrer Theorie bezieht, geht daher auf Themen ein, die nicht nur aus der naturwissenschaftlichen Empirie stammen. Es ist eine Form der Annäherung an den Menschen, die sich der Reflexion über die Inhalte und Themen des Daseins bedient und so um eine holistische Sichtweise bemüht ist (Sören Kierkegaard, Edmund Husserl, Max Scheler, Martin Heidegger, Karl Jaspers und Martin Buber).
Existenz leitet sich vom lateinischen Wort »ex-sistere« heraustreten, hervortreten ab. »Ex-« bedeutet: aus, heraus. »Sistere« übersetzt man in der intransitiven Form mit: sich stellen, zu stehen kommen (Pfeifer et al. 1993). So wird existieren verstanden als »aus sich hervortreten, sich in die Welt stellen, als Schritt in Bewegung, auch in Beziehung treten, sich in einen Zusammenhang stellen, sich einbringen« (Payer 2006).
Da Existenz rein dynamisch ist, ist sie per se nicht analysierbar. Demgemäß meint Existenzanalyse auch nicht »Analyse der Existenz«, sondern »Analyse auf Existenz hin« (Frankl 1979b, S. 23). EA bezieht sich auf die Bedingungen bzw. Voraussetzungen, die es braucht, um zur Existenz zu kommen.
Im Begriff Existenz geht es um ein wirkliches Vorhandensein des Einzelnen in seiner einzigartigen Einmaligkeit. Es geht um das »gelebte Leben« - denn nur so kann der Mensch Erfüllung erlangen und sein eigenes »Ja zum Leben« finden. Leben ist dann existentiell, wenn er in seiner Ganzheit, in körperlicher, psychischer und geistiger/personaler Hinsicht, in seinem Leben anwesend ist und es seiner Person entsprechend gestaltet. Bewusst oder unbewusst, jeder Mensch betreibt unablässig so etwas wie Existenzanalyse. Wenn er darauf verzichtet, wenn er ablässt vom Suchen und Antwortgeben, findet er sich wieder inmitten einer Fülle von »ungelebtem Leben«.
Dies illustriert die von Martin Buber (2003, S. 26) nacherzählte Geschichte des Rabbis Sussja: Als Rabbi Sussja im Sterben lag, fragten ihn seine Schüler: »Hast du denn gar keine Angst?« Rabbi Sussja gab zur Antwort: »Wenn ich an all die Großen und Bedeutenden denke: an Mose und Abraham und Jeremia, dann wird mir schon Angst. Aber«, meinte Sussja: »In der kommenden Welt muss ich nicht verantworten, dass ich nicht Mose gewesen bin; ich muss verantworten, dass ich nicht Sussja gewesen bin.«
»Unter >Existenz< wird in der Existenzanalyse ein dialogisch gelebtes, in Freiheit und Verantwortung gestaltetes Leben verstanden, das der Mensch als das seinige erlebt und worin er sich als Mitgestalter versteht.« (Längle 2001a).
»Die Existenzanalyse ist ein phänomenologisch-personales Psychotherapieverfahren mit dem Ziel, der Person zu einem (geistig und emotional) freien Erleben, zu authentischer Stellungnahme und zu eigenverantwortlichem Umgang mit sich selbst und ihrer Welt zu verhelfen.« (Längle 2013b, S. 23).
Dieses Existenzverständnis führt zu zwei weiteren zentralen Prämissen der EA, nämlich zum Begriff der Person, also der geistigen Dimension des Menschen und zum dialogischen Basistheorem, das die dialogische Veranlagung des Menschen beschreibt.
Eine Besonderheit der EA liegt in ihrem Menschenbild. Im Unterschied zu praktisch allen anderen Psychotherapierichtungen beschreibt die EA eine geistige Dimension im Menschen, die über die gängigen Dimensionen Körper und Psyche hinausreicht: die Person ( Abb. 3.1). Mit dieser »geistigen Dimension« wird eine zentrale Fähigkeit des Menschen, die ihn von allen anderen Lebewesen unterscheidet, gefasst und herausgehoben: Der Mensch kann sich mit sich selbst und seiner Welt geistig auseinandersetzen. Hierdurch ist er nicht einfach identisch mit seinen Affekten und Reaktionen, Stimmungen und Trieben oder seinen Persönlichkeitsmerkmalen, sondern er ist als ihr Träger auch zu einer gewissen Distanz zu ihnen fähig, zur »Selbst-Distanzierung«, und »klebt« nicht einfach an ihnen. Er kann mit ihnen umgehen und Stellung beziehen zu sich selbst. Dadurch ist wesentlich die Würde des Menschen konstituiert. Die Selbst-Distanzierung ist nur eine der geistigen Fähigkeiten des Menschen (Frankl 1990, S. 234-241). Andere sind z. B. Selbst-Transzendenz, Selbst-Annahme, Gewissensentscheidung etc. Da die Fähigkeit der Selbst-Distanzierung jedoch konstitutiv ist für seine Freiheit, eröffnet sie den Spielraum, aus dem heraus der Mensch sich selbst und der Welt gegenübertreten kann. Darum wird sie an dieser Stelle bevorzugt dargestellt.
Die Person (der »Nous« oder das »Geistige« in der Terminologie Frankls) unterscheidet sich in ihrem Wesen vom Psychischen und Somatischen. Sie ist dem Psychophysikum gegenüber prinzipiell frei. Aus dieser Autonomie seiner »geistigen Potenz« kann der Mensch seinen eigenen Bedürfnissen, Trieben, Stimmungen entgegentreten und bis zu einem gewissen Grad »trotz« seiner Ängste, Depressionen usw. dem nachgehen, was er für sinnvoll und richtig in der Situation hält.
Der Mensch ist das gleichzeitige Sein von Körper, Psyche und Geist, das Zusammentreffen von drei differenten, mitunter sogar divergierenden Strebungen. Die Person (das »Geistige«) zeichnet sich dadurch aus, dass es sich in ständiger Auseinandersetzung mit dem Psychophysikum und mit der Welt befindet. Dadurch kann der Mensch sich selbst gegenübertreten und sich auf sich selbst beziehen. Aus dieser Verfassung ergeben sich vier Dimensionen der Existenz.
Abb. 3.1: Die Seinsdimensionen des Menschen: ein vierdimensionales Menschenbild (in Fortführung von Frankl 2005b, S. 61 ff. und modifiziert von Längle 2013b, S. 174)
Jede der Dimensionen hat eine eigene Aufgabe. Dadurch ergeben sich unterschiedliche Strebungen im Menschen. So kann es vorkommen, dass sich der Mensch zeitweise (mehr oder weniger) in einem Spannungsfeld befindet. Jeder Pol hat seinen Gegenpol:
Als physisches Wesen hat der Mensch die Aufgabe, sich um die Erhaltung der Gesundheit zu kümmern. Körperliche Gesundheit besteht in einem reibungslosen Funktionieren der Organe und Systeme. Somit steht die Dimension des Körperlichen zwischen den Polen:
Als psychisches Wesen geht es um Lebenserhalt und Lebenskraft, die Vitalität. Die psychische Dimension ist eine Verschaltungsstelle, in der alle Informationen aus dem Körper, aus den Empfindungen über die vitale Lage, aber ebenso aus der mental-geistigen Ebene eingehen und bezüglich ihrer Bedeutung für das eigene (physische, psychische und geistige) Überleben gewichtet werden. Als Wächterin der vitalen Lage nimmt die Psyche eine stetige »Bewertung« dieser Eindrücke in den Kategorien angenehm und unangenehm, lustvoll oder unlustvoll vor. Unlustgefühle stammen aus inneren Spannungszuständen, die eine Rückmeldung über eine vital gesehen nicht optimale Situation darstellen. Das Erleben von Spannungsreduktion wird üblicherweise als Lust erlebt (z. B. Stillen des Durstes); Aufrechterhaltung von Spannung, oder gar Zunahme von Spannung wird als Unlust, unangenehm oder Frustration empfunden.
In der personalen Dimension geht es um das Ganz-dasein-Können als Person (z. B. freie Entscheidung). Das hat zur Voraussetzung ein sich innerlich In-Empfang-Nehmen (z. B. fühlen der Vorfreude, spüren der Enttäuschung), um selbst-sein und sich in seiner Einmaligkeit inmitten der Welt finden zu können (Längle 1999c). Auf dieser Ebene verfügt der Mensch über das Potenzial für Offenheit und Dialogik (z. B. kann er andere verstehen und mit ihnen darüber sprechen). Das ermöglicht ihm nach außen hin die Begegnung mit anderen Menschen auf der Ebene von Ich und Du (Buber 1973). Damit findet er in der Welt auch Bezüge, durch die er eine Identität erhält (kann sich z. B. mit seinem Partner oder seinem Beruf identifizieren). Zugleich eröffnet ihm die Offenheit nach innen das innere...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.