Schweitzer Fachinformationen
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Bereits vier Menschen sind in einer Serie von Bränden getötet worden. Alles weist darauf hin, dass der Täter immer derselbe ist. Er entfernt zunächst die Brandmelder, kennzeichnet dann die Häuser mit Ziffern - und legt Feuer. Als eine Frau einen Anschlag überlebt und berichtet, dass im Haus Musik zu hören war, während das Feuer wütete, ist Kommissarin Tess Hjalmarsson alarmiert. Dieses Detail kennt sie von einem ihrer ersten Mordfälle, der sie bis heute verfolgt, denn dieser Fall wurde damals nicht aufgeklärt. Tess und ihr COLD-CASE-Team nehmen die Ermittlungen auf und suchen unter Hochdruck nach dem Brandstifter. Denn das tödliche Spiel mit dem Feuer geht weiter ...
»Und was geschieht mit all den Fällen, um die Sie sich nicht kümmern können? Denn es ist ja schlicht unmöglich, in einem einzigen Leben alle aufzuklären?«
Bei der Frage hatte Polizeikommissarin Tess Hjalmarsson sofort die Gesichter der Angehörigen vor Augen: Fredrika, Tim, Göran und Desirée. Jennys Mutter, Solveig. Und sofort meldete sich das schlechte Gewissen zu Wort. Doch sie riss sich zusammen und erinnerte sich daran, was die Jahre als Mordermittlerin sie gelehrt hatten, wie sie denken musste, um mit dieser Arbeit, die sie über alles liebte, zurechtzukommen.
Es war zu erwarten gewesen, dass Vivi Brygge ihr diese Frage stellen würde. Sie hatten es diesmal zwar nicht geschafft, das Programm vor der Sendung durchzugehen, aber die Moderatorin war immer gut informiert, ihre Interviews waren knallhart, und sie hatte keine Scheu, schwierige Fragen anzupacken. Tess mochte sie.
Sie ließ den Blick über das Studiopublikum schweifen. Coronabedingt war nur eine Handvoll Menschen zugelassen, doch die blickten sie erwartungsvoll an.
»Ich gebe die Hoffnung nie auf, diese Fälle zu lösen, aber natürlich .«
Sie suchte nach den richtigen Worten.
». werden auch Sie älter?«, flocht Vivi Brygge ein.
Tess lächelte.
»Ja. Kaum zu glauben, aber so ist es wohl.«
Vivi Brygge lachte.
»Nein«, fuhr Tess fort, »einige Fälle werden einfach ungelöst bleiben, das ist die bittere Wahrheit. Auch wir müssen Prioritäten setzen. Niemand sollte nach so einem Verlust mit dieser Ungewissheit leben müssen, das ist immer eine doppelte Strafe. Und das Mindeste, was wir Ermittler tun können, ist, jeden Stein umzudrehen.«
Vereinzelter, aber herzlicher Applaus füllte das Studio. Normalerweise wurde die Brygge-Show im Slagthuset nebenan aufgezeichnet, heute hatten sie sich jedoch in den beengten Räumen des Fernsehsenders SVT in Malmö zusammengefunden. Acht Personen waren eingeladen worden, um das Live-Ambiente zu gewährleisten, unterstützt wurden sie durch Applaus vom Band.
Vivi Brygge drehte sich wieder zur Leinwand um. Da es ein Greenscreen war, wusste Tess nicht, was darauf zu sehen war.
»Jenny Ramsvik«, sagte Vivi Brygge, »ihre Leiche wurde nie gefunden, doch im Laufe der Jahre ist viel über ihren Fall berichtet worden.«
Tess sah die Moderatorin fassungslos an, nahm sich aber rasch wieder zusammen und schaute ebenfalls zur Leinwand.
»Laut einem Artikel, den ich kürzlich gelesen habe, glauben Sie, dass damals der Falsche für die Tat verurteilt worden ist, und wollen den Fall noch einmal neu aufrollen.«
Tess fluchte innerlich, sie hatte absolut keine Lust, hier zur Primetime den Fall Jenny zu erläutern. Sie versuchte entwaffnend zu lächeln und sah dabei Vivi Brygge an.
»Der Fall Jenny hat von jeher viele bewegt. Doch es gab tatsächlich bereits ein Urteil. Daran können wir nichts ändern.«
Es war die diplomatischste Antwort, die ihr auf die Schnelle einfiel.
»Aber es könnte tatsächlich so sein, wie viele glauben, dass jemand anderes Jenny ermordet hat und damals der Falsche ins Gefängnis gegangen ist?«
Tess rutschte auf ihrem Stuhl hin und her, versuchte eine ausweichende Antwort zu finden.
»Wenn man einen Fall neu aufrollt, der bereits als abgeschlossen gilt, muss man ein Wiederaufnahmeverfahren beantragen, und das ist ziemlich kompliziert.«
Tess schlug die Beine übereinander, wobei sie sehr wohl wusste, was ihre Körpersprache signalisierte.
»Ein heikles Thema, wie ich merke«, sagte Vivi Brygge.
»Ja, es gibt immer jede Menge Leute, auf die wir bei unserer Arbeit Rücksicht nehmen müssen. Es ist schwierig, einzelne Fälle zu kommentieren und genau zu sagen, wie wir dabei vorgehen. Wir dürfen den Angehörigen ja auch keine falschen Hoffnungen machen.«
Vivi Brygge nickte und wechselte Gott sei Dank das Thema.
»Was ihr kleines, erfolgreiches Team angeht .«
»Ja, unser sehr kleines Team«, beeilte sich Tess einzuwerfen.
Es konnte nie schaden, auf ihre mangelnden Ressourcen hinzuweisen, sie war sich sicher, dass sowohl der Polizeidirektor als auch alle anderen regionalen Führungskräfte der Polizei in diesem Augenblick vor den Fernsehgeräten saßen.
»Dennoch ist es Ihnen gelungen, einige der schwierigsten Fälle des Landes aufzuklären. Das ist doch einen Applaus wert, oder was meint das Publikum?«
»Danke«, sagte Tess, nachdem der Applaus verklungen war. »Und derzeit sind wir schon wieder einer weniger. Es ist traurig, dass kein wirkliches Bewusstsein dafür vorhanden ist, wie wichtig auch die Aufklärung alter Fälle ist. So viele Menschen leiden darunter, wenn das unterbleibt. Denn es kommen ja nicht nur die Schuldigen davon, es sitzen auch viele Unschuldige im Gefängnis. Das vergisst man dabei manchmal ganz.«
Jetzt war es Johan Andertorp, an den Tess konkret dachte, der Mann, der für den Mord an Jenny verurteilt worden war.
»Puh, was für eine schreckliche Vorstellung«, sagte Vivi Brygge und blickte theatralisch in die Kamera. »Mörder, die mitten unter uns sind.« Wieder an Tess gewandt, fuhr sie fort: »Und dennoch sollte Ihr Cold-Case-Team bereits mehrfach aufgelöst werden, stimmt das?«
Tess musste innerlich grinsen. Das war genau das, worauf sie gehofft hatte: ein besseres Druckmittel gegenüber der Polizeiführung als zehn Gewerkschaftssitzungen zusammengenommen, und noch dazu zur besten Sendezeit.
»Wie sehen Sie das?«, fragte Vivi Brygge.
»Also, was mich persönlich angeht, so mache ich meine Arbeit gar nicht für den Polizeidirektor oder irgendeinen anderen Chef. Es mag zwar seltsam klingen, aber meine Auftraggeber sind tot, und dennoch leben sie weiter, und zwar durch mich.«
Vivi Brygge machte eine ausladende Geste und schaute ins Publikum. Neuer Applaus brandete auf.
Tess richtete den Blick wieder auf die Leinwand, sie wusste, dass für die Zuschauer dort die Gesichter von Annika, Max und Sara zu sehen waren, die Opfer, deren wahre Mörder sie Jahre nach der Tat zu fassen bekommen hatten. Sie deutete mit dem Finger dorthin.
»Das sind die Menschen, für die ich arbeite, sowie für die vielen Hundert weniger bekannten Opfer, die wir in der Region Süd zu beklagen haben.«
Vivi Brygge nickte.
»Sie meinen, es ist Ihnen völlig egal, was Ihre Vorgesetzten sagen?«
Tess lachte.
»Sie wollen wohl, dass ich arbeitslos werde! Aber im Grunde stimmt es. Und sollte man mich je zwingen, meine Einstellung zu ändern, oder mir einen anderen Arbeitsbereich zuweisen, würde ich noch am selben Tag hinschmeißen.«
Vivi Brygge strahlte, offenbar hochzufrieden mit dieser abschließenden rebellischen Antwort.
»Und damit verabschieden wir uns von unserem heutigen Gast«, sagte sie und beendete die Sendung.
Das Interview war vorbei, und die Titelmelodie erklang. Tess verließ das Podium und atmete tief durch. Livesendungen waren wirklich anstrengend.
Einen Moment lang überlegte sie, ob sie zu weit gegangen war. Es war leicht, so übermütig zu sein, wenn man auf der Fernsehcouch saß. Wenn man aber am darauffolgenden Tag den Chefs und Kollegen auf dem Flur begegnete, war das weniger angenehm. Doch sie hatte nichts gesagt, wozu sie nicht stehen konnte. Wenn sie nicht mehr an den unaufgeklärten Fällen arbeiten könnte, käme das einem Rausschmiss gleich.
Vivi Brygge trat zu ihr. Tess überlegte, ob sie etwas zum Jenny-Ramsvik-Fall sagen sollte. Sie hatten ja im Vorfeld tatsächlich nicht abgestimmt, worum genau es in der Sendung gehen sollte. Tess war einfach davon ausgegangen, dass das Thema nicht zur Sprache kommen würde. Dabei war natürlich klar, dass die verantwortliche Redaktion auch die Berichterstattung anderer zur Kenntnis nahm, und in der vergangenen Woche hatte Lasse Palmqvist von Kvällsposten nun mal auf Quellen verwiesen, denen zufolge der Jenny-Fall wiederaufgenommen werden sollte - welche Quellen das auch immer sein mochten.
»Danke für Ihren großartigen Einsatz«, sagte Vivi Brygge.
Der Sender hatte Tess angeboten, während der Herbstsaison als Dauergast bei ihnen aufzutreten. In »Zehn Fälle mit Tess« sollte sie über diejenigen Fälle berichten, die sie am meisten bewegt hatten.
Tess hatte gezögert, vor allem, weil es viel von ihrer eigentlichen Arbeitszeit als Ermittlerin in Anspruch nehmen würde. Gleichzeitig war ihr natürlich auch bewusst, dass es für ihre eigene Zukunft und die ihres Cold-Case-Teams eine großartige Chance war, wenn sie in der beliebten Brygge-Show auftrat.
Sie nahm ihr Mikro ab und wurde zum Ausgang begleitet. Im Redaktionsraum traf sie auf Sebastian, der die Facebook-Seite der Sendung betreute.
»Viele Kommentare und Fragen heute - schade, dass wir nicht mehr mit reinnehmen konnten«, sagte er und hob den Daumen.
Tess blieb stehen.
»Hoffentlich vor allem positive?«
»Auf jeden Fall«, sagte er. »>Super-Cop hat wieder geliefert<, >Wenn doch alle Polizisten wären wie Tess Hjalmarsson<, um nur ein paar zu nennen. Nur ein Typ bleibt bei seinen nervigen, aggressiven Kommentaren.«
Sebastian überflog die Beiträge.
»Hier.«
Tess beugte sich herunter, um den Kommentar von Sonny0925 auf dem Bildschirm zu lesen.
»Warum sitzt du im Fernsehen und laberst Scheiße, statt dich um deine Fälle zu kümmern?«
Tess seufzte. Sobald man in den Medien präsent war oder sonst irgendwie auffiel, musste man damit rechnen, dass es Leute gab, die einen ständig...
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