Schweitzer Fachinformationen
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Lebe deine Träume, denn du hast nur eine Chance dazu. Jedenfalls bis Gegenteiliges bewiesen wäre.
Heute ist der Morgen, an dem wir eine Reise ohne Rückflugticket antreten. Das habe ich noch nie gemacht. Es ist interessant, was das mit einem macht. Es ist eigentlich eine Kleinigkeit. Rezept: Man buche einfach nur ein Ticket für den Hinflug. Mental ist das schwierig! Wir sind es doch gewohnt, in Zeiteinheiten und Zeitabschnitten zu denken und zu handeln. Getan ist es aber ganz schnell. Ich finde es spannend, mich dabei zu beobachten, was es mit mir macht. Ein letztes Mal im eigenen Bett schlafen, aufstehen und die letzten Handgriffe machen, das Wasser im Haus abdrehen, die Fenster kontrollieren, die Raumtemperatur herabsenken, noch ein letztes Mal duschen und schließlich das Gepäck vor die Türe schieben, absperren und zum Taxi gehen. Alles nicht spektakulär. Aber als ich beim Wegfahren noch einmal auf unser Zuhause blicke, wird mir klar, dass die Tatsache, dass ich kein Rückflugticket gebucht habe, aus dieser Kleinigkeit eine ganz große Sache werden lässt.
Ich bin stolz. Stolz auf uns, dass wir den Mut aufbringen, das zu tun. Stolz auf Nadine, dass sie sich das zutraut mit dem kleinen Baby, das gerade einmal sieben Monate auf der Welt ist. Stolz auf mich, dass ich meine Emotionen und Zukunftsängste nicht kontrollieren kann, und dass ich mein Streben und den Wunsch nach Sicherheit hintanstelle. "Der Mensch strebt, bis er stirbt!" Einer meiner Lieblingssätze, eine zentrale Erkenntnis, wenn man Menschen verstehen will, so finde ich. Ich weiß, ich bin genau so ein Mensch. Ich strebe. Ich will höher, weiter, schneller, besser, mehr und zu viel ist nicht genug.
Aber ich weiß auch, dass zu viel zu viel ist, dass "mehr" nicht immer besser ist. Ich weiß, es gibt die "goldene" Mitte, ein richtiges Maß. Nicht erst als Freimaurergeselle wird mir das zunehmend klarer. Nein - die Erkenntnis über die Symmetrie im Leben, die Erkenntnis, dass es ein "rechtes" Maß gibt, ist ein Produkt der letzten Lebensjahrzehnte, ja bald eines halben Jahrhunderts. Lebenserfahrung als Erfahrung zu Leben und das Leben zu erleben.
Ich war noch nie gut darin, das rechte Maß einzuhalten. Ich war immer besser in den Extremen. Ist es jetzt nicht wieder ein Extrem, einfach ohne Rückflugticket, ohne Job und ohne Aufgabe in die Karibik zu fliegen? Die letzten 25 Jahre habe ich sicherlich mehr gearbeitet als die meisten Menschen in zwei oder drei Erwerbsleben. Ich habe es gemacht, weil ich strebe, wegen des besonderen Kicks, um etwas zu erreichen, das mich und andere überrascht. Meinen Selbstwert leite ich allzu oft von meinem Mehrwert im gesellschaftlich-wirtschaftlichen Kontext ab. Ist es nicht praktisch, dass die Wirtschaft eine Maßeinheit für "Wert" hat? Dieser drückt sich in Geld und Bilanzergebnissen aus. Soziologen haben es da schon viel schwerer, "Wert" zu bemessen. Ich habe aber nicht immer gerne so viel gearbeitet. Ich mag es zwar gerne glauben, mir einreden, aber ich weiß, dass ich mich anlügen würde.
Aber zurück zum Denken in Zeiteinheiten. Ein typischer Urlaub, eine typische Reise hat einen Anfang und ein Ende. Beides wird üblicherweise von einem durch irgendeinen Vorgesetzten genehmigten Urlaub festgelegt. Oder im Fall einer Selbstständigkeit durch eigene betriebliche Zwänge und Umstände. Und in ganz seltenen Fällen werden dieser Anfang und dieses Ende durch eigenkreierte Aufgaben eines Privatiers gesteuert. Denn auch "reich sein" ist Arbeit. Aber unterm Strich bleibt: Wie oft denkt man schon mal nicht in Zeiteinheiten?!
Was mache ich heute für heute und was für morgen? Und warum fällt es mir so schwer, durch den Tag zu gehen, ohne etwas für morgen zu machen?!
Ich leide darunter, dass ich nicht aktiv einen neuen Job suche oder wenigstens etwas "Sinnvolles" mache. Etwas, das mir das Gefühl gibt, meine Zukunft aktiv zu gestalten.
Aber warum? Ich lebe nicht in der Zukunft. Ich lebe jetzt. Und je intensiver ich das mache und je präsenter, umso besser. Wären da nicht die Geister "Pflichtbewusstsein" und "sozialer Erwartungsdruck". Aber auch die Nebengeister "materieller Wohlstand" und "Reichtum" melden sich .
In diesem Buch schreibe ich davon, wie ich mich gezwungen habe, nicht mehr "heute für morgen zu opfern", wie ich eine Pause von meinem Leben gemacht habe. Und letztlich einmal mehr erkannt habe, dass mein einzig wahrer Besitz meine Taten sind. Sie definieren mein Leben so viel mehr als alles Materielle! Es sollte eine faszinierende Reise zu mir selbst werden.
Ich war schon länger nicht mehr hier. Mich überwältigen die Emotionen. Ich teile Schlüsselmomente meines Lebens mit diesem Flughafen. Hier habe ich meinen lieben verstorbenen Freund Agnar mehrfach getroffen. Hier haben wir gemeinsam wichtige Weichen für unseren ehemals gemeinsamen Arbeitgeber gestellt. Ein Weltmarktführer für GFK-Rohrtechnologie und damit verantwortlich für Wassermanagementsysteme.
Ich weiß noch, wie wir uns mitten in der Zeit strikter Ausgangssperren zu Pandemiezeiten im einzigen Flughafenhotel, das einen Notbetrieb aufrecht hielt, getroffen haben. Er reiste aus Norwegen an, ich aus Wien und unser Gesprächspartner aus Istanbul. Das Bemerkenswerte ist, dass Agnar zu diesem Zeitpunkt fast 83 Jahre alt war. Ich fragte ihn, ob er das wirklich möchte, schließlich sei er in mehrfachem Sinn Teil einer Risikogruppe. Seine Antwort war "Wegen einer Grippe bin ich die letzten 80 Jahre nicht zu Hause geblieben, also mache ich das jetzt auch nicht."
Dies war keineswegs Ausdruck mangelnder Intelligenz oder Lebenserfahrung, auch nicht einer stark verspäteten pubertären Oppositionshaltung. Nein, Agnar ruhte in sich selbst wie kein anderer Mensch, den ich jemals getroffen habe. Ein Mensch, der wahrlich im Reinen mit sich und seinem Leben war. Ein Mensch, der auf beeindruckende Art und Weise jeden Tag als Zugabe betrachtete und ihn nutzte. Eine kleine Pandemie konnte ihn nicht aufhalten, nichts konnte ihn aufhalten - bis es eine Bauspeicheldrüsenkrebsdiagnose tat. Aber nicht mal der Krebs konnte ihn daran hindern, seinen eigenen "letzten" Weg zu gehen. Ich spüre Agnar immer noch um mich. Er ist hier. Er wird nochmal eine Rolle in meinem Leben spielen. Das ist mir klar. Ich verstehe nur noch nicht, wie das sein kann. Aber es wird sein.
Jetzt heißt es erstmal den heutigen Tag zu genießen und zu nutzen. Wir haben unser Gepäck schon am Vorabend aufgegeben. Ich habe mich über 100 EUR Gewichtszuschlag geärgert, aber das bezaubernde Personal hat es mir schwer gemacht, mich länger zu krämen, und so verflog dieser Unmut schnell. Monate später werde ich schmunzeln, wenn sich die 69 kg Aufgabegepäck plus 40 kg Handgepäck auf 29 kg plus 12 kg reduziert haben.
Eine glorreiche Idee war die Gepäckabgabe jedenfalls. Heute sind wir einfach auf direktem Weg in die Lounge gegangen und von dort aus unkompliziert in den Flieger gestiegen. Man sollte immer mit einem Baby reisen finde ich. So ein Baby kann mehr als jede Statuskarte - das finde ich wirklich gut! Baby-Status vor Senator- oder Gold-Status! Ich mag nicht darüber nachdenken, was das über unsere Gesellschaft aussagt, dass wir uns so in Klassen einteilen lassen. Legt man sich lieber Statuskarten als Babys zu?
Jedenfalls gelingt alles wunderbar. Nadine ist tiefenentspannt und das ist nicht nur für das Baby gut. Ich schreibe eine letzte Nachricht an unsere Lieben und zitiere dabei meinen Sohn, der leider die Schulbank drücken muss, "erst die Rechte, dann die Linke - beide machen Winkewinke" und damit habe ich nicht die letzten Landtagswahlergebnisse kommentiert!
"Street by street block by block - taking it all back. The youth emerged in poised taking it all back!" Ein Lied meiner Jugend. Ein Lied meiner Opposition und gleichzeitig Ausdruck meines unbedingten Gestaltungswillens. Der Anspruch, Fußspuren zu hinterlassen, die so fett sind wie die eines Dinosauriers im Sandkasten (mindestens) - das war schon als Heranwachsender selbstverständlich für mich. Ein lauter Schrei. Eine brutale Entschlossenheit und die absolute Überzeugung, dass ich das Recht habe, die Welt zu gestalten. Ja, die Welt sogar dringend von mir gestaltet werden will und muss. Schließlich liegt ja vieles im Argen. Ganz im Sinne protestantischer Leistungsethik erzogen, ist die intuitive Annahme, dass Einsatz und Leistung gottgefällig sind und entsprechend honoriert werden, eine tolle Motivation, die Wahrscheinlichkeiten zu ignorieren und mit Selbstvertrauen in das Leben zu ziehen. Meinen Schlachtruf habe ich gefunden: "I am straight edge!" Und keine Lebenssekunde wäre es wert, verschwendet zu werden. Also mit Vollgas ins Leben. Musik spielt eine große Rolle im Leben vieler Heranwachsender. So war und ist es auch in meinem. Ich höre im Flugzeug die Lieder meiner Jugend und weiß "My fight is truth"! Aber...
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