Schweitzer Fachinformationen
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We loved we laughed and we cried
Then suddenly love died
The story ends
And we're
Just friends
Chet Baker - "Just Friends"3
Sind Sie in einer Beziehung oder Single? Haben Sie eine*n Partner*in oder sind Sie alleine? Sind Sie in einer Partnerschaft oder ungebunden? Haben Sie die Liebe bereits gefunden oder die Liebe Sie? Und wenn ja, war es die große Liebe? War es die wahre Liebe? Seid ihr zusammen oder seid ihr nur Freunde? Wie ist Ihr Beziehungsstatus?
Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit haben Sie bei all diesen Fragen an jenen Beziehungstyp gedacht, der alles Sprechen, und damit auch viel zu viel unseres Denkens und Fühlens, über Liebe, Beziehung, Verbindung und Verbundenheit für sich eingenommen hat. Der neben sich keinen Platz lässt und über sich sowieso nicht. Alles, was in unserem Leben an In-Beziehung-Sein abseits von ihm stattfindet, muss sich ihm klar unterordnen. Sie haben vermutlich an jenen Beziehungstyp gedacht, der alle anderen Beziehungstypen durch seine parasitäre Platznahme erstickt und jenen, die sich in ihm befinden, allzu oft keine Luft mehr zum Atmen lässt. Es ist jene Form der zwischenmenschlichen Beziehung, die von erotoromantischem Begehren geprägt ist, nennen wir sie "romantische Liebesbeziehung". Niemand würde schließlich auf die Frage "Bist du in einer Beziehung?" antworten mit: "Ich habe zwei beste Freunde, einen etwas loseren Freundeskreis von etwa zehn Personen, eine Schwester und eine Mutter, mit der ich sehr eng bin." Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum das eigentlich so ist? Haben Sie sich schon einmal gefragt, ob Sie das so wollen? Haben Sie sich schon einmal gefragt, was dabei zu kurz kommt? Haben Sie sich schon einmal gefragt, ob Ihnen das schadet?
Die romantische Beziehung ist so dominant und normativ, dass sie in unserem Sprachgebrauch synonym mit dem Wort "Beziehung" an und für sich verwendet wird. Gleiches gilt für "Partnerschaft". Unser*e "Partner*in" ist jener Mensch, mit dem wir uns in einer romantischen Paarbeziehung befinden, das ist völlig klar und braucht keine näheren Erläuterungen. Aber: Sind nicht auch unsere besten Freund*innen Partner*innen, mit denen wir unser Leben teilen, die uns begleiten, stützen, und mit denen wir in einer liebevollen, von Fürsorge geprägten Verbindung stehen, und das oft länger als mit unseren romantischen Partner*innen, die in der Tat meist Lebensabschnittspartner*innen sind, nicht Lebenspartner*innen? Was ist mit unseren Geschwistern, die schließlich jene Menschen sind, die uns neben unseren Eltern am längsten kennen, mit denen wir oft die längsten Beziehungen unseres Lebens führen, die uns durch alle Phasen unseres Lebens begleiten, von klein auf und oft bis an unser Lebensende? Was ist mit all den anderen Menschen, die uns nicht durch unser ganzes Leben, aber durch Lebensphasen begleiten, warum sind sie keine Lebensabschnittspartner*innen, aber Personen, mit denen wir ein Jahr lang ein Bett teilen, schon? Was ist zum Beispiel mit unseren Mitbewohner*innen, die uns bei Liebeskummer Eiscreme ans Bett liefern und Suppe, wenn wir krank sind? Mit unseren Lieblingsarbeitskolleg*innen, die wir jeden Tag sehen und ohne die wir unseren elenden Job und den schrecklichen Chef nicht ertragen würden? Was ist mit all den platonischen Lieben, all den Freund*innenschaften, den ganz verschiedenen, die uns im Leben begegnen und uns durch dieses Leben tragen?
Wir leben in einer Welt, in der verschiedene Beziehungstypen in einer starren Hierarchie zueinander stehen, zueinander gestellt wurden. An der Spitze thront die romantische Paarbeziehung, idealerweise in ihrer heterosexuellen Form und in ihrer monogamen Form (zumindest für die Frau). Alles andere wird irgendwo darunter einsortiert, ist mit wesentlich weniger Wichtigkeit, Bedeutung, mit weniger Beachtung und Besprechung, aber auch mit weniger (de facto mit keiner) ökonomischer oder rechtlicher Absicherung belegt.
Wer in keiner romantischen Beziehung ist, ist deshalb "Single", auch wenn dieser "Single"-Mensch ein dichteres Netz an engen, liebenden Beziehungen hat als viele andere, die in einer Beziehung sind (Ich werde in diesem Buch das Wort "Single" deshalb auch, wann immer es geht, unter Anführungszeichen setzen). Wer "Single" ist, ist alleine, wer "Single" ist, ist alleinstehend, auch wenn er drei beste Freund*innen hat und vier Geschwister, mit denen er eng in Beziehung steht. Wer keine romantische Beziehung hat, ist ungebunden, da alles an Beziehung abseits der Romantik-Norm nicht als eng verbunden, nicht als verbindlich oder "committed" gedacht wird. Wer hingegen in einer romantischen Beziehung ist, ist mit seinem*r Partner*in in einer festen Beziehung, oder wie man auf Wienerisch sagt "fix zam", auch wenn diese romantische Beziehung gerade mal drei Monate dauert, während man mit seinen engsten Freund*innen nicht fix zam ist, obwohl man einander zwanzig Jahre kennt und einander treu zur Seite steht. Mit Freund*innen ist man nicht zusammen, mit ihnen sind wir nicht in einer festen Beziehung, sondern eben nur Freunde. Ist man in einer romantischen Beziehung, ist man mehr als nur Freunde. Wenn sich Menschen aus einer romantischen Bindung schälen wollen, aber nicht so ganz wissen, wie, schlagen sie gerne vor, Freunde zu bleiben, denn das ist, so die implizite Überzeugung, die geringere Beziehung, die wenigere Beziehung - die weniger wichtige, die weniger Zeit kostende, die weniger relevante, die einfachere, die weniger nahe. Als würde die mühsame Beziehungsarbeit nicht erst in dem Moment so richtig beginnen, in dem man sich (idealerweise gemeinsam) entscheidet, den Beziehungstyp, in dem man sich zueinander befindet, zu verändern. "Lass uns Freunde bleiben" ist ein Versuch, sich vor Verantwortung zu drücken, als würde man nicht genau in dem Moment vor- und füreinander die Verantwortung haben, Verletzungen und Enttäuschungen aufzuarbeiten, um die neue, andere Beziehung auf ein tragfähiges Fundament zu stellen. Es funktioniert als Cop-out deshalb, weil Freundschaften als Beziehungen nicht ernst genommen werden, weil sie mit der Idee belegt sind "low maintenance" zu sein - ein Begriff, der oft in Bezug auf Freundschaften verwendet wird, sich aber ursprünglich auf die Wartungsintensität von Maschinen und Geräten bezieht, also darauf, wie pflegeleicht Gegenstände sind. Bereits in der Begrifflichkeit ist also implizit, wie sehr Freundschaft geringgeschätzt wird und wie sehr Freund*innen in dieser Geringschätzung entlang von Nutzbarkeit und Benutzbarkeit vergegenständlicht werden. Die Erwartungshaltung ist, dass Freund*innen bedürfnislos zu sein haben, dass sie keine Ansprüche haben dürfen, dass "Freundschaft" bedeutet, man müsse nun keine ernsthafte Beziehungsarbeit mehr betreiben, weil Freundschaft eben nur Freundschaft ist und nicht Beziehung.
Wenn misogyne Männer Frauen als potenzielle Sex-partnerinnen klassifizieren und diese aber - Gott bewahre - nur mit ihnen befreundet sein wollen, sprechen ebendiese Männer gerne von der Friendzone, in die sie bedauerlicherweise verfrachtet werden, als wäre es die schlimmste Strafe der Welt, dass ein anderer Mensch mit ihnen befreundet sein will. An der Stelle muss natürlich angemerkt werden: Der Affront besteht selbstverständlich auch darin, dass die Frau ja eben nicht als Mensch, sondern als Sexobjekt verstanden wird, und dann aber die schockierende Frechheit besitzt, als Objekt einen eigenen Willen zu artikulieren, und darüber hinaus darin, dass Frauen von genannten Männern kein Wert jenseits ihres Wertes als Sexobjekt zugesprochen wird, keine Funktion jenseits ihrer Funktion als sexuelle Bedürfniserfüllerin - Frauen sind keine Menschen, sondern Sexautomaten in Menschengestalt, in die man Freundlichkeit reinwirft, bis Sex herausfällt. Wenn der Automat die Lieferung verweigert, ist das selbstverständlich höchst ärgerlich.
Freundschaft, in jedem Fall, wird gerne und oft und in vielen Kontexten vom Wort nur begleitet. Wir sind nur Freunde, nicht zusammen, nicht in einer Beziehung.
Selbstverständlich ist man in einer engen, tragenden Freundschaft alles davon: Man ist in einer Beziehung, man ist zusammen, sogar fix, man ist einander Partner*in, man liebt, man ist alles, nur nicht nur.
Unser Sprechen über Beziehung und Liebe spiegelt das allerdings nicht wider, sondern ist von einer ständigen Abwertung von Freundschaft und von einer ständigen Zentrierung, Romantisierung, Privilegierung und einer Überzeichnung mit Bedeutung der romantischen Beziehung geprägt. Wir haben kaum ein sprachliches Repertoire zur Verfügung, um über Liebe jenseits der Romantik überhaupt auch nur sprechen zu können, denn all unser Sprechen, all unsere Worte über Liebe und Verbindung und Beziehung sind von Letzterer eingenommen. Und so ist...
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