Schweitzer Fachinformationen
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Unmittelbar nach meiner Kündigung beim Fahrradhersteller verspürte ich zunächst wenig Motivation, mich beruflich neu aufzustellen. Ich hatte in den letzten Jahren genug verdient, um nicht auf einen Vollzeitjob angewiesen zu sein, und in mir schlummerte weiterhin der Wunsch, eines Tages mein eigener Chef zu sein. Da ich dennoch nicht der Typ dafür war, auf der faulen Haut zu liegen und nichts zu tun, unterstützte ich einen guten Freund, Markus, der mit Immobilien handelte, hin und wieder bei seinen Projekten und verdiente mir so ein bisschen was dazu. Diesen wenig abwechslungsreichen Lebensstil pflegte ich, bis ich eines Tages die Ausgabe der örtlichen Wochenzeitung kaufte, die mein Leben nachhaltig verändern sollte.
»NACHTCLUB ZU VERKAUFEN«
Ich hatte derart desinteressiert durch die Zeitung geblättert, dass ich die fast schon winzige Annonce beinahe überlesen hatte. Glücklicherweise war ich gerade aufmerksam genug gewesen, um die drei Wörter, die in dicken schwarzen Lettern auf der letzten Seite der Zeitung zu lesen waren, richtig zu verarbeiten. Anstatt die Zeitung wegzulegen, richtete ich mich auf und las mir die Annonce durch. Augenscheinlich hatte der Pächter eines Würzburger Nachtclubs namens »Malibu« den Betrieb eingestellt, sodass die Besitzerin das Objekt nun veräußern wollte. Ich zögerte nicht lange und wählte die Nummer, die unter der Annonce aufgeführt war. Nach einem kurzen Klingeln hatte ich die Besitzerin des Clubs am Telefon. Wir unterhielten uns kurz, und nachdem ich mein Interesse deutlich gemacht hatte, lud sie mich für die folgende Woche zu einer Besichtigung ein. Nachdem ich aufgelegt hatte, musste ich umgehend an die Worte denken, die mein Vater mir entgegengeschleudert hatte, nachdem ich knapp fünf Jahre zuvor auf die Schnapsidee gekommen war, mit gerade einmal 18 Jahren eine eigene Bar zu eröffnen. »Du bist kein Unternehmer.« Verdammt. Ich war inzwischen zwar stolze 23 Jahre alt und hatte in den letzten fünf Jahren einige Erfahrungen im Berufsleben sammeln können, doch ich hatte weder die nötigen finanziellen Mittel noch das unternehmerische Talent, das es gebraucht hätte, um allein einen Nachtclub zu kaufen - geschweige denn, ihn zu führen. Ich musste mir etwas einfallen lassen. Ich wusste sofort, dass es keine Option war, erneut meine Eltern anzupumpen. Wozu auch? Um mir erneut anzuhören, dass ich kein Unternehmer war und lieber eine Lehre hätte abschließen sollen? Darauf konnte ich definitiv verzichten. Stattdessen rief ich Markus an und bat ihn, am Abend bei mir vorbeizukommen. Markus ging schon stark auf die 40 zu und hatte durch seine jahrelange Arbeit im Immobilienbereich genug Erfahrung und finanzielle Mittel angesammelt, um mich bei meinem Vorhaben zu unterstützen. Ich fragte ihn, ob er bereit sei, die Finanzierung des »Malibu« für mich zu übernehmen, und bot ihm im Gegenzug an, zur Hälfte an allen Gewinnen beteiligt zu werden. Er zögerte kurz, stimmte der Idee aber schlussendlich zu unter der Bedingung, nur als stiller Teilhaber zu fungieren und nichts mit dem Milieu zu tun zu haben. Ich atmete auf. Es erschien mir bedeutend schlauer, mit einem erfahrenen Geschäftsmann wie Markus zur Besichtigung zu erscheinen, als mit meinen 23 Jahren allein dort aufzutauchen.
Am Tag der Besichtigung machten Markus und ich uns mit dem Auto auf den Weg nach Würzburg, wo wir am späten Nachmittag vor dem »Malibu« eintrafen. Das, was in der Zeitung als klassischer Nachtclub ausgeschrieben gewesen war, entpuppte sich in der Realität erwartungsgemäß eher als eine Mischung aus einer Bar und einem Bordell. Die Dekoration, die Beleuchtung, die gesamte Aufmachung - alles entsprach genau meiner Vorstellung von einem Bordell, und ich erinnerte mich daran zurück, wie ich als fünfzehnjähriger Junge mit großen Augen vor dem Fernseher gesessen hatte, als ich erstmals ein solches von innen sah. Im Laden erwartete uns eine knapp 70-jährige Frau, die in Begleitung ihres Sohnes erschienen war und sich uns als Besitzerin vorstellte. Sie entsprach optisch in etwa dem, was man sich Mitte der Neunziger unter einer klassischen Puffmutti vorstellte, und erzählte uns, dass sie den Schuppen jahrzehntelang selbst geführt hatte, bevor sie sich entschlossen hatte, ihn für einige Jahre zu verpachten. Die Zusammenarbeit mit dem Pächter, so die Besitzerin, hatte dann auf unschöne Weise ein Ende gefunden, weswegen sie nun beschlossen hatte, den Laden endgültig zu verkaufen. Anfangs wirkte sie ein wenig verwundert darüber, dass ausgerechnet ich mit meinen 23 Jahren den Laden übernehmen wollte.
»Hast du so was denn schon einmal gemacht?«, fragte sie.
Ich verneinte. Sie wirkte weiterhin ein bisschen skeptisch, doch die Anwesenheit meines offensichtlich deutlich älteren Geschäftspartners schien sie zu beruhigen. Und im Endeffekt konnte es ihr ja auch völlig egal sein, was nach dem erfolgreichen Verkauf mit dem Laden geschah. Gemeinsam mit ihrem Sohn, der Anwalt war und später den Verkauf abwickeln sollte, führte sie uns schließlich durch den Laden und machte uns mit den Gegebenheiten vor Ort vertraut. Nachdem Markus und ich ihr von meinen Plänen mit dem »Malibu« erzählt hatten, verabschiedeten wir uns und verblieben so, dass wir uns nach ein paar Tagen Bedenkzeit bei ihr melden würden, um sie über unsere finale Entscheidung bezüglich des Kaufs zu informieren. Das fühlte sich professionell und richtig an, doch eigentlich hätte es diese Bedenkzeit definitiv nicht gebraucht. Für mich war die Sache klar: Ich musste diesen Laden haben!
Und so wurde ich Besitzer des »Malibu«. Die Zeit nach der Übernahme des Ladens verging für mich wie im Flug. Es war ein unglaubliches Gefühl, endlich meinen eigenen Nachtclub zu haben, doch mit dem Tag, an dem die ehemalige Besitzerin uns das »Malibu« im Beisein ihres Sohnes überschrieb, fing die Arbeit so richtig an. Ich war völlig unerfahren auf dem Gebiet und stand plötzlich vor der Mammutaufgabe, ohne jegliche Art von Beziehungen einen funktionierenden Nachtclub aus dem Boden zu stampfen. Während Markus sich um die Renovierung des Ladens kümmerte, entschloss ich mich, einen guten Bekannten zu kontaktieren, der im gleichen Viertel wohnte wie ich. Ich wusste, dass seine Frau Johanna früher einmal anschaffen gegangen war, und bat ihn, ein Treffen zwischen uns zu arrangieren, bei welchem ich ihr anbot, im »Malibu« als Barkeeperin anzufangen und mich bei der Organisation zu unterstützen. Dass Johanna direkt begeistert von der Idee war, kann rückblickend als einer der größten Glücksfälle meiner noch jungen Karriere verzeichnet werden. Johanna war fast 15 Jahre älter als ich und brachte durch ihre jahrelange Arbeit im Milieu nicht nur die nötige Erfahrung, sondern auch einiges an Beziehungen und Wissen mit ins »Malibu«. Außerdem war sie die Erste, die mich darüber aufklärte, was der Einstieg ins Milieu für mich auf einer rechtlichen Ebene bedeutete. Obwohl wir nur ein paar Jahre von der Jahrtausendwende entfernt waren, wehte in Bezug auf die rechtliche Grundlage von Bordellen, Laufhäusern und Nachtclubs noch ein völlig anderer Wind, als es heutzutage der Fall ist. Insbesondere für uns als Betreiber eines Nachtclubs bedeutete dies, dass wir erfinderisch werden mussten. Offiziell war es Nachtclubs damals aufgrund der strengen Gesetze nämlich nicht gestattet, sexuelle Handlungen gegen Bezahlung anzubieten. Erlaubt war unseren Kunden lediglich das Buchen von Tänzerinnen sowie die Inanspruchnahme von Separees, solange dort keine sexuellen Handlungen vorgenommen wurden. In der Theorie klingt das nach einer argen Limitierung des Geschäfts, in der Praxis hielt sich aber kaum jemand an diese Gesetze. Stattdessen war es gang und gäbe, dass Kunden gegen ein Entgelt mit einer der offiziell als Stripperinnen beworbenen Tänzerinnen ins Separee verschwinden konnten - und was im Separee passierte, blieb auch im Separee. Wieder einmal galt also das, was ich schon in jungen Jahren in Rumänien gelernt hatte: Wo kein Kläger, da kein Richter.
Obwohl ich nun also eine erfahrene und fähige Bar-Chefin hatte und über die rechtlichen Hintergründe aufgeklärt worden war, blieb ein zentrales Problem bestehen: Wie sollte ich einen Nachtclub mit Tänzerinnen zum Laufen bringen, wenn ich keinerlei Draht ins Milieu hatte und dementsprechend auch keine Tänzerinnen kannte? Wieder einmal war es Johanna, die mir bei der Lösung des Problems zur Seite sprang. Sie hatte aufgrund ihrer Vergangenheit gute Beziehungen zu einer Hamburger Agentur, welche uns binnen kurzer Zeit mehrere Tänzerinnen vermitteln konnte. Somit stand der Eröffnung nichts mehr im Wege. Obwohl ich zu diesem Zeitpunkt deutlich nervös und angespannt war, war ich doch auch überglücklich: Ich war kurz davor, mir endlich meinen Traum zu erfüllen. Und auch privat hätte es damals nicht besser laufen können. Da die Renovierungsarbeiten im »Malibu« eigentlich rund um die Uhr meine Anwesenheit voraussetzten, hatte ich...
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