Schweitzer Fachinformationen
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»Also, weshalb hast du dich für das Studium der sozialen Arbeit entschieden?« Der Typ, der sich erst vor wenigen Minuten mit einem freundlichen Lächeln als Simon vorgestellt hat, sieht von seinem Notizheft hoch, das er mit seiner linken Hand festhält. Er führt den Stift, mit dem er bis eben eifrig in sein Heftchen gekritzelt hat, an seine Lippen und wartet gespannt auf meine Antwort. Seine Brille ist ihm ein ganzes Stück in die Mitte der Nase gerutscht, was ihn für mich durch und durch sympathisch macht. Er sieht aus wie Clark Kent. Nur jünger, weniger muskulös und nicht so, als wäre er gerade Superman.
Nicht nur Simon wirkt nett, die Besichtigung übertrifft auch alle bisherigen. Kein Vergleich zur Wohnung des alten Mannes, der, bis auf seine Hautfarbe, aussah wie 50 Cent und offensichtlich junge Studentinnen als Untermieterinnen suchte. Zu meiner Überraschung traf ich dort tatsächlich zwei junge Frauen an, die keineswegs verstört wirkten. Trotzdem kam das Zimmer nicht infrage. Old 50 Cent war nicht der Grund, es war zu klein und außerdem zu dunkel.
»Schätze, ich will diejenigen, die den alltäglichen Wahnsinn nicht ertragen, begleiten. Wie sieht es bei dir aus? Lass mich raten, Psychotherapie? Nein. Psychologie, nicht wahr?« Ich deute mit dem Finger auf ihn und halte seinem Blick stand, der mich glasig mustert und geheimnisvoller nicht sein könnte. Er hat dieses gewisse, undurchsichtige Funkeln in seinen Augen, doch was sein Studium angeht, habe ich ihn durchschaut. Ganz bestimmt sogar.
»Sie gefällt mir.« Das Mädchen, das so wirkt, als wäre es gerade erst Achtzehn geworden, stößt Simon in die Seite und lacht herzhaft auf.
»Ich warne dich, Paula«, sagt er, während er sie gespielt bedrohlich anfunkelt. Und wir wissen alle, dass Clark Kent nicht wirklich düster dreinschauen kann, jedenfalls nicht, wenn er Clark ist. Superman kann das natürlich.
Himmel, ich würde alles darauf setzen, dass er unsterblich in sie verliebt ist und sie es nicht mal ahnt. Er könnte ihr Superman sein.
Während mich die Augenpaare eingehend mustern und sich vermutlich unschlüssig darüber sind, wer mit der Befragung weitermachen soll, weil sich Simon nicht sonderlich gut dabei anstellt, meine schäbigsten Angewohnheiten herauszufinden, sehe ich mir über ihre Köpfe hinweg die Wohnung an. Zumindest das, was ich von hier aus erkennen kann.
Dabei fällt mein Blick sofort auf ein märchenhaftes Bücherregal aus Walnussholz, das den ganzen Raum zu wärmen scheint. Das Wohnzimmer ist nicht modern, sondern eine Mischung aus zusammengetragenen älteren Möbelstücken, die mir augenblicklich ein heimeliges Gefühl einhauchen. Ich fühle mich wohl, obwohl ich erst seit wenigen Minuten hier sitze und mir das alles fremd erscheinen müsste. Und als ich zwischen Paula und Simon hin- und hergucke, weiß ich, dass wir uns auf Anhieb verstehen würden.
Doch als mein Blick zu meinem möglicherweise zukünftigen Mitbewohner Yasin schweift, stelle ich das auf der Stelle infrage. Unvermittelt trifft mich seine kühle Ablehnung. Ich bin erleichtert, als sich Paula räuspert und ich einen Grund habe, mich von ihm abzuwenden. Doch zurück bleibt eine bittere Vorahnung. Er will mich hier nicht haben, das steht fest.
Ich will diese Wohnung unbedingt und hoffe, dass mir Yasin nicht in die Quere kommt. Ich brauche sie so sehr. Das Letzte, was ich gebrauchen kann, ist Mitleid. Und noch weniger, dass sie sich über die Beweggründe erkundigen, weshalb ich mich erst unterm Semester nach einer Bleibe umsehe. Ich will nicht darüber sprechen, meine Vergangenheit hinter mir lassen und einen verflixten Neustart. Jetzt.
»Wann könntest du einziehen?«, fragt Simon, der seinen Notizblock inzwischen auf dem schmalen Tisch neben sich abgelegt hat.
»Sofort«, antworte ich, allem Anschein nach zu schnell, denn Paula wirkt erschrocken. »Herrje, du bist obdachlos?«
Ich lache. »Nein, natürlich nicht. Ich lebe etwa zwei Stunden von hier. Ich will nicht mehr pendeln«, erkläre ich, doch das ist nur die halbe Wahrheit.
Paula atmet erleichtert auf. »Also, könntest du dir die Miete leisten?« Ihre Stimme wird zum Ende der Frage hin dünner, denn das Zimmer ist nicht gerade günstig.
»Ich nicht«, gebe ich zu, ehe sich ein Lächeln über mein Gesicht ausbreitet. »Aber mein Vater.«
Man könnte meinen, wir würden uns schon eine halbe Ewigkeit kennen, denn wir strahlen einander an, als wären die nächsten Semester auf dem College ein Kinderspiel. Gemeinsam stehen wir das durch, oder so ähnlich.
Während Paula und ich uns anhimmeln, rollt Simon mit den Augen und Yasin stiert uns skeptisch entgegen.
»Meine Lieben, das hier ist noch nicht entschieden.« Simons Worte lassen mich von Wolke sieben plumpsen. Er deutet zwischen uns hin und her. »Es gibt noch Fragen«, vermeldet er, während seine Braue eindrucksvoll noch oben wandert. Yasin stößt unterdessen ein genervtes Brummen aus, das wohl verdeutlichen soll, wie viel er von den Fragen hält.
»Ach, Simon, können wir nicht gleich entscheiden?« Paula klimpert mit den Wimpern und zieht eine Schnute.
Zu meiner Überraschung bleibt Simon hart und lässt sich nicht darauf ein, obwohl ich ihm anmerke, dass er sich alle Mühe geben muss, nicht einzuknicken.
»Pizza oder Burger?«
»Pizza«, antworte ich und gleichzeitig bezweifle ich, ob er jemals ein guter Psychologe werden wird. Was zum Teufel soll das eigentlich?
»Nachthemd oder Pyjama?«
Ich runzle die Stirn. »Äh, weder noch.« Als ich das sage, bemerke ich Yasins Blick, der mich von meinen Beinen aufwärts scannt. Nicht auf die gute Art.
»Warum sollte sie zum Schlafen was tragen, sie läuft ja auch so halbnackt rum.«
»Yasin, du Chauvi! Lass deine schlechte Laune nicht an Elli aus«, rügt Paula ihn, dabei blickt sie ihn äußerst streng an. Diese kraftvolle Stimme und Souveränität hätte ich ihrer mädchenhaften Gestalt nicht zugetraut. »Hör nicht auf ihn. Er ist heute mies drauf, sonst ist er nicht so, nicht wahr, Yasin?«
»Nein, so bin ich wohl nicht. Wenn Paula das sagt .« Seine Aura trifft mit einer brachialen Wucht auf mich und lässt mich hart schlucken. Er ist so vollkommen anders als ich.
»Hört zu, ich esse für mein Leben gerne, lieber Pizza als Burger, aber eigentlich mag ich beides. Vielleicht sieht man das auch an meinen Hüften. Ich kümmere mich regelmäßig um den Haushalt, und als Zuhörerin bin ich spitze. Als Partybegleitung eigne ich mich übrigens auch ganz gut.« Ich mache eine flüchtige Pause und hole erneut tief Luft. »Mein Gefühl verrät mir, dass ich hier unbedingt einziehen muss. Also, ich würde gerne hier wohnen. Überlegt es euch in aller Ruhe und gebt mir Bescheid.«
Ich warte ihre Erwiderung nicht ab, erhebe mich und lächle ihnen entgegen, ehe ich mich zur Tür wende.
Als ich im Vorraum meine Schuhe anziehe, höre ich tapsende Schritte näherkommen. »Du hast das Zimmer«, flüstert Paula euphorisch. Im nächsten Moment räuspert sie sich. »Gut, dann rufen wir dich morgen an und teilen dir unsere Entscheidung mit«, sagt sie viel zu laut, während sie mir kichernd entgegenstrahlt.
Ich kann nicht anders, ich ziehe sie freudig an mich und hauche ihr ein Danke entgegen.
Als die Eingangstür hinter mir zufällt und ich in den strahlend blauen Himmel hinaufblicke und die frische Herbstbrise inhaliere, weiß ich, dass es von nun an besser wird. Bestimmt sogar. Beflügelt vom Glück drehe ich eine Pirouette und grinse der Sonne entgegen.
Die Besichtigung liegt erst zwei Tage zurück. Gestern habe ich die offizielle Zusage für das Zimmer erhalten. Wie vereinbart hatte sich Simon bei mir gemeldet. Ich konnte meine Freude kaum zurückhalten und mir ein Kreischen nur schwer verkneifen.
Deshalb sortiere ich die Kleidungsstücke aus, die ich unbedingt in meine neue Bleibe mitnehmen will. Mein neues Zimmer ist nicht gerade groß, weshalb ich nur einen meiner Kleiderschränke mitnehme. Auch die Kommode, in der ich allerlei Krimskrams aufbewahre, bleibt hier. Lediglich das Bett, der Kleiderschrank und der Schreibtisch kommen mit. Und meine Nähmaschine, für die ich bestimmt ein passendes Plätzchen finden werde. Für die anderen Dinge lasse ich mir was einfallen. Vielleicht fahre ich an den Wochenenden hierher, immerhin ist das mein Zuhause. Und wenn Caleb auch kommen würde, wäre das schön. Doch er ist immer seltener hier. Es kommt schleichend, wie bei Dad.
»Meine kleine Schwester breitet also die Flügel aus«, höre ich eine mir allzu bekannte Stimme vom Korridor aus rufen. Ich habe ihn bereits zwei Wochen nicht zu Gesicht bekommen, und hätte ich nicht um seine Hilfe gebeten, wären vermutlich weitere Wochen dazugekommen.
Mein Bruderherz ist Chief Marketing Officer in der Marketingfirma Englands. Zumindest behauptet er das. Gut möglich, dass er schlicht und einfach keine Lust hat, sich öfter sehen zu lassen, um mit seiner kleinen Schwester...
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