Schweitzer Fachinformationen
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Emotionen sind die maßgeblich treibende Kraft hinter jedem Lernen und Verhalten des Hundes. Als wir 2010 im ersten Band der Blauerhund®-Konzept-Reihe erstmals unser emotionales Lernmodell beschrieben haben, war Jaak Panksepp (1943-2017) unter Hundebesitzern noch weitestgehend unbekannt.
Der estnisch-US-amerikanische Psychologe forschte seit den 1970er-Jahren zu den Zusammenhängen von Hirnaktivität und Sozialverhalten und beschrieb sieben verschiedene Emotionssysteme im Gehirn:
Wut,
Angst,
Seeking (allgemeine Motivation),
Lust,
Fürsorge,
Panik
und Spiel.
Mithilfe des emotionalen Lernmodells und Panksepps Emotionssystemen lassen sich Hundeverhalten heute besser denn je verstehen und unsere darauf abgestimmten Trainingstechniken nachvollziehen. Panksepp erklärt Emotionen als komplexe Reaktionsmuster des Körpers und des Gehirns auf seine Umwelt, die dem Lebewesen vermitteln, was gut oder schlecht und was zum Überleben wichtig ist. Emotionale Gefühle entstehen dabei direkt im Gehirn, im Gegensatz zu sensorischen Gefühlen, die über die Sinnesorgane ausgelöst werden, und körperlichen Gefühlen wie Hunger oder Durst. Emotionen kann man sich demnach als Bedürfnisse des Gehirns vorstellen, die das Verhalten beeinflussen oder, wie wir es immer formulieren: Die Emotionen des Hundes sind der Motor hinter seinem Verhalten.
Den sieben Emotionssystemen liegen verschiedene neuronale Schaltkreise zugrunde, die sich teilweise überschneiden, teilweise aber auch über spezifische Hirnstrukturen und Botenstoffe verfügen. Konkret wird Verhalten durch die Aktivierung oder Hemmung dieser Schaltkreise hervorgerufen. Lernmechanismen funktionieren mit und über diese Emotionssysteme, indem verstärkende oder hemmende Gefühle entstehen. Vereinfacht kann man sagen, dass vor allem die Stärke der Emotion und damit der Grad der Erregung über das Verhalten des Hundes bestimmen. Unsere Erregungsskala (Abbildung 1) verdeutlicht die einzelnen Stufen dieses Erregungsprozesses.
Am unteren Ende der Erregungsskala gibt es einen Bereich, der grau gefärbt ist. Dort würden wir einen Hund einordnen, der in eine Art Depression abgerutscht ist. Seine Handlungsbereitschaft ist extrem reduziert, seine emotionale Erregung nahezu null. Ist die Erregung gering bis mäßig, ist dagegen alles im grünen Bereich. Je stärker nun die emotionale Erregung des Hundes ansteigt, desto weiter nähert sich der Wert auf der Skala dem roten Bereich. Die Bereiche Grün und Gelb sind dadurch gekennzeichnet, dass der Hund fähig ist, sich bewusst zu verhalten, Neues zu lernen und erlerntes Verhalten zu zeigen. Wir bezeichnen diesen Teil der Skala als blaues Fenster.
Je weiter es in Richtung Rot geht, desto mehr nimmt das bewusste Verhalten ab und instinktives Verhalten kommt zum Vorschein. Ab einem gewissen Punkt der Erregung ist der Hund nicht mehr ansprechbar und reagiert "kopflos". Durch ein entsprechendes Training lässt sich der Bereich vergrößern, indem der Hund sich bewusst verhält.
Abbildung 1
Links: Die Erregungsskala mit blauem Fenster.
Rechts: Durch gezieltes Training lässt sich das blaue Fenster auf höhere Erregungsstufen ausdehnen.
(Grafiken: Rolf Franck)
Abbildung 2
Anhand unseres emotionalen Lernmodells (mit Erregungsskala in der Mitte) lassen sich verschiedene Lernprozesse nachvollziehen.
(Grafik: Rolf Franck)
Ohne gezielte Förderung umfasst das blaue Fenster für bewusstes Verhalten nur die Bereiche Grün und Gelb. Um spätere Verhaltensprobleme zu vermeiden, ist es daher wichtig, schon mit einem Welpen viele Übungen zur Selbstkontrolle zu machen. Spieltraining auf hohem Erregungsniveau nach festen Spielregeln ist ein Beispiel dafür, wie Hunde lernen können, sich selbst zu kontrollieren und dadurch auch im orangefarbenen Bereich noch bewusste Entscheidungen treffen zu können.
Unser Modell des emotionalen Lernens beim Hund lässt sich am besten ausgehend von einem wahrgenommenen Reiz nachvollziehen: Die anfängliche Bewertung eines Reizes in positiv oder negativ erfolgt oft aufgrund von genetischen Veranlagungen. So reagieren wohl alle Hunde mit Interesse auf einen Bewegungsreiz. Wenn also ein Welpe erstmalig einen rollenden Fußball sieht, wird er vermutlich hinterherlaufen und feststellen, dass sich diese Aktivität gut anfühlt. Dass das Sehen und Verfolgen eines rollenden Balles als positiv empfunden wird, hängt damit zusammen, dass ein Jäger schnell auf fliehende Tiere reagieren muss, um sie zu fangen. Trotz der Evolutionsgeschichte können Hunde ihre enge genetische Verwandtschaft zum Wolf nicht verleugnen. Wölfe und später Hunde, die diese Verknüpfung zwischen Bewegungsreiz und positiver Emotion stärker hatten als andere, waren erfolgreicher und konnten so ihre Veranlagung an ihre Nachkommen weitergeben.
Der Reiz "rollender Ball" löst eine positive Emotion aus, die vorerst mit einer mäßigen emotionalen Erregung einhergeht. Der junge Hund verfolgt den Ball (Verhaltensreaktion) und hat Spaß (Konsequenz) dabei. Über die Rückkopplung, die an jedem Punkt des emotionalen Lernprozesses einsetzen kann, verstärkt sich die ursprünglich positive Emotion beim Anblick des Balls. Darf der Welpe nun mehrfach beim Fußballspielen dabei sein und hinter dem rollenden Ball herrennen, verändert sich die Stärke der positiven emotionalen Erregung: Sie wächst und wächst und wächst. Irgendwann ist der kleine Hund so weit, dass er sich beim Anblick von Bällen nicht mehr zusammenreißen kann. Seine Erregung ist so groß, dass er nur noch instinktiv mit Hinterherhetzen reagieren kann. Emotionen bewirken also das Lernen derjenigen Verhaltensweisen, die sich unter bestimmten situativen Bedingungen als erfolgreich erwiesen haben. Gleichzeitig regulieren sie Intensität und Ausdauer dieser Verhaltensweisen. Eine Handlung, die Spaß macht, also mit einem positiven emotionalen Zustand einhergeht, wird fortgeführt beziehungsweise wiederholt.
Emotionen führen auch dazu, dass Verhaltensweisen, die negative Folgen hatten, schnell im Gedächtnis verankert werden. Fühlt sich ein Verhalten während seiner Ausführung schlecht an, wird es verändert oder abgebrochen. Hat es negative Konsequenzen, wird es ebenfalls reduziert. Um beim Beispiel des Welpen zu bleiben, stellen wir uns nun vor, dass dieser mit einem Luftballon statt des rollenden Fußballs Bekanntschaft macht.
Wenn ein Welpe erstmalig einen Luftballon sieht, der sich vom Wind angetrieben über eine Wiese bewegt, wird er sicher hinterherrennen. Was, wenn nun aber der Ballon mit einem lauten Knall zerplatzt, gerade in dem Moment, als der kleine Hund ihn eingeholt hat? Ziemlich plötzlich wird der Welpe eine negative Emotion mit dem Anblick von Luftballons verknüpfen, er wird erschrecken und erst einmal das Weite suchen (Verhaltensreaktion). Durch den Rückkopplungsprozess werden bei jeder neuen Begegnung mit einem Luftballon die negativen Emotionen wieder geweckt.
Der Welpe wird als Reaktion auf den Anblick eines neuen Ballons Abstand halten oder sogar weglaufen. Nach jeder dieser vermeintlich gefährlichen Situationen wird er sich so erleichtert fühlen (Konsequenz für das Verhalten Abstand halten/Weglaufen), dass seine Furcht vor Ballons immer mehr zunimmt. Was, wenn der nächste Ballon von einem Kind gehalten wird? Die Angst vor Ballons könnte sich schnell in eine Angst vor Kindern ausweiten. In diesem Fall kann man von einer Reizübertragung sprechen, die bei allen Angstproblemen die größte Gefahr darstellt.
Dass der junge Hund aus dem zweiten Beispiel einmal Spaß am Ballspielen mit einem Fußball haben wird, ist eher unwahrscheinlich. Die Rückkopplung festigt die emotionale Verknüpfung des Reizes und intensiviert diese häufig. Im ersten Fall des begeisterten vierbeinigen Fußballspielers würde es dem Hund vermutlich nichts weiter ausmachen, einmal einen Luftballon zu erwischen, der zerknallt. Die positive emotionale Verknüpfung wäre bereits mächtiger als der Schreck.
Man könnte sagen, dass es sich beim emotionalen Lernen um einen kontinuierlichen Bewertungsprozess handelt. Erste Eindrücke werden durch den erlebten Gefühlszustand oder die Konsequenz des Verhaltens korrigiert und die resultierenden Emotionen so ständig verändert oder gefestigt. In den ersten Lebenswochen ist ein Hund besonders offen für die emotionale Weichenstellung. Diese Offenheit ist bei einem älteren Hund nicht mehr im gleichen Ausmaß...
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