Schweitzer Fachinformationen
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Für einen kurzen Moment schaue ich zum Fenster hinaus und checke die Lage. Der Winter hat Hamburg fest im Griff und lässt dicke Schneeflocken tanzen. Mich schwindelt etwas, hier oben im dritten Stock des Krankenhauses, denn alles über zwei Meter, grob gesagt, bekommt meiner Höhenangst so gar nicht.
Gemächlich ziehe ich meine Jacke aus und werfe sie über den Stuhl, der dem Bett am nächsten steht. Wir sind alleine im Zimmer. Für eine Weile stehe ich einfach nur da und beobachte Leon, wie er schlafend vor mir liegt. Er sieht mitgenommen aus. Jegliche Farbe ist ihm aus dem Gesicht gewichen. Erst als ich mich nach einiger Zeit auf den Stuhl neben dem Krankenbett fallen lasse, schlägt er langsam die Augen auf und schaut zu mir herüber. Er lächelt, doch sein Blick ist ganz trüb. Kein Wunder. Heute Abend hat er einiges mitgemacht.
»Hey«, spricht er ganz leise.
»Hey«, erwidere ich.
Wortlos blickt er nun durch mich hindurch. Er wirkt, als wäre er mit seinen Gedanken ganz weit weg. Und wer weiß? Womöglich kann er mich gerade überhaupt nicht zuordnen. Schließlich sind wir uns vor ein paar Stunden zum ersten Mal begegnet. Drüben, im Roxy.
»Ich kenn' dich irgendwoher«, sagt er nach einiger Zeit zu mir. Seine Sprache ist noch ganz verwaschen.
»Hm, na klar kennst du mich. Hab' dich schließlich hergefahren«, helfe ich ihm auf die Sprünge und grinse.
Es braucht eine Weile, bis ihn die Information erreicht. Man kann direkt spüren, dass ihm das Mittel, das sie ihm hier vorhin gegen die Schmerzen im verstauchten Knöchel gegeben haben, nicht besonders gut bekommt.
Ich betrachte weiter sein Gesicht, das mir zugewandt ist. Hellblau sind seine Augen, die mich ermattet ansehen. Dieses Hellblau steht in totalem Kontrast zu seinen dunkelbraunen, fast schwarzen Haaren. Dieser Gegensatz ist mir vor ein paar Stunden im Roxy schon an ihm aufgefallen. Trotz des schummrigen Lichtes, das auf der Tanzfläche herrschte. Das Glänzen seiner Augen stach gewaltig hervor.
»Ähm . Sorry . Aber wie heißt du noch mal?«, fragt er in meine Gedanken hinein, denn er bekommt mich einfach nicht zugeordnet. Mein Mundwinkel zuckt. Oh Mann. Wie er das jetzt so fragt. Da wird mir direkt warm ums Herz. Muss scheiße sein, wenn einem der halbe Abend im Gedächtnis fehlt.
»Ole«, sage ich daher knapp. »Ich heiße Ole.« Weiter sage ich erst einmal nichts, denn ich will ihn nicht gleich mit zu viel Input überfordern. Doch mein Name scheint bereits zu genügen, um die Erinnerungen an die letzten Stunden wieder aufleben zu lassen. Durch seine Augen fährt ein Leuchten. Eines, das man nur dann hat, wenn einem etwas wieder eingefallen ist. Er versucht sich jetzt sogar etwas aufzurichten, fällt aber sofort wie Pudding in sich zusammen und sinkt zurück in die Kissen. Schnell bin ich bei ihm und hangele mir die Bedienung seines Bettes hervor, um sein Kopfteil etwas aufzurichten.
Leon achtet nicht auf das, was ich hier mache, sondern klebt mit seinen Augen an mir. Während ich sein Bett mit einem leisen Summen weiter nach oben fahre und versuche, sein Kopfkissen etwas zurechtzurücken, murmelt er:
»Ole .« Er hebt seinen Kopf leicht an, damit ich besser an sein Kissen herankomme. »Ole . Jetzt erinnere ich mich. Der mit dem süßen Hintern in seiner Jeans.«
Oha! Ich hebe die Augenbrauen und schaue ihn mit großen Augen an. Wir sind einander viel zu nahe, fällt mir plötzlich auf. Schnell lasse ich sein Kopfkissen los und ziehe mich auf meinen Stuhl zurück. Ehrlich gesagt bin ich mir nicht sicher, ob mir der ahnungslose Leon von eben nicht doch lieber war. Nun, da seine Erinnerungen wiederkehren, schaut er mich nämlich wie ein verliebtes Groupie an.
»Wo bitte kommt das plötzlich her?«, witzele ich, so gut ich es in dieser Situation eben hinbekomme.
Es fegt ein Glitzern durch seine Augen. »Keine Ahnung, was die mir hier gegeben haben«, brabbelt er drauflos. Dabei zuckt er mit den Mundwinkeln und kann sich das Lachen kaum noch verkneifen. Oh Mann! Der Kerl ist unfassbar zugedröhnt. Als mir das klar wird, entspanne ich mich wieder. Ich muss jetzt sogar selbst etwas grinsen, über die Show, die er hier gerade unfreiwillig bietet.
»Ja, genau der bin ich. Der mit dem süßen Arsch, so sagen die Leute«, spiele ich also einfach mit. Macht man doch so, bei Leuten, die nicht mehr Herr ihrer Sinne sind, oder? Meine Antwort lässt ihn herzhaft auflachen. Erleichtert falle ich in sein Lachen mit ein. Für einen kurzen Moment habe ich doch ernsthaft sonst was gedacht.
Plötzlich durchfährt es ihn jäh und er zieht scharf die Luft zwischen den Zähnen ein.
»Fuck. Was ist das denn? Hab' ich mir etwa das Bein gebrochen?« Er schlägt die Decke etwas weiter zur Seite, um sein Gipsbein besser begutachten zu können.
»Jep. Du hast dir den Knöchel angeknackst. Vorhin. Drüben im Roxy, als du dich mit Aidan gekabbelt hast«, rücke ich mit ein paar weiteren Informationen raus. Angestrengt bemüht Leon seine vom Schmerzmittel vernebelten Gehirnzellen. Ganz langsam dämmert es ihm.
»Shit, nicht wahr, oder?« Er lacht wieder auf. »Vom Barhocker fallen und sich dabei das Bein brechen. So was bekomm' auch nur ich hin.«
Für eine Weile belächelt er sich selbst und das, was vorhin im Club passiert ist. »Im Roxy, oder? Bei Crazy«, sagt er plötzlich, nachdem er sich wieder beruhigt hat.
»Ähm . Was meinst du?«, hake ich nach, denn ich kann mit dem, was er sagt, gerade wirklich nichts anfangen.
»Du hast dich mit Lea unterhalten. Ihr standet neben der Tanzfläche und sie spielten Crazy von Lost Frequencies. Es war irre voll im Club, aber du bist mir trotzdem aufgefallen.« Er macht eine bedeutungsvolle Pause, in der er mich förmlich mit seinen Augen zu verschlingen droht. »Kein Wunder. So schööön, wie du bist«, setzt er nach. Mit glasigen Augen himmelt er mich von seinem Krankenlager aus an.
Etwas irritiert von diesem nun doch höchst unerwarteten Kompliment weiß ich echt nicht, wie ich darauf reagieren soll. Eigentlich ist mir klar, es ist nicht er, der da spricht, sondern der kleine Medikamententeufel, der ihn diese Dinge sagen lässt. Die Krankenschwester faselte irgendetwas von Wechselwirkungen, aber aufgrund der Schweigepflicht konnte sie da nicht ins Detail gehen. Jedenfalls . muss der gute Leon halt 'ne Nacht zur Beobachtung hier bleiben.
»Freut mich, wenn dir meine Visage zusagt«, versuche ich die Schmeichelei also nett wegzugrinsen. Von 'nem Kerl bekommt man schließlich nicht jeden Tag zu hören, wie rattenscharf man ist.
»Jaaa. Schau dich doch nur mal an«, fordert er mich auf. Dabei sieht er mich auf diese unerklärliche Art und Weise an.
Ich muss einfach auf das, was er gerade sagt, reagieren - ob ich nun will oder nicht. Gewollt unschuldig blicke ich schließlich an mir selbst herunter. Dabei stehe ich auf und drehe mich einmal um die eigene Achse.
»Wieso? Was ist mit mir?«, frage ich, während ich mich wieder in den Stuhl fallen lasse.
»Ich steh' voll auf dich«, platzt es aus ihm heraus.
Das Lächeln auf meinem Gesicht erstarrt. Okay, das ist jetzt doch etwas zu viel, oder? Ich fixiere seinen Blick, versuche herauszufinden, ob das nun ernst gemeint ist, oder ob er einfach nur unzurechnungsfähig ist. Ehrlich gesagt: Ich weiß es nicht. Keine Ahnung, wie ich das einordnen soll. Irgendwie bin ich gerade dezent überfordert. Mir fällt nichts Besseres ein, als ihn einfach anzustarren. Diese blauen Augen bannen mich. Es ist schließlich Leon, der den Blickkontakt zwischen uns bricht.
»Was ist das hier?«, fragt er. Dabei fummelt er mit der rechten Hand an der Nadel rum, die in seinem linken Handrücken steckt. Ich löse mich aus meiner Starre, packe ihn augenblicklich am Handgelenk und kann ihn so gerade noch davon abhalten, sich das Ding mit Gewalt herauszuzerren.
»Hey, hör auf. Du verletzt dich sonst noch«, höre ich mich selbst sagen. Verzückt sinkt er in die Kissen zurück und sieht mir tief in die Augen. Dabei schaut er, als hätte er zu viel gekifft. Ganz eindeutig.
»Oh, du sorgst dich um mich. Das ist sooo lieb von dir«, flötet er mir entgegen. Leicht genervt verdrehe ich die Augen.
»Soll das jetzt die ganze Zeit über so gehen?«, frage ich ihn. Doch ja, irgendwie sorge ich mich tatsächlich um ihn. Das muss ich schon zugeben. Denn nachdem mein bester Freund Aidan von seiner Schwester Pat abgeholt wurde und ich dafür gesorgt habe, dass seine Freundin Lea und deren Freundin Kiki mit dem nächsten Taxi gut heimkommen, habe ich es nicht über mich gebracht, Leon einfach so sich selbst zu überlassen. Eigentlich wollte ich ja nur so lange hierbleiben, bis seine Angehörigen eintreffen. Doch so wie es aussieht, wird niemand auftauchen.
»Na, irgendeiner muss es ja tun, wenn du schon nicht selbst auf dich aufpassen kannst, oder?«, erwidere ich daher lapidar und versuche dabei so unbeteiligt wie möglich zu wirken, während ich mich wieder in meinen Stuhl sinken...
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