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als sie einen gefühlt sicheren Abstand zum Stadttor erreicht hatten, blieben sie vor einem der vielen renommierten physikalischen Institute der Stadt stehen. Hier dankte der jüngere Goldmacher seinem älteren Kollegen überschwänglich. Er freue sich, gesund, ja, überhaupt mit dem Leben davongekommen zu sein. Doch der andere wischte den Dank mit einer leichten, wenn auch gönnerhaften Handbewegung beiseite.
»Kein Grund zum Dank, junger Mann«, sagte er. »Zunftbrüder müssen füreinander einstehen. Vielleicht lernt euereins das heutzutage bei der Ausbildung nicht mehr, wir seinerzeit schon.«
Der Jüngere nahm den Älteren näher in Augenschein. Und erst jetzt, im Lichte der Stadt, nachdem sie ihre Ruhe wiederhatten, konnte er erkennen, wie alt dieser war. Das Alter lag wie eine glänzende, wächserne Schicht auf manch einer Stelle seines Gesichts, auf den Erhöhungen zwischen den Falten, in den Spitzen des weißen Haares, in den Augenbrauen und den Locken seines Bartes. Wenn er lächelte, sah man, wie braun und von Trauer zerfressen seine Zähne waren.
»Das nennt sich Berufsetikette«, sagte der Ältere.
Vielleicht, dachte der junge Mann, vielleicht ist er so alt, dass er sogar noch einen der Gerechten Toten gekannt hat.
Von der Erleichterung überwältigt, dass ihm eine Veränderung seiner Lebenssituation durch die Soldaten erspart geblieben war, fiel der junge Mann dem Älteren jäh um den Hals. Fast weinte er vor Freude und Dankbarkeit.
»Aber, aber«, setzte der Ältere abwehrend an und klopfte seinem jüngeren Kollegen beruhigend auf die Schulter. »Ist schon gut.«
In einem Torweg nahebei saßen ein Hund und eine Katze und betrachteten die beiden Gestalten. Beide hatten sie helles, rötliches Fell, und nicht zuletzt aus diesem Grund waren sie befreundet und kamen gut miteinander aus. Doch trotz des Fells und obwohl sie einander schon lange kannten, konnte man sie nicht als enge Freunde bezeichnen. Dafür waren sie zu verschieden. Der Hund war besonnen und rational, die Katze rege und fantasievoll. Jedoch hatten beide zufällig mittwochs ihren freien Tag, und dann verfolgten sie miteinander das Treiben und alle, die kamen und gingen, freilich ohne dass sie in der Einschätzung des Gesehenen allzu oft einig wären. Die Katze hatte in der freitäglichen Magazinbeilage des Abendblatts zu viele Detektivgeschichten gelesen. Mittwochs war der zeitliche Abstand zur letzten Beilage so groß geworden, dass die Katze allmählich unter Rätselentzug litt. Und heute war eben Mittwoch.
»Möchte mal wissen«, murmelte sie skeptisch, »was die zwei da vorhaben. Gutes scheinen sie mir nicht im Schilde zu führen.«
»Fängst du schon wieder damit an«, seufzte der Hund.
»Ja, sieh sie dir doch mal an.«
»Ich sehe sie mir ja an«, sagte der Hund mit der Geduld eines Hundes.
»Psch«, fauchte die Katze. »Ich mag sie nicht.«
»Sie sehen doch ganz normal aus«, wandte der Hund ein. »Haben nichts Besonderes an sich.«
»Ja, aber sieh sie dir doch an.«
»Ich sehe sie mir ja an. An ihnen ist nichts verkehrt. Mal ehrlich, was siehst du, das ich nicht sehe?«
Die Katze musterte die beiden Fremden noch einmal, dann wandte sie ihrem Freund das Gesicht zu und sagte:
»Nein, die sind mir nicht geheuer. Ganz sicher bringen sie Unglück in unsere friedliche Stadt.«
Der Hund war von Natur aus gutmütiger und außerdem besser über gesellschaftliche Belange im Allgemeinen im Bilde.
»Dass du aber auch immer gleich das Schlimmste über die Leute denkst«, versuchte er seinen Kameraden zu beschwichtigen. »Die sehen doch richtig nett aus. Kein Grund zur Panik. Die Behörden haben alles im Griff. Sei unbesorgt.«
»Ich bin keineswegs panisch«, konterte die Katze. »Ich ahne nur, dass die beiden nichts Gutes im Schilde führen. Möglicherweise sind es Brandstifter. Ja, genau. Brandstifter. Sie sehen mir ganz danach aus.«
»Brandstifter, also wirklich«, schnaubte der Hund und stellte ein Ohr leicht auf.
»Na gut, dann eben Kinderschänder.«
»Selber Kinderschänder.«
»Taxidermisten. Das sind sie bestimmt. Darauf gebe ich mein Wort.«
»Taxidermisten?«
»Tier-Präparatoren«, erklärte die Katze ungerührt. »Das Wort habe ich dir schon mal erklärt.«
Der Hund blickte die Katze lange an. Bei dem Gedanken, die beiden Fremden könnten möglicherweise Angehörige dieser unerfreulichen Berufsgruppe sein, stellten sich ihm kurz die Nackenhaare auf, doch dann schüttelte er die Vorstellung von sich ab.
»Warum um alles in der Welt sollten das - Taxi-«
»Dermisten. Noch einmal: Ta-xi-der-mis-ten. Sie sehen mir ganz danach aus. Darauf gebe ich mein Wort. Das hier ist der Anfang eines Krimis.«
»Red keinen Unsinn«, sagte der Hund in dubio pro reo. »Wie kommst du auf so was? Sie könnten genauso gut Tierärzte sein.«
»Im Prinzip könnten sie alles Mögliche sein«, räumte die Katze pro forma ein. »Im Prinzip könnte jeder, der einem über den Weg läuft, Tierarzt sein. Aber nur, wenn man bei der Beobachtung seine induktive Intuition außen vor lässt.«
»Manchmal gehst du mir gehörig auf die Nerven«, murmelte der Hund träge.
»Darauf gebe ich mein Wort«, wiederholte die Katze. »Du hast eine schlechte Intuition; das war schon immer so, und das weißt du ganz genau.«
»Na, na«, sagte der Hund und lächelte fast unmerklich. »Hat deine unfehlbare Intuition nicht erst letzte Woche eine Astronomin erkannt haben wollen, also eine Person mit Berufsverbot, verkleidet als ganz gewöhnliches Waschweib? Und dann war es tatsächlich ein ganz gewöhnliches Waschweib?«
»Das spielt keine Rolle«, entgegnete die Katze verärgert, aber nicht zu verärgert, denn sie waren daran gewöhnt, sich niemals bei irgendetwas einigen zu können. »Ich sage es noch einmal: Das hier ist der Beginn eines Krimis. Darauf gebe ich mein Wort.«
Der Hund seufzte. Dann sauste er über die Straße und postierte sich so, dass er mit leicht zusammengekniffenen Augen lesen konnte, was auf die Stirn der beiden Fremden gestempelt war, die immer noch dort standen und sich unterhielten. Danach trabte er zurück in den Torweg.
»Goldmacher«, sagte er. »Umherreisende Goldmacher. Ganz gewöhnliche Vertreter ihrer Zunft.«
»Ha«, rief die Katze. »Was habe ich gesagt? Das lässt nichts Gutes hoffen. Darauf gebe ich mein Wort. Solche Goldmacher bringen immer Unglück.«
»Überhaupt nicht«, sagte der Hund phlegmatisch. In Momenten wie diesem fragte er sich öfter, warum er sich eigentlich die Mühe machte, seinem Kameraden zu widersprechen. Andererseits: Worüber sollten sie sonst reden?
»Darauf gebe ich mein Wort«, wiederholte die Katze. »Zwielichtige Gestalten.«
Die beiden Goldmacher begaben sich nun Richtung Marktplatz.
Die Katze sprang auf, reckte sich und wie um ihre Ansicht zu unterstreichen, sträubte sie mit einem eindringlichen Blick auf den Hund ihre Haare.
»Am besten folgen wir ihnen und behalten sie gut im Auge«, sagte sie.
»Ach komm«, wandte der Hund ein, »wir sitzen hier doch sehr gut. Schön im Schatten und -«
Aber ohne auf Antwort zu warten, strich die Katze bereits den Rinnstein entlang, zielstrebig hinter den beiden Fremden her. Resigniert erhob sich der Hund und trottete hinterdrein, wobei er sich immer wieder vorsagte, dass er an einem Mittwoch ja auch nichts Besseres zu tun habe.
Die beiden Goldmacher stiegen im Wirtshaus am Marktplatz ab. Seit dem letzten Besuch des Älteren hatte das Lokal seinen Namen geändert, es hieß jetzt nicht mehr Wirtshaus Zum schwarzen Hahn, sondern Hotel Zum rosa Hahn. Im Großen und Ganzen war es aber noch dasselbe Lokal, abgesehen davon, dass ein Teil des Interieurs nun rosa war. Beide bezogen Zimmer mit Blick auf die Kirche. Nachdem sie ihr Gepäck abgestellt hatten, trafen sie sich unten im Speisesaal. Die Einstellung des jüngeren zu dem älteren Goldmacher hatte sich jetzt umfassend geändert, und als der Oberkellner die Speisekarte brachte, bestand der Jüngere darauf, dass der Ältere ein Exemplar ohne ausgewiesene Preise bekam, damit er, ohne einen Gedanken an die Kosten zu verschwenden, seine Auswahl treffen konnte, denn er wollte ihn zum Zeichen seiner Dankbarkeit einladen.
Der Ältere protestierte, allerdings nur der Form halber, sodass der Oberkellner mit einer liebenswürdigen Handbewegung die Preise von einer der Karten strich, die Zahlen wurden daraufhin automatisch durch anmutige kleine Blümchen und Herzchen ersetzt.
Der jüngere Goldmacher war damit jedoch nicht zufrieden. Er war noch so jung, dass er Kleinigkeiten schnell als kränkenden Angriff auf seine Würde empfand.
»Hören Sie, Herr Oberkellner«, flüsterte er dem Mann zu, »das ist mein Freund und älterer Kollege, keine junge Dame, die ich beeindrucken will . Das sehen Sie doch selbst? Haben Sie keine weniger kitschigen Bildchen als Ersatz für die Preise?«
»Bedaure«, flüsterte der Oberkellner zurück. »Es sind alte Speisekarten. Andere Bilder sind nicht verfügbar. Entweder haben sie ihr Verfallsdatum überschritten oder das Ablaufdatum wurde von uns nicht verlängert, um ehrlich zu sein. Ich bitte um Nachsicht.«
»Hm«, murmelte der jüngere Goldmacher, weiterhin unzufrieden.
»Lassen Sie mich das in Ordnung bringen, der Herr«, flüsterte der Oberkellner, »wenn Sie gestatten.« Laut sagte er, an den älteren Gast gewandt:
»Die Blumen und Herzen, der Herr, sollen anzeigen, dass heute in unserer schönen Stadt Jüterbog der Blumentag begangen wird. Eine alte...
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