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"Was für ein Spektakel", sagte Mark, als er mit Inka den Mittelaltermarkt in Soltau betrat.
Inka lachte. "Mir unverständlich, warum du so jammerst. Du bist doch der Geschichtsfreak unter uns."
"Ja, solange es um reale Fakten geht, aber nicht dieser Humbug von Schwertschluckern und die Schwarzmalerei von Wahrsagern." Mark wich einem Gaukler aus, der mit brennenden Stöcken jonglierte. "Das Mittelalter war dunkel, rückständig und grausam. Am untersten Rand standen die Bauern, die meist nicht mehr zu essen hatten als ihre Schweine und immer in geflickten Lumpen herumliefen. Aber dieser Markt ist aufgebaut wie ein Jahrmarkt. Was noch fehlt, sind das Kinderkarussell, die Gokart-Bahn und die Zuckerwatte", sagte er, während er zwischen den vielen Ständen, die Handwerkskunst feilboten, hindurchging. Er warf einen schnellen Blick auf das Spanferkel, das auf einem Spieß, der mit einer eisernen Kurbel verbunden war, über dem offenen Feuer von einem Mann gedreht wurde.
"Ich mag Zuckerwatte", bemerkte Inka. "Wo ist denn nun der tote Ritter?"
Mark zeigte auf ein weißes Zelt, das mit einem riesigen Wappen beiderseits bemalt war - ein zitronengelber Adler, der auf einem silberfarbenen Pferd ritt. "Ich denke, da hinten. Wusstest du, Inka, dass es bei Rittern im Kampf oft um Leben und Tod ging?" Mark setzte, ohne auf Antwort zu warten, seine Ausführungen fort: "Sie waren der Kriegerstand des Mittelalters, verteidigten das Land ihrer Lehnsherren und zogen aus, um Länder zu erobern. Für sie war der Krieg Beruf und Berufung zugleich. Wenn es keinen Krieg gab, suchten sie das Abenteuer auf dem Turnierplatz, im Wald oder auf dem Feld. Gekämpft wurde mit scharfen Waffen, nicht nur um Ruhm und Ehre, und es gab reichlich Tote und Schwerverletzte. Natürlich haben sie auch um das Lob der Frauen gekämpft. Belohnt wurden sie mit Anteilen am Preisgeld. Leider haben die Kriege und die Fehden den Ritterstand deutlich dezimiert, sodass viele Witwen und Waisen mittellos zurückblieben."
"Hier wurde auch dezimiert, du Geschichtsgenie", resümierte Inka. "Und das Burgfräulein wird heute alleine nach Hause gehen. Aber, weißt du, Mark, glücklicherweise geht es auf den Märkten heutzutage nicht um die historische Genauigkeit, sondern vielmehr darum, ein paar Stunden in eine andere Welt einzutauchen. Ein Mittelalter, das für uns immer noch durch die Geschichten, die Kirchen und Burgen präsent ist. Und ich finde es spannend, dies alles, wenn auch nicht unbedingt originalgetreu, zu erleben."
"Hm", machte Mark, während er auf einen Pulk Menschen zusteuerte, die sich hinter das blau-weiße Flatterband drängten. Er hielt einer Streifenbeamtin seinen Ausweis vor und schlüpfte mit Inka unter dem Band hindurch.
Inka nickte Oberkommissar Jacob Amselfeld zu, der vor dem Eingang stand, und trat in das Zelt. Mittig lag rücklings ausgestreckt ein Mann auf dem Sandboden, in seinem Brustkorb steckte eine Lanze. Ein Luftzug wehte auf und ließ die Lanzenfahne am Stabanfang kurz aufflattern, bevor sie wieder in sich zusammenfiel. Inka schätzte den Mann auf Mitte dreißig. Auf einem hölzernen Tisch, gerade groß genug für einen Teller und ein Glas, lag ein eiserner Helm, der mit aufwendigen Silber- und Goldlegierungen verziert war.
"Grüß dich, Terry", sagte Inka. Teresa Hansen, die Stader Rechtsmedizinerin, saß in der Hocke neben dem Toten und sah kurz hoch.
Teresa, Inka und Mark kannten sich seit Schulzeiten. Sie besuchten zusammen das Hanstedter Gymnasium und absolvierten das Abitur. Teresa beschritt den Weg in die Medizin, Inka bewarb sich bei der Polizei, und Mark studierte Betriebswirtschaft und arbeitete in der elterlichen Keksfabrik, bevor er Inka ein paar Jahre später zur Polizei folgte. Inzwischen entwickelte er nebenberuflich mit seinen Eltern jahreszeitliche Kekskreationen.
"Hast du schon etwas für uns?", fragte Inka, während sie Fridolin und seinem Team der Spurensicherung auswich, die Schildchen aufstellten und mit der Spurensuche rund um Ritter Percival begonnen hatten.
"Nur, was ihr selber sehen könnt. Er ist mausetot, und das noch gar nicht so lange. Ich orakele, so knapp eine Stunde, also gegen neun Uhr. Die Todesursache ist diese zweieinhalb Meter lange hölzerne Lanze, die ihn mitten ins Herz getroffen hat. Normalerweise sind die Lanzen an der Spitze stumpf und haben Sollbruchstellen, um bei Aufprall zu brechen. Schon im Mittelalter ging es darum, den Gegner bei den Schaukämpfen nicht zu verletzen, sondern ihn nur aus dem Sattel zu heben. Leider erfüllte nicht jede Rüstung im Zweikampf ihre Schutzfunktion. Die Schaukämpfe wurden zu großen gesellschaftlichen Ereignissen für alle Stände, vom König bis zum Bauern, bei denen es um Ruhm und Ehre, vielleicht sogar um die Liebste zu beeindrucken und Preisgeld zu erhalten, ging. Zogen die Ritter in den Krieg oder zu einer Fehde, dann ging es oft um Leben oder Tod, und dann waren die Spitzen der Lanzen aus Metall."
Inka warf Mark einen schmunzelnden Blick zu, aber kommentierte Teresa Hansens geschichtliche Erklärung nicht, sondern sagte: "Du willst uns mit deiner geschichtlichen Ausführung sagen, Terry, dass diese Lanze keine Sollbruchstelle hat. Richtig?"
"Ganz genau. Diese Spitze ist aus Metall und so scharf, dass sie mühelos die dicke Weste ."
"Die Weste ist ein Gambeson mit den Wappenfarben von Percival, ein mit Wolle und Stoff gefütterter Unterrock, der unter dem Harnisch oder dem Kettenhemd getragen wird", mischte sich ein Mittfünfziger ein, der in der Ecke des Zeltes auf einem Holzstuhl saß.
"Wer sind Sie?", fragte Inka den Mann, den sie erst jetzt wahrnahm.
"Ritter Odin, also eigentlich Knut Ingels, der Turnierleiter. Ich habe Oliver, Ritter Percival, gefunden", gab er Auskunft. Odin trug eine tannengrüne knielange Tunika, die mit aufwendiger silberfarbener Zierstickerei an den Kantensäumen versehen und ab Hüfthöhe wie ein Rock ausgestellt war. Ein ellenbreiter brauner Fellkragen lag über dem Obergewand, von dem Inka hoffte, dass Webpelz verarbeitet worden war. An einem schmalen Ledergürtel, der zweimal um seine füllige Taille geschlungen war, hing die ebenfalls aus Leder gefertigte und goldfarben verzierte Schwerthalterung. Inkas Blick fiel auf seine Beine, die in sandfarbenes Leinen gewickelt waren und in absatzlosen ockerfarbenen Lederschuhen steckten, die aussahen, als wären sie tatsächlich ein mittelalterliches Überbleibsel. "Ich wollte ihn zum Turnier abholen, er war spät dran", sagte Odin.
"Verstehe. Wer war sein Turniergegner?", fragte sie Ritter Odin.
"Ritter Cedric und Ritter Percival waren die ersten Reiter am Vormittag. Aber jetzt ."
"Wie viele Ritter sollten gegeneinander antreten?"
"Sechs waren angemeldet und sind auch angekommen. Ritter Cedric, Ritter Percival, Ritter Maquard von Salzberg, Ritter Harthum, Ritter Ingebrandus und Ritter Gamrath von Pinzenau."
"Gab es eine Siegprämie?", wollte Mark wissen.
Knut Ingels nickte. "Ja, natürlich. Die Ritterturniere damals waren gleichzusehen wie heute ein Fußballspiel. Ein großes Kräftemessen, bei dem die Ritter ihren Mut und ihre Kühnheit bewiesen. Wer den Kampf verlor, musste Lösegeld bezahlen. Der Ritter war der Inbegriff des mittelalterlichen Helden. Der Held in Eisen oder auch Pferdeherr, wie er genannt wurde. Mutig und allzeit bereit, sein Leben für höhere Ziele aufs Spiel zu setzen. Für Jahrhunderte bestimmte der Kampf Mann gegen Mann das Kriegsgeschehen. Doch auf den heutigen Mittelaltermärkten ist der Kampf mehr der Spaß an der Freud. Diesmal erhält der Gewinner ein Abendessen mit Prinzessin Kira, Kira Wedelski, sie ist die Tochter des Marktveranstalters, und es ist ein Preisgeld in der Höhe von eintausend Euro angesetzt", sagte er.
"Diese Kira Wedelski, ist sie beliebt bei den Rittern?"
"Schon, ja. Sie ist zwanzig Jahre, Single und ein hübsches Mädchen. Der ein oder andere Ritter könnte sich eine Bekanntschaft mit ihr vorstellen. Wobei der jüngste Ritter mit vierundzwanzig sicherlich mehr Chancen hätte, gehen wir von mehr als einem Abendessen aus. Viele der Ritter sind verheiratet und meist über dreißig Jahre alt."
"Wer ist der jüngste Ritter?", fragte nun Inka.
"Ritter Ingebrandus, mit bürgerlichem Namen Falk Mengert. Es ist erst sein zweites Turnier."
"Ist es nur ein einziger Kampf, den die Ritter bestehen müssen, um den Sieg zu erhalten?"
"Nein, da liegen Sie falsch, Frau Kommissarin. Jeder Ritter hat seinen Turniergegner, und die Sieger kämpfen immer noch einmal gegeneinander, bis nur noch ein Gewinner übrig bleibt. Wobei sie nicht nur gegeneinander kämpfen, sondern auch in der Turnier-Disziplin den Roland besiegen müssen, eine mit Sand oder Steinen gefüllte halbe Puppe mit Schild. Der Reiter reitet und muss das Schild treffen, ohne selbst von der sich drehenden Puppe erfasst zu werden. Dieses Jahr haben wir noch eine dritte Disziplin hinzugefügt. Ein Reiter zieht einen gefüllten Strohsack hinter sich her, während ein anderer Ritter den Sack mit seiner Lanze aufspießen muss. Erst, wer bei allen Disziplinen als Sieger hervorgegangen ist, der darf das Preisgeld und die Beute sein Eigen nennen."
"Mit Beute meinen Sie, die Tochter des Veranstalters zum Abendessen auszuführen." Eine Frau als Beute zu bezeichnen, dachte Inka, das ist wirklich mittelalterlich. "Ritter Cedric hat sicher auch einen bürgerlichen Namen, oder?"
"Natürlich. Hans von Bahlow. Wir, also der Veranstalter, haben ihn eingeladen, damit er mit...
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