Schweitzer Fachinformationen
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Save the Last Dance for Me
Warren lehnte sich an den Stamm der mächtigen Kiefer neben der Straße und unterbrach das Summen der Melodie, die sie gerade im Haus auf der Oldiewelle gehört hatten, um sich zwischen den schützenden Händen den Joint anzustecken. Nach einem tiefen Zug reichte er ihn Querida.
Sie schüttelte den Kopf. »Führ mich nicht in Versuchung. Ich habe vor einem Jahr das Rauchen aufgegeben und fürchte, sonst womöglich wieder anzufangen.«
»Verstehe. Jedenfalls freue ich mich, dass du mit nach draußen gekommen bist.« Er nickte in Richtung des Hauses. »Da drinnen herrscht eine Spannung wie bei einem Mafiatreffen. Zwei Jahre mit Bradley - nie hat er ein Wort über seine Zeit mit Donnelly fallenlassen. Ich bin hier der Außenseiter.«
»Nicht mehr als ich«, erwiderte Querida. Sie vergrub ihre Hände in die Jackentaschen und dachte, dass sie hätte daran denken müssen, Handschuhe mitzubringen, und dass Warren in seiner dünnen Baumwollhose ziemlich frieren müsste und dass sie beide etwas an der Waffel haben müssten, keinen Gedanken an die Kleidung in dieser winterlichen Landschaft verschwendet zu haben. Das gefilterte Licht anderer Wochenendhäuser hoch droben über dem bewaldeten Hang schien die Kälte noch intensiver zu machen. »Ich bin bloß das neue Mädchen in der Stadt - ich habe keinen Schimmer von der ganzen Geschichte.«
»Wie lange bist du jetzt mit ihr zusammen?«
»Zehn Prozent von neun Monaten.« Querida grinste. »Die meiste Zeit ist sie weg, aber zehn Prozent sind interessant genug.«
»Sie war - wie lange - vier Jahre mit Bradley verheiratet?«
»Und vierzehn mit Pat. Und mit Averill vielleicht eine Minute.«
Als Warren lachte, sagte Querida: »He, ich nehme Donnelly diese Minute nicht übel. Ich hätte es ja nicht anders gemacht.«
Warren seufzte übertrieben. »Der Wunschtraum aller - das amerikanische Goldmädchen. Oder der Goldjunge.«
»Du sagst es.«
Sie lehnte sich an den Baum daneben und blickte zu den Sternen und den silbrigweißen Wolken auf. Querida und Warren verharrten in erholsamem Schweigen, von den dunklen Konturen der Bäume umgeben, die kalte Luft roch nach Kiefern und Kaminfeuerrauch und Warrens Marihuana. Querida war gern in Gesellschaft schwuler Männer - sie waren so unkompliziert, so brüderlich .
»Was zum Teufel geht hier eigentlich vor?«, fragte Warren leise.
Sie zuckte die Achseln. »Donnelly will etwas Wichtiges von uns. Sie exponiert sich immer mehr, um aufzurütteln .«
»Wer nicht«, murmelte Warren.
Was sie Bradleys Partner nicht sagen würde, war, dass Donnelly schon immer etwas gehabt hatte, woran es allen früheren, auch ihrer gegenwärtigen, Geliebten mangelte: ungebremster, pionierhafter, kämpferischer Mut. Courage, wie ihr Großvater und ihre Großmutter sie hatten. Sie sagte: »Ich vermute, sie will irgendeinen großen Beitrag von uns, sei es Arbeit oder Zeit oder Geld - vielleicht auch alles zusammen . Was immer sie von mir will, sie kriegt es.«
»Na wenn schon. Ich kenne sie kaum, aber wenn sie mich den ganzen Weg hierhergelotst hat, nur um mich um etwas so verdammt Offensichtliches zu bitten -«
»Verdammt offensichtlich - vielleicht für dich«, unterbrach sie ihn ungeduldig. »Ihr seid da draußen, du und Donnelly. Du stürmst die Straßen, sie stürmt die Korridore.«
Selbst im Dunkeln konnte sie seinen vorwurfsvollen Gesichtsausdruck erkennen. »Du etwa nicht?«
»Oh. Ich bin aktiv . Wenn auch mehr als Chicana denn als Lesbe.«
Er tat es mit einem Achselzucken ab. »Ich bin schwul, und ich bin schwarz.«
Sie antwortete nicht darauf. Sie brauchte sich weder vor ihm noch vor sonst wem zu rechtfertigen. Sie setzte sich für lesbisch-feministische Anliegen und die lateinamerikanische Kultur ein, so gut und so oft sie konnte - dank Viva! und der mexikanisch-amerikanischen Frauenorganisation, sogar dank der blöden MALDEF. Sie machte auch aktive Netzwerkarbeit unter Chicana-Frauen, obwohl ihre funktionierende Welt die Welt der Weißen war. Sie arbeitete mit Weißen, lebte mit Weißen, und meistenteils schlief sie mit Weißen. Ihre drei Versuche, mit Chicana-Frauen eine Beziehung einzugehen, waren gescheitert; womöglich beurteilten sie einander zu hart, verstanden ihre Verletzbarkeiten zu gut, ihre passiv-aggressive Art und diverse andere kulturell erzeugte Macken. Oder vielleicht wollte sie ihr Chicana-Gesicht nicht widergespiegelt sehen und nicht wissen, dass ihr ganzer Erfolg ein Wunder war, das urplötzlich nicht mehr vorhanden sein konnte, wie ein Traum verschwindet, wenn du erwachst. Und dann wäre sie wieder da, wo sie früher war, als sie darüber gestaunt hatte, dass elektrisches Licht die Nacht erhellen konnte - ein Leben ohne Hoffnung und nichts als Erinnerung an einen Traum .
»Was macht Donnelly in Sacramento? Ist sie so etwas wie eine Lobbyistin?«, unterbrach Warren den Teufelskreis ihrer Gedanken.
Sie nickte. »In den vergangenen Monaten hat sie sich die Hacken abgelaufen, um die Vorlage 101 in die Abgeordnetenversammlung zu bringen. Sie ist hauptberufliche Beraterin politischer Lesben- und Schwulenorganisationen, AIDS-Gruppen, der Industrie und heterosexueller Politiker, die klug genug sind, ein gesellschaftliches Bündnis zu wollen. Sie steht mit allen in Verbindung, und ich meine mit allen. Von Barney Frank über Urvashi Vaid bis zu Roberta Achtenberg. Sobald sie zu Hause ist, klingelt pausenlos das Telefon -«
»Wie kannst du in erster Linie Chicana sein, statt Lesbe, wenn du mit solch einer Frau zusammen bist?«, fiel Warren ihr ins Wort.
»Das habe ich nicht gesagt!«, entgegnete sie scharf. »Ich habe gesagt, ich bin mehr als Chicana aktiv denn als Lesbe. Verdammt, die meisten Latinos in diesem Land sind mehr Anglo als Latino. Meine eigene Familie ist so patriotisch, wie eine amerikanische Familie nur sein kann, Mexiko oder Lateinamerika ist ihnen relativ schnuppe. Wir gehören zum amerikanischen Mainstream, ob das Mainstream-Amerika das nun weiß oder nicht -«
»Das weiß ich doch alles«, unterbrach Warren irritiert. »Du hast ja gehört, was ich gesagt habe, als Averill mit dieser Scheiße über das Nachhausefahren daherkam. Weiße Amerikaner und Amerikanerinnen scheren sich einen Teufel um ihre europäischen Wurzeln.«
»Warren«, lenkte sie ein, »die demographischen Zahlen, die ich erarbeite, kotzen mich an. Latinos sind so leidenschaftlich, was amerikanische Politik betrifft, aber wir haben keine definierte politische Identität, und das Schlimmste von allem ist: Wir wählen nicht. Aber wir müssen wählen - in großer unübersehbarer Zahl. Wir sind unsichtbar, leicht zu stereotypisieren; die Menschen wissen nichts über uns. Wir nutzen nicht mal die grundlegenden Mittel, um es ihnen zu sagen.«
Grinsend klopfte ihr Warren auf die Schulter. »Du sprichst von der schwulen und lesbischen Gemeinde, stimmt's? Von der afroamerikanischen Gemeinde, stimmt's?«
Sie grinste zurück. »Klar.« Sie spürte, wie er sich für sie erwärmte.
»Sag mal«, fragte er nun, »was kriegst du eigentlich aus dieser Abwesenheitsbeziehung mit Donnelly? Einer Frau, die fast doppelt so alt ist wie du.«
»Wir haben nicht die gleichen Probleme wie ihr albernen Jungs«, stichelte sie ihn. »Was tut ihr muchachos, wenn ihr nicht mehr jung seid?«
»Genau das Gleiche«, sagte er. »Es gibt doch gar keine alten Schwulen. Du hast meine Frage nicht beantwortet.«
»Stimmt. Das hab' ich nicht. Mach das verdammte Ding aus und lass uns reingehen, ich kriege schon Frostbeulen an den Füßen.«
Nach einem letzten tiefen Zug ließ er den Joint fallen, trat ihn aus und scharrte Erde darüber. Dann schob er seine kalten Finger in ihre Jackentasche und umfasste ihre Hand.
Ja wirklich, warum Donnelly?, dachte sie, während sie Hand in Hand mit Warren die Straße zurückschlenderte.
Letztes Jahr im Dezember hatte sie Donnelly auf einer Viva!-Party kennengelernt. Alles, was sie wissen musste, hatte sie in diesem Augenblick erfahren, als Donnelly auf sie zukam und sich vorstellte: »Irgendetwas in deinem Gesicht weckt in mir den Wunsch, dich kennenzulernen.«
Amüsiert und von diesem Vertrauen und der Aura von Vitalität, die diese attraktive Frau umgab, spontan angezogen, wunderte sich Querida, warum sie hier auf diesem Fest zu Ehren lateinamerikanischer Schriftstellerinnen und Künstlerinnen war, und fragte: »Was führt dich hierher?«
Donnelly übertönte die Unterhaltung und den energetischen Beat der Musik, indem sie auf das Gewirbel festlich gekleideter lateinamerikanischer, asiatischer, afroamerikanischer und kaukasischer Menschen deutete: »Ich schaue mir gern die Welt an, so wie sie sein sollte.«
Donnelly erschien ihr als die freieste Frau, die sie je kennengelernt hatte. Sie selbst hatte sich immer eingeengt gefühlt, da sie - in nicht-religiösem Sinn - glaubte, dass ihre Fähigkeiten und Talente anderen zuteilwerden müssten, obwohl sie noch immer nicht verstand, wie eine außergewöhnliche Begabung, wenn auch keine Genialität, für Mathematik sich so übertragen ließe, dass es über das schlichte Teilen ihres hohen Einkommens hinausragte. Aber Donnelly begriff sofort, was sie meinte - und glaubte auch selbst daran, so erklärte sie Querida an jenem Abend in einer Cafeteria am Sunset Boulevard, als sie dort zu später Stunde noch eine Kleinigkeit aßen. Diese gemeinsame Überzeugung wie auch die gegenseitige Attraktion, die unmittelbar klare Formen annahm, hielten sie, unter anderem, seitdem zusammen.
Seit sie das erste Mal...
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