Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Von der Arbeit heimgekehrt, eilte Carolyn Blake wie üblich durch das kühle, stille Haus in ihr Schlafzimmer. Sie hörte leises anhaltendes Plätschern vom Swimmingpool. Sie erstarrte, ihr Blick durchstreifte das Zimmer. Die Goldkettchen über ihrer Schmuckschatulle waren nicht angetastet. Wer immer da draußen badete, war kein Dieb, der sich dreist erfrischte, nachdem er das Haus leergeräumt hatte.
Kaum ließ ihre Angst nach, fühlte sie sich zunehmend irritiert. Sie schlich ins Wohnzimmer. Kinder, dachte sie, wohl irgendwie über die Mauer geklettert . Sie riss die Gardine vor der Glastür zum Garten beiseite.
Einen Augenblick lang starrte sie erschrocken auf die schemenhafte Gestalt im Swimmingpool. Noch ehe sie die Gardine fahrenlassen und zum Telefon stürzen konnte, schwang sich die Gestalt - schwarzhaarig, in Shorts und T-Shirt - auf den Rand des Pools.
Während Carolyn die Glastür aufschloss, erhob sich die Frau und hechtete mit einem sauberen Kopfsprung ins Wasser. Die Füße waren leicht gespreizt, beim Eintauchen der Schultern stoben kleine markante Spritzer empor. Als Carolyn durch den schattigen Innenhof und über den schmalen Rasenstreifen zum Pool ging, beobachtete sie, wie die Frau in sachtem Bogen aus dem Wasser auftauchte, ihr Körper glich einem Krummsäbel - mit durchgedrücktem Rücken, den Armen seitlich am Körper, geschlossenen Augen und gestrecktem Kopf, verzückt. Im langsamen Auftauchen an die Oberfläche lag eine solche Sinnlichkeit, dass Carolyn sie spürte.
Nun rieb sich die Schwimmerin die Augen. Da sah sie Carolyn am Poolrand und schwamm mit leichten Bruststößen zu ihr. Sie erhob sich am flachen Ende, das Wasser perlte über breite, feste Schultern, tropfte aus den schwarzen Haarsträhnen und rann den Nacken hinab.
Carolyns Blick glitt über verwaschene abgeschnittene Jeans, die knapp bis an die tiefgebräunten Schenkel gingen, zu einem grauen, an üppigen Brüsten klebenden T-Shirt - einem undefinierbar verblichenen Ding -, zu wachen dunkelbraunen Augen und einem großen Mund mit vollen Lippen, die amüsiert zuckten.
Die Frau strich sich das spritzende Haar aus der Stirn. »Eins fünfundachtzig«, sagte sie.
Carolyn musste lachen. »Wer sind Sie überhaupt?«
Die Frau fuhr sich durch die tropfenden kurzen Locken, die beharrlich auf ihrer Stirn klebten. »Val.«
Wie Walküre, dachte Carolyn und starrte sie respektvoll an. Sogar der tiefe Klang ihrer Stimme kam ihr absolut passend vor. Eine Erinnerung regte sich, vage und irritierend, die sie verdrängte.
»Ich wohne nebenan.«
»Ach. Sie sind Mrs. Hunter.«
Val Hunter lächelte strahlend und nickte. Sie verschränkte die Arme und musterte Carolyn.
Anfang dreißig, schätzte Carolyn, die ohne Ärger die gelassene Haltung wahrnahm. »Schwimmen Sie oft in fremden Pools?«
»Nur in Ihrem. Wochentags immer. Es benutzt ihn ja niemand, jedenfalls nicht tagsüber. Er ist der größte in der Umgebung - ich hab's überprüft. Und der sauberste, wie ich hinzufügen könnte. Ich bin den ganzen Frühling hier geschwommen.«
»Tatsächlich.« Carolyn unterdrückte ein Lachen.
»Ich denke, es schadet nicht. Ich finde, es ist eine Schande, ihn nicht zu benutzen, wo doch Ihr Mann sich so mit der Pflege abrackert.« Sie deutete über die Mauer. »Ich höre ihn nämlich.«
»Paul beschäftigt sich gern damit. Er ist mit keiner Reinigungsfirma zufrieden. Mrs. Hunter, wie in aller Welt kommen Sie über die Mauer und das verschlossene Tor?«
»Bitte, nennen Sie mich Val. Ich springe drüber.«
»Sie springen drüber«, wiederholte Carolyn. »Sie springen einfach geradewegs über unsere Zweimeterdreißig-Mauer.«
»Sie ist etwas hoch«, gab Val zu, »aber ich finde guten Fußhalt und steige drüber.«
Die Junisonne, erbarmungslos im Tal von San Fernando, die schon lange durch den schützenden Morgendunst brannte, knallte heiß auf Carolyns Schultern. Der Geruch verdunstender Wasserspritzer auf dem Betonrand stieg ihr in die Nase. Ein feuchter Film hatte sich unter ihrem Haar gebildet; sie streckte die Schultern in ihrem Seidenkleid, während sie Val Hunter fixierte. »Schwimmt Ihr Sohn auch hier?«
»Natürlich nicht. Ich würde nie zulassen, dass Neal so etwas tut. Sie wissen zweifellos eine Menge über mich.«
»Wir wissen, dass Sie und Ihr Sohn im April in Robinsons Gartenhaus gezogen sind. Paul unterhält sich immer mit Jerry Robinson, wenn sie draußen im Garten arbeiten.«
Wieder kam das strahlend weiße Lächeln zum Vorschein. »Also meiden auch Sie Dorothy Robinson wie die Pest.« Während Carolyn noch entwaffnet um eine Antwort rang, zuckte Val die Achseln. »Einsame alte Schwätzerin. Bemitleidenswert.« Wieder lächelte sie. »Sie sind normalerweise nicht um diese Zeit zu Hause.«
Carolyn flüchtete sich in Ironie. »Ich bitte um Entschuldigung. Meine Arbeitszeit hat sich geändert. Gott, ist das heiß! Im Allgemeinen ist der Juni nicht so heiß, oder?«
»Manchmal schon. Erlauben Sie mir, Sie in Ihren Pool einzuladen.« Val Hunter stützte sich mit den gebräunten Händen auf den Rand des Pools und schwang sich geschmeidig heraus; mit drei großen Schritten zum Liegestuhl nahm sie ihr Handtuch und fuhr sich kurz über Gesicht und Haare. »Jetzt muss ich mich wohl nach dem zweitbesten Pool umsehen. Ich möchte Ihnen danken. Ich hatte mir schon vorgenommen, Ihnen ein kleines Geschenk als Dank zu hinterlassen und eine Nachricht, um Ihnen zu sagen, wie sehr ich es genossen habe.«
»Nicht doch«, sagte Carolyn rasch. »Warum denn nicht Gebrauch davon machen? Es ist wirklich schade drum.«
Val Hunter nickte. »Um viele Dinge, die die Leute besitzen, ist es schade. Doch die meisten Menschen haben bestimmte Vorstellungen von Eigentum und Besitzrechten.«
»Um welche Zeit schwimmen Sie gern?«, fragte Carolyn und dachte, dass Paul zu jenen Menschen gehörte - er wäre total dagegen, ihren Pool mit irgendwem zu teilen, davon überzeugte er sogar die herumlungernden Insekten mit rachedurstigem Schwingen des Saugers.
»Um diese Zeit, zwischen drei und vier. In der größten Tageshitze. Neal kommt gegen halb fünf vom Tagescamp zurück.«
»Künftig werde ich um zehn nach drei zu Hause sein. Ich lasse Sie herein.«
»Danke. Vielen Dank. Aber ich möchte Sie nicht belästigen. Ich werde meinen üblichen Weg nehmen - ich bin's inzwischen gewöhnt.«
Carolyn sah auf die Uhr. »Da bleiben Ihnen ja noch - wie viel? - fünfunddreißig Minuten. Springen Sie wieder hinein. Ich gehe ins Haus, bevor mich der Schlag trifft.«
»Warum erfrischen Sie sich nicht im Pool, genießen die Sonne?«
»Ich schwimme nicht«, antwortete Carolyn, drehte sich um und eilte hinein zu ihrer Klimaanlage, um ihr Kleid zu wechseln, ehe der Schweiß die Seide ruinierte.
»Wenn Sie's mal lernen wollen«, rief Val Hunter ihr nach, »gebe ich Ihnen Unterricht. Gratis.«
Sie zog das hellrote chinesisch Bedruckte an, das Paul so gefiel, mit dem seitlichen Schlitz bis zum Schenkel. Aus dem Garten erscholl anhaltendes Planschen, während sie sich einen Wodka Tonic mixte. Sie zog die Wohnzimmergardine beiseite.
Val Hunters Arme schienen bei jedem Stoß ihres Körpers das Wasser zu zerteilen. Als sie vorbeischwamm, konnte Carolyn im Wasserwirbel nur ihre breiten Schultern und starken Hüften sehen, die so kraftvoll emporschwangen und einen solchen Antrieb verursachten, dass ihre fest geschlossenen Füße aus dem Wasser schossen. Wieder dämmerte Carolyn die vage Erinnerung, die sie nicht fassen konnte.
Der Schwimmstil, in dem Val Hunter sich bewegte, hatte eine falsche Bezeichnung, dachte Carolyn - er hatte rein gar nichts von einem Schmetterling, diesem zarten, flatternden Wesen . Am Ende des Pools, mit einer abrupten Beugung ihres Körpers, wendete Val Hunter, stieß sich ab und vollführte wieder ihre mächtigen Schläge. Beeindruckt und amüsiert beobachtete Carolyn sie eine Weile, ehe sie die Gardine wieder zuzog.
Sie schaltete das Radio ein, und als Irene Caras What a Feeling sang, drehte sie die Lautstärke auf sieben. Die Musik erfüllte das Zimmer und ließ es vibrieren; sie fühlte sich davon aufgeladen, der stampfende Beat dröhnte von den Wänden. Sie fischte einen historischen Liebesroman unter den Kissen hervor und kauerte sich in ihre Lieblingsecke; in das Samtsofa gekuschelt und vom Rhythmus der Musik fortgetragen, schlürfte sie den kalten, starken Drink und überflog ihren Schmöker nach Liebesszenen, in die sie sich vertiefte.
Um fünf Uhr läutete das Telefon. Sie drehte das Radio leise, denn sie wusste, dass Paul anrief. Auch vor ihrer Arbeitszeitänderung hatte Paul stets um diese Zeit angerufen, um zu erklären, warum er später käme, ohne sich, nach fast einem Jahr, einzugestehen, dass sein üblicher Arbeitstag von halb neun bis sechs ging. Sie murmelte mitfühlend, wie sie es immer tat.
Um sechs Uhr ging sie in den Garten und warf ihr Buch in die Mülltonne; sie atmete die Frische ein, die langsam die Hitze im Tal abkühlte. Der Pool war aquamarin, die Oberfläche leicht gekräuselt, der Rand trocken, wie unberührt.
Sie machte einen Salat und bereitete die Steaks für den Grill vor, sie tat es genussvoll und mit Muße; für gewöhnlich war das Abendessen wochentags eine hektische Aktivität. Um fünf nach halb sieben schenkte sie genug eiskalten Wodka für drei Martinis ein, einen für sich und zwei für ihn, und füllte den Eimer mit Eiswürfeln. Sie trug alles ins Wohnzimmer zur Bar, drehte die Stereoanlage aus und schaltete die Nachrichten in Channel 7 an.
Wenn er sieht, dass alles...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.