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In der folgenden Nacht schreckte Hornblower jählings aus dem Schlafe auf, ohne sich vorerst darüber klar zu sein, was ihn geweckt hatte. Dann aber, als sich der Lärm wiederholte, begriff er. Der dumpfe Donner einer über ihm abgefeuerten Kanone war es. Klopfenden Herzens sprang er aus dem Bett, und noch ehe er auf seinen Füßen stand, erhob sich ein Höllenspektakel. Oben feuerten die Geschütze, und irgendwo außerhalb der Zitadelle mußte ein heftiger Artilleriekampf stattfinden. Schwacher, von den Wolken zurückzuckender Widerschein des Mündungsfeuers flackerte durch die vergitterten Fenster. Gleich darauf rasselten draußen vor Hornblowers Tür die Trommeln. Hornsignale riefen die Garnison zu den Waffen. Vom gepflasterten Hof hallte das Klappern vieler genagelter Stiefel herauf.
Das mächtige Pulsieren der Artillerie konnte nur eine bestimmte Bedeutung haben. Im Schutze der Dunkelheit war das britische Geschwader in die Bucht eingelaufen, und nun schmetterten die rollenden Breitseiten in die Flanken der vor Anker liegenden Schiffe. Kaum tausend Meter von dem Gefangenen entfernt fand eine Schlacht statt, von der er nichts sehen konnte. Es war zum Verrücktwerden. Er versuchte die Kerze anzuzünden, aber seine bebenden Finger kamen nicht mit Stahl und Schwamm zurecht. Zornig warf er die Zunderbüchse zu Boden. Im Finsteren zog er sich an, und dann donnerten seine Fäuste gegen die Tür. Er wußte, daß der Posten Italiener war, und er sprach nicht Italienisch, während er fließend Spanisch und schlecht Französisch zu sprechen vermochte.
»Offizier! Offizier!« brüllte er, und dann hörte er, wie der Wachtposten nach dem Sergeanten der Wache rief, dessen Schritte sich gleich darauf näherten. Das Hinundherlaufen der alarmierten Soldaten war bereits verstummt.
»Was wünschen Sie?« fragte der Italiener. Hornblower erriet es jedenfalls, obwohl er die Worte nicht verstand.
»Offizier! Offizier!« tobte er, gegen die schwere Tür polternd. Noch immer erbebte die Luft von dem rollenden Artilleriefeuer. Endlich drehte sich der Schlüssel im Schloß. Die Tür flog auf, und er blinzelte in das Licht einer Fackel. Zwischen dem Wachtposten und dem Sergeanten stand ein junger Leutnant in sauberer weißer Uniform.
»Qu'est-ce que monsieur désire?« fragte er. Er also verstand wenigstens Französisch, wenn er es auch schlecht aussprach. Hornblower bemühte sich, seinen Gedanken in der ihm fremden Art Ausdruck zu geben.
»Ich wünsche zu sehen!« stotterte er. »Ich wünsche die Schlacht zu sehen! Lassen Sie mich auf die Wälle gehen.«
Der junge Offizier schüttelte unschlüssig den Kopf. Wie die meisten seiner Kameraden hegte auch er freundliche Gefühle für den englischen Kommandanten, der, wie es hieß, binnen kurzem nach Paris befördert und dort erschossen werden sollte.
»Es ist verboten«, murmelte er.
»Ich werde nicht fliehen«, versprach Hornblower. Die Erregung löste ihm die Zunge. »Ich schwöre es! Kommen Sie mit, aber lassen Sie mich sehen! Ich will es sehen!«
Noch immer zögerte der Leutnant.
»Ich darf meinen Posten nicht verlassen.«
»Dann lassen Sie mich allein gehen. Ich schwöre Ihnen, daß ich den Wall nicht verlassen, daß ich keinen Fluchtversuch unternehmen werde.«
»Ehrenwort?«
»Ehrenwort. Ich danke Ihnen, Herr.«
Der Leutnant trat beiseite, und Hornblower stürzte aus der Zelle. Über den kurzen Gang erreichte er den Hof, und dann rannte er die Rampe hinauf, die zur seewärts gelegenen Bastion führte. Gerade als er sie erreichte, feuerten die dort stehenden beiden Zweiundvierzigpfünder mit ohrenbetäubendem Krachen, und die langen gelbroten Flammen des Mündungsfeuers blendeten ihn fast. Bitterer, stechender Pulverqualm hüllte ihn ein. Die Bedienungsmannschaften beachteten ihn nicht. Er hastete die steile Treppe zum Kurtinenwall hinunter, von wo aus er unbehelligt durch das Feuer der schweren Batterie dem Gefecht folgen konnte.
Da unten schien ein ganzes Feuerwerk abgebrannt zu werden. Stichflammen durchzuckten das über der Bucht von Rosas liegende nächtliche Dunkel. Fünfmal lohte in regelmäßigen Zwischenpausen die leuchtend rote Glut einer Salve auf, und jedes solche Aufflammen beleuchtete ein stattliches Schiff, das unter genauer Innehaltung seines Platzes in der Kiellinie an den vor Anker liegenden französischen Schiffen entlangglitt. Die Pluto führte. Hornblower erkannte ihre drei Decks, die an der Gaffel wehende Flagge und die im Kreuztopp gesetzte Admiralsflagge. Sie führte Marssegel; die übrigen waren festgemacht. Leighton würde dort drüben auf seinem Achterdeck auf- und abgehen; vielleicht auch an Barbara denken. Als zweite folgte die Caligula. Sicherlich stampfte Bolton, begeistert von dem Donnern der Salven, auf den Decksplanken umher. Das Schiff entwickelte eine schnelle Salvenfolge und - nun, ja, ungeachtet seiner mangelhaften Erziehung war Bolton ein tüchtiger Kommandant.
Die Inschrift >Oderint dum metuant< - der Wahlspruch des Kaisers Caligula -, die sich in goldenen Lettern über das Heck zog, hatten für Bolton keine Bedeutung gehabt, bis Hornblower sie ihm übersetzte und erklärte. Vielleicht wurden jene Buchstaben gerade in diesem Moment von einer französischen Kanonenkugel zerschmettert.
Das feindliche Feuer war indessen schlecht geleitet und sehr unregelmäßig. Es gab da kein plötzliches Aufleuchten der Salven, sondern nur ein wildes Sprühen und Blitzen der einzeln abgefeuerten Geschütze. In einem durch Überraschung eingeleiteten Nachtkampf wie diesem würde Hornblower nicht einmal von englischen Seeleuten die unbedingte Feuerdisziplin erwartet haben. Er zweifelte daran, daß mehr als ein Zehntel der französischen Artillerie überhaupt vorschriftsmäßig bedient und gerichtet wurde. Die schweren Geschütze der Festung aber, die in seiner nächsten Nähe feuerten, halfen der Sache Frankreichs wahrscheinlich sehr wenig, wenn sie ihr nicht geradezu Schaden zufügten. In der Dunkelheit und bei rund tausend Meter Schußentfernung trafen die Geschosse der großkalibrigen Kanonen vermutlich Freund und Feind, obwohl sie auf unbeweglicher Plattform standen. Wirklich, es hatte sich gelohnt, daß der Admiral Martin Leighton und seine Schiffe in dieser Neumondnacht hergeschickt und dabei alle navigatorischen Gefahren in Kauf genommen hatte, die die Bucht von Rosas enthielt.
Hornblower fühlte Beklemmung vor Erregung, als er sich vergegenwärtigte, wie es jetzt an Bord der britischen Schiffe aussah. Die Lotgasten sangen ruhig die gemessenen Wassertiefen aus, die Schiffe legten sich unter dem Rückstoß der brüllenden Salven nach Feuerlee über, in den Batteriedecks leuchteten die Gefechtslaternen undeutlich durch den Qualm, die Lafetten polterten und kreischten, während die Geschütze wieder ausgerannt wurden, die Artillerieoffiziere schrien ihre Befehle, und mit beherrschter Stimme erteilte der Kommandant dem Rudergänger seine Anweisungen. Weit beugte sich Hornblower über die Brüstung, um besser das nächtliche Dunkel der Bucht mit den Blicken durchdringen zu können.
Der schwache Geruch von Holzrauch drang ihm in die Nase.
Unverkennbar unterschied er sich von dem ätzenden Pulverqualm, der aus den Geschützmündungen quoll. Offenbar hatte man Feuer angezündet, um Kanonenkugeln zu erhitzen, aber der Kommandant, der unter den vorliegenden Umständen mit glühenden Kugeln schießen wollte, mußte ein Narr sein. Französische und englische Schiffe waren gleicherweise brennbar, und in dieser Finsternis konnte Freund und Feind getroffen werden. Plötzlich krallte Hornblower die Hände in die steinerne Brüstung, und dann starrte er so lange auf das hinaus, was seine Aufmerksamkeit erregte, bis seine Augen schmerzten. Ein winziger, gedämpft rötlicher Fleck leuchtete dort in der Ferne. Die Engländer führten Brander ins Treffen. Ein vor Anker liegender Feind bot für diese Art des Angriffes das denkbar beste Ziel. Martin hatte alles wohl bedacht, als er zunächst die Linienschiffe vorschickte, um etwa vorhandene Wachfahrzeuge hinwegzufegen, die feindliche Artillerie niederzukämpfen und die Aufmerksamkeit der Franzosen zu fesseln. Der rote Feuerschein nahm plötzlich zu; heller und heller wurde er und enthüllte dadurch die Takelage einer kleinen Brigg. Grell aber flammte er auf, als die wenigen wagemutigen Kerle, die an Bord blieben, die Luken und Stückpforten aufrissen, um den Luftzug zu verstärken. Nun konnte selbst Hornblower von der Höhe der Zitadelle aus die hervorschießenden Flammenzungen sehen, und gleichzeitig erkannte er in ihrem Schein die Umrisse der längsseit liegenden Turenne, des einzigen Franzosen, der mit allen Masten aus dem letzten Seegefecht hervorgegangen war. Wer immer der junge Offizier sein mochte, der den Brander befehligte, jedenfalls war er ein kaltblütig handelnder und entschlossener Mann, der es verstand, sich das günstigste Ziel von allen auszusuchen.
Hornblower sah glühende Punkte an den Wanten und Stagen der Turenne emporklettern, bis sie sich wie ein Feuerwerksbild in feurigen Linien vom nächtlichen Hintergrund abhob. Jäh aufleuchtende Stichflammen verrieten das Hochgehen der Bereitschaftsmunition an Deck, und dann schwang das ganze Linienschiff herum und begann, da die Ankertrossen durchgebrannt waren, vor dem leichten Winde langsam abzutreiben. Ein Mast brach in einem aufwärtsstiebenden Funkenregen zusammen, der sich seltsam in dem tiefschwarzen Wasser spiegelte. Sofort schwieg die Artillerie der übrigen Franzosen. Die Mannschaft wurde zur Abwehr der treibenden Gefahr gerufen, und träge Bewegungen der vom Feuerschein beleuchteten Schiffe verrieten, daß man, um dem Feuertode zu entgehen, die Ankertrossen kappte.
Plötzlich wurde Hornblowers Aufmerksamkeit auf einen...
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