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Kapitän Horatio Hornblower las einen verschmierten Probeabzug, den ihm die Drucker gerade ins Haus geschickt hatten: >An alle tapferen jungen Männer!
An die Seeleute, Landbewohner und Jungen, die den Wunsch haben, für die Freiheit zu kämpfen, und die dem korsischen Tyrannen zeigen wollen, daß er nicht ungestraft den britischen Zorn herausfordern darf.
Seiner Majestät Schiff Sutherland, ein mit vierundsiebzig Kanonen bestückter Zweidecker, wird demnächst in Plymouth in Dienst gestellt. Noch sind einige Stellen zur Ergänzung der Besatzung frei. Der Kommandant, Kapitän Horatio Hornblower, kehrte erst jüngst mit der sechsunddreißig Kanonen tragenden Fregatte Lydia aus dem Pazifik zurück, nachdem er dort den ihm doppelt überlegenen spanischen Zweidecker Natividad niedergekämpft und zum Sinken gebracht hatte. Die Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften der Lydia sind ihm sämtlich an Bord der Sutherland gefolgt. Welcher tapfere Brite kann dem Ruf widerstehen, in die Reihen dieser Helden einzutreten und mit ihnen den neuen Ruhm zu erwerben, der auf sie wartet? Wer will dem Monsieur Jean Crapaud beibringen, daß die See Britanniens Eigentum ist, auf dem kein französischer Froschfresser sein Gesicht zu zeigen hat? Wer wünscht einen Hut voll goldener Louisdore als Prisengeld? Jeden Abend werden die Fiedler zum Tanz aufspielen. Als Verpflegung gibt es bestes Ochsenfleisch, das beste Brot; dazu täglich Rum zu Mittag. Alles außer der Löhnung, die im Namen Seiner Allergnädigsten Majestät des Königs Georg ausbezahlt wird! Dort, wo dieser Aufruf aushängt, befindet sich ein Offizier HMS Sutherland. Er wird jeden nach Ruhm dürstenden Freiwilligen einstellen.<
Kapitän Hornblower mußte sich gegen ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit wehren, als er den Probeabzug las. Aufrufe dieser Art konnte man in jedem Marktflecken dutzendweise finden. Es war wenig wahrscheinlich, daß sich Rekruten für ein schwerfälliges Linienschiff finden würden, solange verwegene Kommandanten von Fregatten, deren Ruhm seinen weit übertraf, das ganze Land abgrasten und dabei Summen nennen konnten, die tatsächlich auf ihren früheren Kreuzfahrten erbeutet worden waren. Die Entsendung von vier Offizieren, von denen jeder ein halbes Dutzend Leute mitnehmen mußte, würde ihn tatsächlich fast das ganze Geld kosten, das er während seines letzten Kommandos erspart hatte, und dabei fürchtete er, daß es sich um hinausgeworfenes Geld handeln werde.
Dennoch mußte etwas geschehen. Die Lydia hatte ihn zwar mit zweihundert seebefahrenen Männern versorgt - allerdings sagte das Plakat nichts davon, daß man sie, ohne ihnen nach Abschluß einer zweijährigen Dienstzeit Gelegenheit gegeben zu haben, den Fuß auf britischen Boden zu setzen, samt und sonders an Bord der Sutherland gebracht hatte -, aber um seine Besatzung zu vervollständigen, bedurfte er weiterer fünfzig Seeleute, zu denen noch zweihundert Rekruten und Schiffsjungen treten mußten. Das Wachschiff hatte ihn in dieser Hinsicht völlig im Stich gelassen. Gelang es ihm aber nicht, die Sutherland mit den nötigen Beständen zu versehen, so konnte ihm das den Verlust des Kommandos eintragen. Das aber bedeutete Halbsold - acht Shilling täglich - für den Rest seines Daseins. Wie er bei der Admiralität angesehen war, vermochte er in keiner Weise zu beurteilen, und es entsprach seiner Eigenart, in solcher Lage das Ungünstigste anzunehmen und somit zu argwöhnen, daß seine Stellung sehr gefährdet sei.
Sorge und Nervenanspannung drängten Flüche über seine Lippen, während er mit dem Bleistift auf das Papier klopfte; törichte Verwünschungen waren es, deren Sinnlosigkeit er sich bereits bewußt wurde, noch während er sie aussprach.
Übrigens hütete er sich davor, laut zu sprechen, denn hinter der Doppeltür schlief Maria, die er nicht zu stören wünschte. Maria glaubte, in gesegneten Umständen zu sein. Wohl war es noch zu früh, um dessen sicher zu sein, aber jedenfalls hatte Hornblower genug an ihrer übertriebenen Zärtlichkeit. Jetzt, als er daran dachte, nahm seine nervöse Reizbarkeit noch weiter zu. Er haßte das Land, die Notwendigkeit der Rekrutierung, das dumpfe Wohnzimmer und den Verlust der Unabhängigkeit, die er während all der Monate seiner letzten Reise genossen hatte. Ärgerlich griff er nach seinem Hut und verließ leise das Zimmer. Unten in der Vorhalle wartete der Bote der Druckerei. Ihm händigte Hornblower in schroffer Weise den Probeabzug aus, wobei er ein Gros entsprechender Plakate bestellte. Dann trat er auf die geräuschvolle Straße hinaus.
An der sogenannten Halfpenny-Gate-Brücke ließ ihn der Brückenwärter ohne Bezahlung passieren, sowie er die Uniform sah. Die herumlungernden Bootsleute erkannten den Kommandanten der Sutherland. Sie versuchten, ihn auf sich aufmerksam zu machen, da sie hoffen konnten, angesichts der langen Fahrstrecke ein schönes Trinkgeld zu bekommen.
Hornblower wählte eine Jolle. Es bereitete ihm Genugtuung, daß er sein Ziel nicht zu nennen brauchte. Die Leute legten sich in die Riemen, und die Jolle glitt durch das Gewirr der im Hafen liegenden Schiffe. Der Mann am Schlagriemen schob seinen Priem an die andere Seite und schickte sich an, eine Belanglosigkeit zu sagen, doch erstarb der Versuch in einem Hüsteln, als er die mißmutig gerunzelte Stirn des Fahrgastes bemerkte. Hornblower, der den Vorgang beobachtete, ohne den Mann wirklich anzusehen, verlor etwas von seiner schlechten Laune. Jetzt fiel ihm auch das Muskelspiel der braunen tätowierten Unterarme auf. Im linken Ohr des Mannes schimmerte ein Ohrring. Ehe er Jollenführer wurde, mußte er Hochseemann gewesen sein. Hornblower verspürte den sehnlichen Wunsch, ihn an Bord der Sutherland zu behalten. Wenn es ihm gelang, einige Dutzend brauchbare Seeleute zu bekommen, war er den größten Teil seiner Sorgen los, aber natürlich war der Kerl im Besitz eines Freistellungsscheines, sonst hätte er in einem Hafen, in dem etwa ein Viertel der britischen Marine nach Mannschaften suchte, niemals seinen Beruf ausüben können.
Am Ausrüstungskai und in der Werft wimmelte es von Männern; großenteils waren es seebefahrene Zimmerleute und Takler. Im Vorüberfahren blickte Hornblower so sehnsüchtig zu ihnen hinüber wie ein Kater, der nach dem Goldfischglas schielt. Die Seilerbahn glitt vorbei, der Mastschuppen, die mit einem Kran zum Einsetzen der Masten versehene Hulk und die Hartbrotbäckerei mit ihren rauchenden Schornsteinen. Und Bull Point gegenüber lag die Sutherland vor Anker. Während Hornblower sie über das von kurzen Wellen belebte Wasser hinweg ansah, mischte sich ein sonderbares Mißvergnügen in den naturgemäßen Stolz, den er als Kommandant empfand. Zu einer Zeit, da sich der ausladende Bug bei allen in England gebauten Linienschiffen durchsetzte, erweckte das runde Vorschiff einen merkwürdigen Eindruck. Die plumpen Umrisse deuteten darauf hin, daß man zur Erzielung eines geringen Tiefgangs wissentlich auf andere wünschenswerte Eigenschaften verzichtet hatte. Mit Ausnahme der in England eingesetzten Untermasten verrieten alle Einzelheiten die holländische Herkunft und die Rücksichtnahme auf die zahlreichen Sandbänke und die flachen Flußmündungen der holländischen Küstengewässer. Ursprünglich war die Sutherland die niederländische Eendracht gewesen, die, bei Texel weggenommen und wieder instand gesetzt, nunmehr der häßlichste Zweidecker der ganzen Flotte geworden war.
Mit einem Gefühl der Abneigung, das durch die Besatzungsschwierigkeiten noch verstärkt wurde, dachte Hornblower an die peinliche Lage, in die er unbedingt geraten mußte, wenn er sich einmal mit solchem Schiff von einer Leeküste freisegeln mußte. Wie ein Papierschiffchen würde es nach Lee abtreiben. Bei dem darauf folgenden Kriegsgericht aber würde ihm niemand Glauben schenken, wenn er auf die schlechten Segeleigenschaften des Zweideckers hinwies.
»Langsamer!« herrschte Hornblower den Jollenführer an. Sofort hörte das Knarren der sich in den Dollen reibenden Riemen auf. Gleichzeitig wurde das glucksende Anschlagen der Wellen hörbar.
Während das Boot mit verminderter Fahrt weiterglitt, setzte Hornblower seine Besichtigung fort. Das Schiff war neu angestrichen worden, aber so sparsam, wie es eben die Herren von der Werft bewilligt hatten. Keine weiße oder rote Farbe unterbrach das eintönige Gelb und Schwarz. Ein wohlhabender Kommandant würde mit Hilfe seines Ersten Offiziers solchem Mangel aus eigener Tasche abgeholfen und hier oder dort etwas Gold aufgesetzt haben, Hornblower aber hatte für das teure Gold kein Geld übrig, mochte seine eigene Zukunft bis zu gewissem Grade vom Aussehen der Sutherland abhängen, und er wußte, daß auch Bush, der seine Mutter und mehrere Schwestern unterstützte, keine überflüssigen Mittel besaß. Anderen Kommandanten - Hornblower mußte es sich mißmutig eingestehen - wäre es auf irgendeine Weise gelungen, mehr Farbe von der Werft zu bekommen, sogar Blattgold, aber er verstand sich nicht darauf, schöne Worte zu machen. Die Vergoldungen der ganzen Welt hätten ihn nicht dazu bewegen können, einem Werftbeamten vertraulich auf die Schulter zu klopfen und sich ihm anzubiedern. Nicht, als ob er sich ein Gewissen daraus gemacht hätte, aber sein Selbstbewußtsein ließ derlei nicht zu.
Irgend jemand hatte ihn vom Oberdeck aus bemerkt. Er hörte die Bootsmannspfeifen schrillen. Man bereitete seinen Empfang vor. Mochten sie noch ein wenig warten; heute ließ er sich nicht aus der Ruhe bringen. Die noch nicht voll ausgerüstete Sutherland lag hoch auf dem Wasser, so daß man einen breiten Streifen ihres Kupferbeschlags sehen konnte. Gottlob, wenigstens das Kupfer war neu. Vor dem Winde segelnd, mochte das häßliche alte Schiff immerhin eine ganz nette...
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