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Sir Horatio Hornblower saß in einem der höchst unbequemen Kirchenstühle aus geschnitzter Eiche und fand die Predigt des Dekans von Westminster zum Sterben langweilig. Da packte ihn die Unruhe wie einen kleinen Jungen, er ließ seine Blicke durch die Kirche wandern und sah sich die versammelte Gemeinde an, um sich von den rein körperlichen Beschwerden, die ihm sein Sitz verursachte, etwas abzulenken. Zu seinen Häupten schwang sich in vollendeter Fächerung das edle Maßwerk des Domes empor, der für sein Empfinden entschieden das schönste Gebäude der Welt war. Die Art, wie die ausstrahlenden Gewölberippen einander schnitten und wieder schnitten, befriedigte seinen mathematischen Sinn und schien ihm von einer erleuchteten Logik zu zeugen. Die namenlosen Werkleute, deren Meißel diese Formen geschaffen hatten, mußten wahrhaft schöpferische Männer mit umfassendem Weitblick gewesen sein.
Die Predigt plätscherte weiter, und Hornblower hatte Grund zu fürchten, daß nach ihrem Ende wieder der Gesang begann, daß dann die Chorknaben in ihren weißen Hemden wieder mit ihren hohen Sopranstimmen einsetzten, die ihm durch Mark und Bein gingen und noch viel schlimmer waren als die ganze Predigt und der harte, eichene Kirchenstuhl zusammengenommen. Aber das war eben der Preis, den man bezahlen mußte, wenn man Band und Stern tragen durfte, wenn man ein Ritter des hochangesehenen Bathordens war. Man wußte, daß er auf Erholungsurlaub in England weilte und gesundheitlich schon wieder ganz auf der Höhe war - da konnte er diesem höchsten Fest seines Ordens unmöglich fernbleiben. Die Kirche bot jedenfalls ein besonders eindrucksvolles Bild. Alle die karmesinroten Mäntel und die blitzenden Ordenssterne der versammelten Ritter fingen das trübe Sonnenlicht auf, das durch die hohen Fenster in das Schiff der Kirche fiel, und wandelten es zu einer vielfachen Glut von aufwühlender Farbengewalt. Wollte man dieser Zurschaustellung eitler Pracht das Wort reden, dann konnte man wenigstens das eine zu ihren Gunsten anführen, daß sie von einer seltsamen, aber mitreißenden Schönheit war, die jeden ergriff, ob er nun historische Vorstellungen damit verband oder nicht. Der Chorstuhl, in dem er saß, war vielleicht früher einmal einem Hawke oder Anson ebenso hart vorgekommen wie ihm heute, und Marlborough mochte zu seiner Zeit in dem gleichen rotweißen Ordensgewand, wie er es trug, während einer gleich langweiligen Predigt genauso zappelig und ungeduldig gewesen sein wie er.
Einer der Herren sah ganz besonders bedeutend und wichtig aus, er trug nämlich eine silbervergoldete Krone auf dem Kopf und einen roten Samtmantel mit eingesticktem Königswappen um die Schultern. Aber das war nur der erste Herold des Bathordens, irgendein Mann mit guten Verbindungen, der sich dieses anständig bezahlte Pöstchen ergattert hatte. Der konnte diese Predigt natürlich leicht über sich ergehen lassen, wenn er sich überlegte, daß er mit diesem Opfer, das nur einmal jährlich fällig war, seinen ganzen Lebensunterhalt verdiente. Neben ihm saß der Prinzregent als Großmeister des Ordens, das Karmesin seines Mantels vertrug sich schlecht mit der scharlachroten Farbe seines Gesichts. Da waren eine Menge Soldaten, Generäle und Obersten, deren Gesichter ihm unbekannt waren. Aber hier und dort erblickte er auch Männer, die er kannte, Männer, in denen er jetzt mit Stolz seine Ordensbrüder sah. Dazu gehörte zum Beispiel Lord St. Vincent, der Riese mit dem finsteren Gesicht, der damals mit seiner Flotte mitten in einen doppelt so starken spanischen Verband hineingestoßen war, Ducan, der die holländische Flotte bei Camperdown vernichtet hatte, und noch ein Dutzend anderer Admirale und Kapitäne, darunter sogar einige, die im Range noch jünger waren als er selbst, so Lydiard, der die Pomona vor Havanna wegnahm, Samuel Hood, der bei Abukir die Zealous geführt hatte, und Yeo, der Erstürmer des Forts El Muro.
Der Gedanke, dem gleichen ritterlichen Orden anzugehören wie diese Männer, machte einen froh und erwärmte einem das Herz - das war vielleicht lächerlich, aber es ließ sich nicht leugnen. Dabei war die Gesamtzahl der Helden mindestens dreimal so groß. Viele der ritterlichen Brüder befanden sich in See (anwesend waren nur solche, die Landkommandos innehatten oder auf Urlaub waren) und holten zu den letzten Schlägen aus, die das Reich Napoleons zertrümmern sollten. Hornblower fühlte sich von einer Woge vaterländischer Begeisterung ergriffen, sein Geist ließ sich von der Flut dieses Gefühls emportragen, begann aber doch alsbald kritisch zu prüfen, was es mit diesem ganzen Überschwang auf sich hatte, und stellte sich die Frage, wieviel davon er der romantischen Schönheit des Bildes verdanken mochte, das ihm seine Umgebung bot.
Ein Marineleutnant in Uniform war in die Kirche eingetreten, stand einen Augenblick zögernd, bis er Lord St. Vincent entdeckt hatte, und eilte dann auf ihn zu. Er überreichte ihm das umfangreiche Schreiben, das er in der Hand hielt und dessen Siegel bereits erbrochen war. Jetzt achtete niemand mehr auf die Predigt - alle anwesenden Seeoffiziere, die Blüte der Royal Navy, renkten sich die Hälse aus und schauten auf Lord St. Vincent, während dieser die Depesche las, die offenbar soeben von der Admiralität am anderen Ende von Whitehall herüberkam. Die Stimme des Dekans wurde ein bißchen unsicher, aber er nahm sich tapfer zusammen und ließ seine Rede vor tauben Ohren weiterplätschern. Diese Taubheit dauerte recht lange, denn St. Vincent laß das Schreiben nicht nur einmal durch, sondern kehrte, als er fertig war, wieder zum Beginn zurück, ohne daß sich in seinem zerklüfteten Gesicht auch nur eine Miene verzog. St. Vincent hatte zwar in der Schlacht, deren Namen er jetzt als Titel führte, mit einer einzigen, raschen Entscheidung das Schicksal ganz Englands aufs Spiel gesetzt, aber er war dennoch nicht der Mann übereilter Entschlüsse, wenn er genügend Zeit zum Überlegen hatte.
Er kam zum zweitenmal ans Ende, faltete den Brief zusammen und ließ dann seinen Blick langsam durch die Kirche schweifen. Und ein paar Dutzend Ritter des Bathordens hofften in erregter Spannung, diesem Blick zu begegnen. St. Vincent aber erhob sich, hüllte sich in den roten Rittermantel, ergriff den Federhut und humpelte nach einem kurzen Wort an den wartenden Leutnant mit steifen Schritten hinaus. Sofort übertrug sich die Aufmerksamkeit auf diesen Leutnant, und aller Augen folgten ihm, während er das Kirchenschiff durchquerte. Hornblower fuhr unwillkürlich zusammen und fühlte sein Herz laut klopfen, als er merkte, daß jener geradewegs auf ihn zukam.
»Eine Empfehlung von Seiner Lordschaft, Sir«, sagte der Leutnant, »und er läßt Sie sofort zu einer kurzen Besprechung bitten.«
Jetzt war Hornblower an der Reihe, seinen Umhang zu schließen und an seinen Federhut zu denken. Er mußte sich unter allen Umständen gleichmütig geben, es durfte nicht sein, daß die versammelten Bathritter etwa über ihn lächelten, wenn sie ihm seine Erregung über diese Aufforderung des Ersten Lords anmerkten. Er mußte sich also den Anschein geben, als wären derlei Dinge für ihn etwas ganz Alltägliches. Unachtsam trat er aus seinem Kirchenstuhl, da kam ihm gleich der Säbel zwischen die Beine, und er hatte es nur einer gütigen Vorsehung zu verdanken, daß er nicht der Länge nach hinfiel. Mit klirrenden Sporen und klappernder Scheide rettete er sein Gleichgewicht und stelzte dann langsam und würdevoll durch das Kirchenschiff. Dabei folgten ihm alle mit den Blicken; bei den anwesenden Armeeoffizieren handelte es sich gewiß um bloße Neugier, aber die Navy - Lydiard und die anderen - war natürlich aufs höchste gespannt, welche überraschende Wendung der Seekrieg neuerdings genommen hatte, und beneidete ihn um die neuen Abenteuer und Auszeichnungen, die ihn erwarteten. Weiter hinten, in einer der für bevorzugte Gäste bestimmten Bänke, entdeckte Hornblower Barbara, die gleichfalls aufgestanden war und ihren Stuhl verließ, um sich ihm anzuschließen. Er begrüßte sie mit einem gezwungenen Lächeln - solange er alle diese Blicke auf sich ruhen fühlte, mochte er nicht sprechen - und reichte ihr seinen Arm. Sogleich fühlte er den festen Druck ihrer Hand, hörte er ihre klare, sichere Stimme. Barbara ließ sich natürlich nicht dadurch einschüchtern, daß sie von allen angestarrt wurden.
»Ist wieder etwas los, mein Lieber?« fragte sie.
»Ich nehme es an«, flüsterte Hornblower.
Draußen vor dem Tor erwartete sie St. Vincent. Die leichte Brise spielte in den Straußenfedern seines Hutes und in den Falten seines rotseidenen Mantels. Die weißen seidenen Kniehosen schienen für seine wuchtigen Beine fast zu eng zu sein. Er schritt langsam auf und ab, seine riesigen Füße waren von Gicht entstellt und hatten die weißen Seidenschuhe, die er trug, ganz aus der Form gebracht. Aber auch der seltsamste Aufzug vermochte diesem Mann nichts von seiner strengen Würde zu nehmen. Barbara zog ihre Hand aus Hornblowers Arm und trat diskret zurück, um den beiden Männern ein Gespräch unter vier Augen zu ermöglichen.
»Sir?« begann Hornblower fragend, dann fiel ihm - zu spät - ein, wen er vor sich hatte, er war ja nicht daran gewöhnt, mit dem Hochadel umzugehen. Er verbesserte sich: »Mylord?«
»Sind Sie so weit hergestellt, daß Sie wieder Dienst machen können, Hornblower?«
»Jawohl, Mylord.«
»Sie müssen noch heute abend in See gehen.«
»Aye aye, Sir - Mylord.«
»Wenn mein verfluchter Wagen endlich erscheint, dann bringe ich Sie zur Admiralität hinüber und gebe Ihnen Ihren Befehl.« St. Vincent erhob seine Stimme zu jener Lautstärke, die auch in westindischen Zyklonen mit Leichtigkeit genügt hatte, sich im...
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