Schweitzer Fachinformationen
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Kapitän Horatio Hornblower saß in seiner Sitzbadewanne und betrachtete angewidert seine über den Rand hängenden Beine. Sie waren dünn und behaart und erinnerten ihn an die Beine der Spinnen, die er in Mittelamerika gesehen hatte. Es fiel ihm schwer, seinen Gedanken eine andere, erfreulichere Richtung zu geben, während er in dieser lächerlichen Badewanne saß und seine Beine so aufdringlich dicht vor der Nase hatte - sie hingen unten heraus, oben ragte sein Oberkörper aus dem Wasser, so daß eigentlich nur die Mitte von den Hüften bis oberhalb der Knie eingetaucht war. Dabei mußte man sich fast wie ein Taschenmesser zusammenklappen. Hornblower fand es aufreizend, auf diese Weise baden zu müssen, wollte aber seiner Gereiztheit nicht nachgeben. Nicht mehr denken! Keine Vergleiche mehr mit den unzähligen herrlichen Bädern an Bord, wo ihn die Deckwaschpumpe mit unbegrenzten Mengen erfrischenden Seewassers übersprudelt hatte! Er griff zu Seife und Waschlappen und seifte heftig die über Wasser befindlichen Teile seines Körpers ab. Dabei schwappte eine Menge über und spritzte auf die gebohnerten eichenen Dielen seines Ankleidezimmers. Nicht schön für das Dienstmädchen! Nun, wenn schon - in seiner augenblicklichen Stimmung fand Hornblower geradezu einen Genuß darin, anderen Unannehmlichkeiten zu bereiten.
Ungeschickt stand er in seiner Badewanne auf und spritzte dabei wieder nach allen Seiten um sich. Er seifte und wusch noch die Körpermitte; dann rief er nach Brown, der sofort aus dem Schlafzimmer erschien. Ein Diener mit größerer Erfahrung hätte vielleicht die Laune seines Herrn erraten und in diesem Fall eine oder zwei Sekunden gezögert, um ihm Gelegenheit zu einem herzhaften Donnerwetter zu geben. Brown legte Hornblower ein angewärmtes Handtuch um die Schultern und verhinderte geschickt, daß die Zipfel eintauchten, als sein Herr nun aus dem schmutzigen Seifenwasser herausstieg und unter Hinterlassung einer Spur von Tropfen und nassen Fußtapfen durchs Zimmer schritt.
Hornblower trocknete sich ab und starrte dabei finsteren Blicks ins Schlafzimmer hinüber auf den Anzug, den Brown dort für ihn bereitgelegt hatte.
»Herrlicher Morgen, Sir«, bemerkte Brown.
»Rutsch mir den Buckel herunter!« erwiderte Hornblower. Jetzt mußte er sich in diese verfluchten braun-blauen Klamotten und in die Lackstiefel hineinzwängen und dazu den dummen goldenen Uhranhänger tragen. Er hatte den Anzug noch nie angehabt, schon bei der Anprobe war er ihm zuwider gewesen. Seine Frau war begeistert, aber das verschlug nichts, ihm, Hornblower, war dieses Zeug nun einmal ein Greuel, und daran konnte sich seiner Lebtage nichts ändern. Es half nichts - er mußte hinein! Sein Widerwillen hatte ein doppeltes Gesicht, einmal war er ein einfaches, blindes Gefühl ohne jede Überlegung, zum anderen wurde er von der Vorstellung genährt, daß ihm der Anzug miserabel zu Gesicht stand, daß er darin nicht nur gewöhnlich, sondern geradezu albern aussah. Mit Todesverachtung zog er das Zwei-Guinees-Hemd über den Kopf und schlüpfte dann mit unendlicher Mühe in die engen braunen Hosen, die ihm an den Beinen saßen wie eine Haut. Endlich war er drin, und Brown war eben hinter ihn getreten, um die Gürtelschnalle anzuziehen, da merkte er, daß er die Strümpfe vergessen hatte. Die Hosen wieder ausziehen hieß seinen Fehler eingestehen, das aber wollte er unter keinen Umständen. Als ihm daher Brown diesen Vorschlag machte, erntete er nur einen neuen, kräftigen Fluch, der diesen aber nicht aus seiner philosophischen Ruhe bringen konnte. Er ließ sich ergeben auf die Knie nieder und begann, seinem Herrn die Hosenbeine aufzurollen, kam aber damit beim besten Willen nicht weiter als bis zum Knie. Es erwies sich als hoffnungsloses Beginnen, die langen Strümpfe auf diese Weise anziehen zu wollen.
»Schneid die verdammten Dinger oben ab«, fuhr ihn Hornblower an.
Der kniende Brown schlug in stummem Protest die Augen zu seinem Herrn auf, Hornblowers Gesichtsausdruck erstickte ihm aber das Wort im Munde. Schweigend und beherrscht gehorchte er dem Befehl und holte die Schere vom Toilettentisch. Klipp-klapp, klipp-klapp, und schon fielen die oberen Enden der Strümpfe zu Boden. Nun fuhr Hornblower in die verstümmelten Fußteile und empfand heute zum erstenmal eine Art Genugtuung, als ihm Brown die Hosen darüberzog. Mochten sich alle bösen Gewalten gegen ihn verschworen haben, bei Gott, er wollte ihnen zeigen, daß er noch seinen Willen besaß. Er zwängte seine Füße in die Lackstiefel. Sie waren verdammt eng, aber nein, er wollte nicht darüber fluchen - schuldbewußt erinnerte er sich seiner Nachgiebigkeit gegen den modischen Schuhmacher, bei dem er nicht genug auf bequemen Sitz bestanden hatte. Aber auch da war eben seine Frau dabeigewesen und hatte darauf geachtet, daß den Gesetzen der Mode Genüge geschah. Er stelzte hinüber zum Toilettentisch, um das Halstuch umzubinden, und dann schnallte ihm Brown die Halsbinde zu. Dieses lächerliche Ding kratzte ihn an den Ohren, sooft er den Kopf wandte, er hatte das Gefühl, als würde sein Hals auf die doppelte Länge gedehnt. Nie im Leben hatte er etwas so Unbequemes angehabt. Solange er diese verdammte Binde trug, die Brummel und der Prinzregent kreiert hatten, war ihm jeder freie Atemzug verwehrt. Nun kam die geblümte Weste an die Reihe - blau mit rosa Stickerei - und zuletzt fuhr er in den feinen, braunen Tuchrock mit den großen, blauen Knöpfen; nebenbei gesagt, war das Innere der Taschenklappen und die Rückseite der Aufschläge und des Kragens von dem gleichen Blau. Zwanzig Jahre lang hatte Hornblower nur Uniformen getragen, was Wunder, daß sein Spiegelbild seinem voreingenommenen Blick unnatürlich, grotesk und lächerlich erschien? Die Uniform war etwas so unendlich Bequemes, er hatte sie zu tragen, wie sie war, also konnte auch niemand etwas aussetzen, wenn sie ihm nicht stand. Beim Zivil war es etwas ganz anderes. Da nahm man an, daß er sich nach eigenem Geschmack und eigener Wahl kleidete - obgleich er doch verheiratet war -, und konnte sich also auch über alles lustig machen, was er trug. Brown hakte die goldene Uhr an den Anhänger und zwängte sie in die Tasche. Dort machte sie gerade über dem Bauch eine häßliche Beule. Sollte er sie weglassen? Nein! Voll Wut verwarf Hornblower den Gedanken, ohne Uhr zu gehen, nur damit sein Anzug besser saß. Schließlich steckte er noch ein Leinentaschentuch, das ihm Brown gereicht hatte, in den Ärmel, nachdem er es vorher noch mit einem Schuß Parfüm benetzt hatte. Er war bereit.
»Ein herrlicher Anzug, Sir«, meinte Brown.
»Herrlicher Plunder!« entgegnete Hornblower.
Steif ging er durch das Ankleidezimmer zurück und klopfte an die Tür an dessen anderem Ende.
»Herein!« hörte man die Stimme seiner Frau.
Barbara saß noch in ihrer Badewanne, ihre Beine baumelten über den Rand, genau wie vorhin die seinigen.
»Wie hübsch du aussiehst, Liebster«, meinte sie, »es ist eine Wohltat, dich zur Abwechslung einmal in Zivil zu sehen.«
Selbst Barbara, die liebste und beste Frau der Welt, war also nicht frei von jenem lästigen Fehler, den alle Frauen an sich hatten: die Abwechslung um ihrer selbst willen zu lieben. Aber Hornblower konnte ihr nicht gut so antworten, wie er Brown geantwortet hatte.
»Ich danke dir für dein Kompliment«, sagte er und gab sich dabei verzweifelte Mühe, seinen Ton so zu wählen, daß diese Worte auch wirklich dankbar klangen.
»Mein Handtuch, Hebe!« sagte Barbara. Das kleine Negermädchen glitt herbei und hüllte sie ein, während sie aus dem Sitzbad stieg.
»Venus entsteigt den Wogen«, meinte Hornblower galant. Warum er es nur immer unschicklich fand, wenn er seine Frau in Gegenwart eines anderen weiblichen Wesens nackt sah? Dabei war Hebe doch nur eine Dienerin und obendrein eine farbige. Er gab sich Mühe, dieser törichten Empfindung Herr zu werden.
»Ich nehme an«, sagte Barbara, während sie dastand und sich von Hebe mit dem Handtuch trocken frottieren ließ, »daß man im Dorf schon von unserer seltsamen Gewohnheit gehört hat, jeden Tag ein Bad zu nehmen. Ich kann mir aber kaum eine Vorstellung machen, was sie davon denken.«
Hornblower konnte sich das gut vorstellen, er war ja selbst einmal ein Dorfjunge gewesen. Nun warf Barbara das Handtuch ab und stand wieder einen Augenblick ganz nackt vor ihm, bis Hebe ihr das Seidenhemd überwarf. Frauen verloren doch jedes Schamgefühl, wenn die Hemmungen einmal gefallen waren. Barbara wirkte in diesem durchsichtigen Hemd eigentlich noch anstößiger, als wenn sie ganz nackt war. Sie saß nun an ihrem Frisiertisch und machte sich daran, ihr Gesicht mit Creme zu behandeln, während Hebe ihr Haar bürstete. Vor ihr auf dem Tisch stand eine Unzahl von Töpfen und Tiegeln, aus denen sie der Reihe nach ihre Zutaten entnahm, als wollte sie eine Hexensalbe bereiten.
»Ich freue mich«, meinte sie, während sie ihr Spiegelbild aufmerksam musterte, »daß die Sonne scheint. Es ist gut, daß wir für unsere heutige Feier schönes Wetter haben.«
Hornblower hatte seit dem Aufstehen an nichts anderes denken können als an diese Feier. Nicht daß sie ihm etwa zuwider gewesen wäre, nein, das konnte man nicht behaupten, aber er fühlte sich doch nicht ganz wohl in seiner Haut. Die Feier war der erste Markstein in dem neuen Leben, das ihm hier bevorstand, und es war eigentlich kein Wunder, wenn er seiner eigenen Anpassungsfähigkeit noch mißtraute. Barbara studierte sein Gesicht durch den Spiegel.
»Meinen Willkommengruß dem neuen Herrn von Smallbridge«, sagte sie endlich lächelnd, indem sie sich nach ihm umwandte.
Dieses Lächeln bewirkte nicht nur einen äußeren Wandel in Barbaras Gesichtsausdruck, es vermochte...
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