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Hör zu, Maurizio«, knurrte Rodolfo. »Ich habe mich über dieses Mädchen erkundigt. Was ich gehört habe, gefällt mir überhaupt nicht. Man sagt, sie sei vulgär und ehrgeizig, eine Aufsteigerin, die nichts als Geld im Sinn hat. Maurizio, sie ist nicht die Richtige für dich.«
Maurizio versuchte Haltung zu bewahren. Er hasste Konfrontationen und ganz besonders mit seinem dominanten Vater. »Papà«, sagte er. »Ich kann sie nicht verlassen. Ich liebe sie.«
»Liebe!«, schnaubte Rodolfo. »Hier geht es nicht um Liebe, sondern darum, dass sie an dein Geld will. Aber das wird sie nicht bekommen! Du musst sie vergessen! Wie wäre es mit einem netten kleinen Trip nach New York? Du weißt, wie viele Frauen sich um dich reißen werden!«
Maurizio kämpfte gegen Zornestränen an. »Seitdem Mamma gestorben ist, hast du dich nicht um mich gekümmert!«, brach es aus ihm heraus. »Du hast dich nur um das Geschäft gesorgt. Du hast dir nie Gedanken darüber gemacht, wie es mir geht, was ich gefühlt habe. Du wolltest nur, dass ich wie ein Roboter funktioniere, der deinen Befehlen gehorcht. Aber damit ist Schluss, Papa! Ich will Patrizia, ob es dir gefällt oder nicht!«
Rodolfo hörte seinem Sohn verblüfft zu. Der schüchterne und gelehrige Maurizio hatte ihm bisher nie widersprochen. Er sah, wie Maurizio auf dem Absatz kehrt machte, das Zimmer verließ und mit einer Entschlossenheit nach oben lief, die ihm an ihm noch nie aufgefallen war. Der Junge hatte beschlossen, seine Koffer zu packen und zu gehen. Es hatte keinen Sinn, weiter mit seinem Vater zu streiten, er war nicht bereit, Patrizia aufzugeben. Er wollte den Kontakt zu Rodolfo abbrechen. »Ich werde dich enterben!«, brüllte Rodolfo Maurizio nach. »Hast du mich verstanden? Du bekommst keine einzige Lira von mir, und sie erst recht nicht!«
Patrizia Reggiani hatte Maurizio mit ihren veilchenblauen Augen und ihrer zierlichen Figur hypnotisiert, als sie sich am Abend des 23. November 1970 begegneten. Für ihn war es Liebe auf den ersten Blick; für sie war es der Beginn der Eroberung von einem der prominentesten Junggesellen Mailands - und einem der klangvollsten Namen Italiens.
Maurizio kannte fast alle Gäste beim Debütantinnenball für seine Freundin Vittoria Orlando. Der Wohnsitz der Familie Orlando war in der Via dei Giardini, einer vornehmen dreispurigen Avenue im Herzen der Stadt, in der einige der reichsten Unternehmer von Mailand residierten. Maurizio kannte die meisten anderen Gäste - Töchter und Söhne aus den führenden Familien der Stadt. Im Sommer trafen sie sich in gleicher Besetzung an den ligurischen Stränden von Santa Margherita, etwa drei Autostunden westlich von Mailand. Sie verabredeten sich im Bagno del Covo, einem beliebten Bad mit Strandrestaurant und Diskothek, in dem die damals bekanntesten Popsänger wie Patty Pravo, Milva und Giovanni Battisti auftraten.
Maurizio trank nicht, er rauchte nicht und hatte auch seine Begabung zum Small Talk noch nicht entdeckt. Er war groß und schlaksig und hatte, abgesehen von ein paar Schwärmereien als Teenager, noch keine feste Freundin gehabt. Rodolfo war sehr bemüht gewesen, alle amourösen Eskapaden seines Sohnes im Keim zu ersticken und Maurizio immer wieder zu ermahnen, dass er sich nur mit Mädchen aus gutem Hause verabreden durfte.
Maurizio hatte den Abend ziemlich langweilig gefunden - bis Patrizia in einem leuchtendroten, figurbetonten Kleid den Raum betrat. Er konnte den Blick nicht von ihr lassen. Maurizio trug einen komischen Smoking ohne Aufschläge, hatte ein Glas in der Hand, unterhielt sich geistesabwesend mit dem Sohn eines prominenten Geschäftsmannes und beobachtete Patrizia, wie sie mit ihren Freundinnen lachte und schwatzte. Ihre veilchenblauen Augen, die sie mit dunklem Eyeliner und viel Mascara geschminkt hatte, blitzten ihn hin und wieder an, aber nur kurz, weil sie so tat, als hätte sie nicht bemerkt, dass der junge Mann mit dem dunkelblonden nackenlangen Haar sie anstarrte, seit sie gekommen war. Sie wusste genau, wer er war. Vittoria hatte Patrizia, die im selben Haus wohnte, alles über ihn erzählt.
Schließlich lehnte sich Maurizio zu seinem Freund hinüber und fragte flüsternd: »Weißt du, wer das Mädchen da drüben in dem roten Kleid ist, die Elizabeth Taylor so ähnlich sieht?«
Sein Freund lächelte. »Sie heißt Patrizia und ist die Tochter von Fernando Reggiani, dem eine große Spedition in Mailand gehört«, antwortete der Freund und folgte Maurizios Blick zu dem roten Kleid. Er machte eine Pause, dann sagte er bedeutungsvoll: »Sie ist einundzwanzig, und ich glaube, sie ist zu haben.«
Maurizio hatte noch nie etwas von Reggiani gehört und war es nicht gewöhnt, Mädchen anzusprechen - für gewöhnlich kamen sie auf ihn zu -, aber jetzt nahm er seinen ganzen Mut zusammen und ging dorthin, wo Patrizia mit ihren Freundinnen stand. Er fand einen Weg, sich vorzustellen, indem er ihr ein hohes, schlankes Glas mit Punsch reichte.
»Wie kommt es, dass ich dich noch nie gesehen habe?«, fragte Maurizio und strich mit seinen Fingern über ihre Hand, als er ihr das kühle Glas gab. Auf diese Weise wollte er erfahren, ob sie einen festen Freund hatte.
»Ich nehme an, du hast mich einfach nicht bemerkt«, erwiderte sie zurückhaltend, senkte den Blick und schlug dann ihre dunklen Wimpern wieder auf, um ihn anzusehen.
»Hat dir schon einmal jemand gesagt, dass du wie Elizabeth Taylor aussiehst?«, fragte er sie.
Sie kicherte geschmeichelt - obwohl ihr der Vergleich nicht neu war - und warf ihm einen langen Blick zu.
»Ich garantiere dir, ich bin viel besser«, antwortete sie und machte mit ihren korallenroten Lippen, deren Konturen dunkelrot nachgezeichnet waren, einen aufreizenden Schmollmund.
Maurizio durchfuhr es wie ein Blitz. Schockiert und hingerissen sah er sie wortlos an. Verzweifelt nach Gesprächsstoff suchend fragte er ungeschickt: »Äh, äh, was, äh, was ist denn dein Vater?«, und wurde rot, als er merkte, dass er stotterte.
»Er ist Lastwagenfahrer«, kicherte Patrizia und lachte laut über Maurizios verwirrten Gesichtsausdruck.
»Aber ... äh, ich dachte ... ist er kein Geschäftsmann?«, fragte Maurizio stockend.
»Du bist albern«, lachte Patrizia vergnügt. Sie wusste, dass sie nicht nur sein Interesse, sondern auch seine Neugier geweckt hatte.
»Anfangs gefiel er mir überhaupt nicht«, erinnert sich Patrizia. »Ich war mit einem anderen Mann verlobt. Aber als ich die Verlobung gelöst hatte, erzählte mir Vittoria, dass Maurizio in mich verliebt sei - so fing alles langsam an. Er ist der Mann, den ich am meisten geliebt habe, trotz allem, was nach seinen ganzen Fehlern aus ihm wurde«, sagte Patrizia.
Freunde von damals bestätigen, dass Patrizia nie ein Hehl daraus gemacht hätte, dass sie nicht nur einen reichen Mann, sondern auch einen guten Namen heiraten wollte. »Patrizia traf sich eine Zeit lang mit einem schwerreichen Industriellen, mit dem ich befreundet war, aber weil sein Name ihrer Mutter nicht gut genug war, ließ Patrizia ihn wieder fallen«, erzählte eine Freundin.
Maurizio und Patrizia begannen, sich zusammen mit einem anderen Paar aus der Santa-Margherita-Clique zu treffen. Patrizia hatte schnell erkannt, dass Maurizio nicht so leicht zu haben war, wie sie zunächst dachte.
Maurizios Mutter, Alessandra, war gestorben, als er fünf Jahre alt war, und er wuchs unter den liebenden, aber strengen Fittichen seines Vaters auf. Alessandra wurde krank, als sie und Rodolfo gerade erst anfingen, ihr neues Leben in Mailand zu genießen. Enge Freunde der Familie sagten, dass sie nach der Geburt Maurizios, die per Kaiserschnitt erfolgte, Gebärmutterkrebs bekam. Der Krebs wucherte nach und nach in ihrem ganzen Körper und zerstörte ihr schönes Gesicht und ihre Figur. Als sie das Krankenhaus nicht mehr verlassen konnte, brachte Rodolfo den kleinen Maurizio regelmäßig zu Besuch zu ihr. Alessandra starb am 14. August 1954, Zeitungsberichten zufolge erlag sie einer Lungenentzündung. Sie war erst vierundvierzig. Auf ihrem Totenbett flehte sie den damals 42-jährigen Rodolfo an, ihr zu versprechen, dass Maurizio keine andere Frau mamma nennen dürfe. Zutiefst erschüttert erzählte Rodolfo seinen Freunden traurig, dass ihm Alessandra die schönsten Jahre seines Lebens geschenkt habe - und sie habe ihn und Maurizio allein gelassen, bevor noch glücklichere Jahre kommen konnten. Auch wenn ihre Ehe nicht immer harmonisch gewesen war, hatte er sie vergöttert.
Obwohl Guccio und Aida ihm erklärten, dass der kleine Maurizio eine Mutter brauchte, weigerte sich Rodolfo, erneut zu heiraten oder eine dauerhafte Beziehung zu einer anderen Frau einzugehen. Er traf sich zwar hin und wieder mit einigen wenigen Frauen - zumeist Bekannte aus seiner Zeit als Schauspieler -, begrenzte diese Beziehungen aber immer, aus Angst, zu wenig Zeit für Maurizio zu haben oder ihn eifersüchtig zu machen. Jedes Mal, wenn der kleine Maurizio ihn beim Gespräch mit einer Frau ertappte, zerrte der Junge aufgeregt am Mantel seines Vaters, erzählt Rodolfo. Tullia, ein einfaches, robustes junges Mädchen vom Lande, war bereits Maurizios Gouvernante und blieb das auch nach Alessandras Tod, um Rodolfo bei der Erziehung seines kleinen Sohnes zu unterstützen. Noch lange nachdem Maurizio das Elternhaus verlassen hatte, kümmerte sich Tullia um seinen Vater. Obwohl zwischen Maurizio und Tullia eine enge Beziehung entstand, wurde sie nie eine zweite Mutter für ihn - das hätte Rodolfo nicht geduldet.
Maurizio lebte mit Rodolfo in einer hellen Wohnung im zehnten Stock eines Hauses am Corso Monforte, einer engen Straße mit imposanten Palazzi aus dem achtzehnten Jahrhundert und einigen...
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