Schweitzer Fachinformationen
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Am 31. Mai 1921 brachte die Ford-Automobil-Gesellschaft Wagen Nr. 5.000.000 heraus. Er steht jetzt in meinem Museum neben dem kleinen Benzinwägelchen, an dem ich meine Versuche begann und das zum ersten Mal im Frühjahr 1898 zu meiner Zufriedenheit lief. Ich fuhr den Wagen gerade, als die Reisstare in Dearborn einzogen, und die kehren immer am 2. April zurück. Die beiden Wagen sind in ihrer äußeren Gestalt grundverschieden und in Bau und Material fast ebenso ungleich. Nur der Grundriss ist seltsamerweise fast unverändert bis auf einige Schnörkel, die wir an unseren modernen Wagen nicht wieder aufgenommen haben. Denn jenes kleine, alte Wägelchen lief, obwohl es nur zwei Zylinder besaß, zweiundachtzig Kilometer in der Stunde und hielt mit seinem Benzinbehälter von nur zwölf Litern volle hundert Kilometer aus. Und auch heute noch ist es so gut wie am ersten Tage! Die Bauart hat sich eben weniger rasch entwickelt als die Herstellungstechnik und die Materialverwendung. Vervollkommnet hat sich natürlich auch diese; der heutige Ford-Wagen – »Modell T« – hat vier Zylinder, einen Selbstanlasser und ist überhaupt in jeder Hinsicht ein bequemerer und praktischerer Wagen. Er ist einfacher als sein Vorgänger, aber fast jeder Teil ist bereits in dem Urbild enthalten. Die Änderungen verdanken wir unseren Erfahrungen in der Herstellung und keineswegs einem neuen Grundprinzip – woraus ich die wichtige Lehre ziehe, dass es besser ist, alle Kraft einzusetzen, eine gute Idee zu vervollkommnen, statt anderen, neuen Ideen nachzujagen.
Das Farmerleben trieb mich dazu, neue und bessere Transportmittel zu erfinden. Ich wurde am 30. Juli 1868 auf einer Farm bei Dearborn in Michigan geboren, und die ersten Eindrücke, deren ich mich entsinnen kann, waren, dass es dort, an den Resultaten gemessen, viel zu viel Arbeit gab. Auch heute habe ich in Bezug auf das Farmerleben noch das gleiche Gefühl.
Es heißt, dass meine Eltern sehr arm waren und es schwer hatten. Sie waren zwar nicht reich, aber von wirklicher Armut konnte nicht die Rede sein. Für Michigan-Farmer waren sie sogar wohlhabend. Mein Geburtshaus steht noch und gehört mitsamt der Farm zu meinen Liegenschaften.
Auf unserer wie auf anderen Farmen gab es damals zu viel schwere Handarbeit. Schon in meiner frühesten Jugend glaubte ich, dass sich vieles irgendwie auf eine bessere Art verrichten ließe. Darum wandte ich mich der Technik zu – wie auch meine Mutter behauptete, ich sei der geborene Techniker. Ich besaß eine Werkstatt mit allen möglichen Metallteilen anstelle von Werkzeugen, bevor ich noch etwas anderes mein Eigen nennen konnte. Zu jener Zeit gab es noch kein neumodisches Spielzeug; was wir hatten, war selbst gefertigt. Meine Spielsachen waren Werkzeuge – wie auch heute noch. Jedes Stück einer Maschine war für mich ein Schatz.
Das wichtigste Ereignis jener Knabenjahre war mein Zusammentreffen mit einer Lokomobile etwa zwölf Kilometer von Detroit, als wir eines Tages zur Stadt fuhren. Ich war damals zwölf Jahre alt. Das zweitwichtigste Ereignis, das noch in das gleiche Jahr fiel, war, eine Uhr geschenkt bekommen zu haben.
Ich kann mich an die Maschine erinnern, als wäre es gestern; war sie doch das erste nicht von Pferden gezogene Fahrzeug, das ich in meinem Leben zu Gesicht bekam. Sie war in der Hauptsache dazu bestimmt, Dreschmaschinen und Sägewerke anzutreiben und bestand aus einer primitiven fahrbaren Maschine mit Kessel und einem hinten angekoppelten Wasserbehälter und Kohlenkarren. Zwar hatte ich schon viele von Pferden gezogene Lokomobilen gesehen; diese jedoch hatte eine Verbindungskette zu den Hinterrädern des wagenähnlichen Gestells, das den Kessel trug. Die Maschine war über dem Kessel montiert, und ein einziger Mann auf der Plattform hinter dem Kessel genügte, um die Kohlen zu schaufeln und Ventil und Steuer zu bedienen. Gebaut war die Maschine von Nichols, Shepard & Company aus Battle Creek. Das fand ich sofort heraus. Man hatte gestoppt, um uns mit den Pferden vorbeizulassen, und ich war herunter vom Wagen und im Gespräch mit dem Führer, noch ehe mein Vater, der kutschierte, wusste, was eigentlich los war. Der Führer freute sich sehr, mir alles erklären zu können, denn er war stolz auf seine Maschine. Er zeigte mir, wie man die Kette vom Treibrad löste und einen kleinen Treibriemen zum Antreiben anderer Maschinen auflegte. Er erzählte mir, dass die Maschine zweihundert Umdrehungen in der Minute machte, und dass die Antriebskette sich auskuppeln ließ, um den Wagen zum Stehen zu bringen, ohne die Maschine außer Betrieb setzen zu müssen. Letzteres ist eine Einrichtung, die sich, wenn auch in veränderter Form, bei unserem modernen Auto wiederfindet. Sie ist bei Dampfmaschinen, die sich leicht abstoppen und wieder in Gang bringen lassen, nicht von Bedeutung, umso mehr aber bei Benzinmotoren.
Jene Lokomobile ist daran schuld, dass ich in die Automobiltechnik hineingeriet. Ich versuchte, Modelle herzustellen und brachte einige Jahre später auch ein recht brauchbares zusammen. Von jener Zeit an, da ich als zwölfjähriger Junge mit der Lokomobile zusammentraf, bis auf den heutigen Tag, hat mein stärkstes Interesse dem Problem der Herstellung einer selbsttätig fahrbaren Maschine gegolten.
Wenn ich zur Stadt fuhr, hatte ich die Taschen stets voller Krimskrams: Schraubenmuttern und Eisenteilchen. Nicht selten bekam ich kaputte Uhren in die Hände, die ich dann zusammenzusetzen versuchte. Mit dreizehn Jahren gelang es mir zum ersten Mal, eine Uhr zusammenzusetzen, sodass sie richtig ging. Mit fünfzehn Jahren konnte ich fast jede Uhr reparieren – obgleich meine Werkzeuge ganz primitiv waren. Solche Bastelei ist ungeheuer wertvoll; aus Büchern lässt sich nichts Praktisches lernen. Maschinen sind für einen Techniker das Gleiche wie Bücher für einen Schriftsteller, und der echte Mechaniker müsste eigentlich von fast allem wissen, wie es hergestellt wird. Daraus schöpft er Ideen, und wenn er ein Hirn hat, wird er versuchen sie anzuwenden.
Von Anfang an vermochte ich der Farmerarbeit kein sonderliches Interesse abzugewinnen. Ich wollte mit Maschinen zu tun haben. Mein Vater war nicht ganz einverstanden mit meinem Hang zur Mechanik. Er wollte, dass ich Farmer würde. Als ich mit siebzehn Jahren aus der Schule kam und als Lehrling in die mechanische Werkstatt der Drydocks Engine Works eingestellt wurde, hielt man mich fast für verloren. Ich absolvierte meine Lehrjahre leicht und mühelos – das heißt, ich hatte mir alle für einen Maschinenbauer erforderlichen Kenntnisse bereits lange vor Ablauf meiner dreijährigen Lehrzeit angeeignet –, und da ich außerdem noch eine Vorliebe für Feinmechanik und eine besondere Neigung zu Uhren besaß, arbeitete ich des Nachts in der Reparaturwerkstatt eines Juweliers. Einmal besaß ich in jenen Jugendjahren, wenn ich nicht irre, über dreihundert Uhren. Ich glaubte, für rund dreißig Cents bereits eine brauchbare Uhr herstellen zu können, und wollte ein derartiges Geschäft anfangen. Ich unterließ es jedoch, weil ich mir ausrechnete, dass Uhren im Allgemeinen nicht zu den unbedingten Notwendigkeiten des Lebens gehörten, und dass daher nicht alle Leute sie kaufen würden. Wie ich zu diesem erstaunlichen Schluss gelangte, weiß ich nicht mehr genau. Mir gefiel die gewöhnliche Juwelier- und Uhrmacherarbeit, außer wenn sie besonders schwierige Aufgaben stellte, nicht besonders. Schon damals wollte ich irgendeinen Massenartikel herstellen. Es war ungefähr um die Zeit, als in Amerika eine allgemeine Standardzeit für den Eisenbahnverkehr aufgestellt wurde. Bis dahin hatte man sich nach der Sonne gerichtet, und lange war die Eisenbahnzeit, genau wie heute, nach Einführung der Sommerzeit von der Lokalzeit verschieden. Das machte mir viel Kopfzerbrechen, und es gelang mir, eine Uhr herzustellen, die beides anzeigte. Sie hatte ein doppeltes Zifferblatt und galt in der ganzen Gegend als eine Art Kuriosum.
1879 – rund vier Jahre nach meinem ersten Zusammentreffen mit der Nichols-Shepard-Lokomobile – verschaffte ich mir die Gelegenheit, eine Lokomobile zu fahren, und als meine Lehrzeit zu Ende war, arbeitete ich mit dem Lokalvertreter der Westinghouse Company von Shenectady zusammen als Sachverständiger für Montage und Reparatur ihrer Lokomobilen. Die Maschinen waren denen der Nichols, Shepard & Company sehr ähnlich, nur, dass hier die Maschine vorn und der Kessel hinten montiert waren, wobei die Kraft durch einen Treibriemen auf die Hinterräder übertragen wurde. Sie legten in einer Stunde bis zu zwanzig Kilometer zurück, obgleich die motorisierte Fortbewegung bei der Konstruktion doch nur eine Nebenrolle spielte. Mitunter wurden sie auch als Schlepper für schwere Lasten benutzt, und wenn der Besitzer zufällig gleichzeitig mit Dreschmaschinen arbeitete, kuppelte er seine Dreschmaschine und sonstigen Gerätschaften einfach an die Lokomobile an und zog damit von Farm zu Farm. Was mir zu denken gab, waren Gewicht und Kosten der Lokomobilen. Sie wogen mehrere Tonnen und waren so teuer, dass nur ein Großgrundbesitzer sie sich anschaffen konnte. Meist waren ihre Besitzer Leute, die das Dreschen als Geschäft betrieben, oder Sägewerkbesitzer und...
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