"Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen, thun kund und fügen hiermit zu wissen:
"Nachdem die derzeitigen Vorsitzenden der «Gesellschaft für deutsche Colonisation» Dr.Carl Peters und Unser Kammerherr, Felix, Graf Behr-Bandelin, Unseren Schutz für die Gebietserwerbungen der Gesellschaft in Ostafrika, westlich von dem Reiche des Sultans von Sansibar, außerhalb der Oberhoheit anderer Mächte, nachgesucht und Uns die von besagtem Dr.Carl Peters zunächst mit den Herrschern von Usagara, Nguru, Useguha und Ukami im November und December v. J. abgeschlossenen Verträge, durch welche ihm diese Gebiete für die deutsche Colonisationsgesellschaft mit den Rechten der Landeshoheit abgetreten worden sind, mit dem Ansuchen vorgelegt haben, diese Gebiete unter Unsere Oberhoheit zu stellen, so bestätigen Wir hiermit, daß Wir diese Oberhoheit angenommen und die betreffenden Gebiete, vorbehaltlich Unserer Entschließungen auf Grund weiterer Uns nachzuweisender vertragsmäßiger Erwerbungen der Gesellschaft oder ihrer Rechtsnachfolger in jener Gegend, unter Unseren Kaiserlichen Schutz gestellt haben. Wir verleihen der besagten Gesellschaft unter der Bedingung, daß sie eine deutsche Gesellschaft bleibt, und daß die Mitglieder des Directoriums oder die sonst mit der Leitung betrauten Personen Angehörige des Deutschen Reiches sind, sowie den Rechtsnachfolgern dieser Gesellschaft unter der gleichen Voraussetzung, die Befugniß zur Ausübung aller aus den Uns vorgelegten Verträgen fließenden Rechte, einschließlich der Gerichtsbarkeit, gegenüber den Eingeborenen und den in diesen Gebieten sich niederlassenden oder zu Handels- und andern Zwecken sich aufhaltenden Angehörigen des Reiches und anderer Nationen, unter der Aufsicht Unserer Regierung und vorbehaltlich weiterer von Uns zu erlassender Anordnungen und Ergänzungen dieses Unseres Schutzbriefes.
"Zu Urkund dessen haben wir diesen Schutzbrief Höchsteigenhändig vollzogen und mit Unserm Kaiserlichen Insiegel versehen lassen.
"Gegeben Berlin, den 27.Februar 1885.
(gez.) Wilhelm.
(ggz.) v. Bismarck."
Die Besitzungen in Ostafrika, an deren möglichste Erweiterung Dr.Peters sofort bei seiner Rückkehr nach Berlin dachte, mußten eine feste, energisch arbeitende Regierung erhalten. Der Ausschuß der Gesellschaft für deutsche Colonisation war nach den Satzungen dazu nicht geeignet; seine Aufgabe war eine allgemeine, nach vielen Richtungen hin wirkende Thätigkeit; mit der Entsendung der Expedition Peters und Genossen hatte er seine erste That vollbracht und abgeschlossen. Es stellte daher Dr.Peters am 12.Februar 1885 an den Ausschuß der Gesellschaft den Antrag: "ein Directorium aus fünf Mitgliedern auf 15Jahre zu ernennen, welchem die Ausübung der in Afrika erworbenen Rechte unter Zuziehung der verschiedenen Interessentengruppen allein und ausschließlich zusteht". Der Antrag wurde einstimmig angenommen. Damit war der Keim zur Gründung der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft gelegt und mit Recht datirt sie von diesem 12.Februar 1885 ihren Geburtstag. In einer Versammlung an demselben Tage traten die Besitzer von Antheilscheinen von 50Mark und in jener vom 27.Februar diejenigen, welche 500 und 1000Mark am 19.August 1884 als Beitrag gezeichnet hatten, der neugebildeten Gesellschaft bei. Eine große Schwierigkeit bereitete die juristische Form für dieselbe. Eine Actiengesellschaft schien nach den bestehenden Gesetzen nicht anwendbar; eine offene Handelsgesellschaft bedingte die Haftbarkeit des Gesammtvermögens aller Theilnehmer. Man suchte und fand einen Ausweg, indem man die juristische Organisation der Gesellschaft den Bestimmungen einer Commanditgesellschaft anpaßte. Das Directorium constituirte sich als Gesellschaft mit Haftung seiner sämmtlichen Mitglieder; die Antheilscheininhaber traten als stille Theilnehmer mit den fünf Mitgliedern des Directoriums in ein Vertragsverhältniß.
Am 2.April 1885 wurde die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft unter der Firma "Carl Peters und Genossen" in das Gesellschaftsregister eingetragen. Persönlich haftende Mitglieder waren Dr.Peters, Dr.F.Lange, Consul Roghé und Hofgarten-Director Jühlke. Graf Behr-Bandelin betheiligte sich als Commanditist nur mit einem bestimmten Betrage seines Vermögens.
Die unter demselben Datum angenommenen Satzungen bestimmten:
1) Zweck der Gesellschaft: Erwerb, Besitz, Verwaltung und Verwerthung von Ländern, sowie deutsche Colonisation im Osten Afrikas.
2) Die Besitzer von Antheilscheinen treten in ein Vertragsverhältniß zum Directorium, das sich als juristische Person constituirt.
3) Das Directorium, aus 5Mitgliedern bestehend und auf 15Jahre von den Mitgliedern eingesetzt, hat die vollständige und unbeschränkte Ausübung aller in Afrika erworbenen Rechte; freies Verfügungsrecht über die Gelder der Gesellschaft; das Recht der Einsetzung und Absetzung von Beamten; das Recht, neue Ländereien zu erwerben.
4) Satzungsänderungen können nur auf Antrag des Directoriums und mit Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder vorgenommen werden.
Die Executive, die eigentliche Geschäftsführung, übertrug man einem Verwaltungschef.
Eine straffere Organisation einer Gesellschaft ist nicht zu denken; sie schuf ein in jeder Beziehung verwendbares Werkzeug für die Hand eines Einzigen, des Verwaltungschefs; zu diesem wurde Dr.Peters ernannt. Er besaß das unbedingteste Vertrauen. Die ihm am 9.April 1885 ertheilte Generalvollmacht beweist dies. Sie lautete: "Namens der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft «Carl Peters und Genossen» ertheilen wir hierdurch dem Mitglied der Gesellschaft, Herrn Dr.Peters zu Berlin, die Vollmacht, die allgemein administrative und politische Leitung der Gesellschaft zu führen. Insbesondere ist derselbe hierdurch ermächtigt, die Beamten im Namen des Directoriums anzustellen, zu befördern, zu entlassen, die Aufsicht und Controle über dieselben zu führen, alle administrativen Anordnungen selbständig zu treffen, Befehle zu ertheilen, die Disciplin zu handhaben, Disciplinarstrafen zu verhängen. Diese Vollmacht hat Bezug auf alle Beamte der Gesellschaft in Deutschland wie in Afrika und sonst an andern Orten, Civilbeamte wie Militär und Militärbeamte. Ferner wird Herr Dr.Peters ermächtigt, als erster Executivbeamter der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft alle in sein Ressort fallenden Beschlüsse des Directoriums zur Ausführung zu bringen; in dringlichen Fällen ist er ermächtigt, Maßregeln und Bestimmungen für die Interessen der Gesellschaft auch ohne vorherige Einholung eines Directorialbeschlusses zu treffen; indeß ist er für derartige Acte dem Directorium verantwortlich."
Während die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft im Frühjahr 1885 sich auf diese Weise allmählich krystallisirte, neue Geldmittel zu beschaffen suchte und mit den Behörden in wichtigen und verwickelten Verhandlungen ihre Existenzberechtigung zu sichern trachtete, arbeitete Dr.Peters unausgesetzt an neuen Plänen, um an das "Ostafrikanische Schutzgebiet" neue weitausgedehnte Ländereien im Norden, Westen und Süden anzusetzen.
In Befolgung seiner Befehle, die mit lakonischer Kürze den Victoria-Nyanza und den Nyassa-See als Ziel- und Richtpunkte angaben und zu mancherlei Mißverständnissen führten, wurden vom Mai 1885 bis zum Februar 1886 folgende neue Gebiete unter die Oberhoheit der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft gebracht. Ich gebe sie in geographischer Ordnung von Nord nach Süd.
1) Die Nordostküste des Somali-Landes von Halule bis Warschekh. Durch Regierungsbaumeister Hörnecke und Lt. von Anderten. September 1885.
2) Die Küste des Somali-Landes an der Wubuschi-Mündung. Durch Dr.Jühlke, Lt. Günther und Janke. Herbst 1886.
3) Das Land nördlich und südlich vom Sabaki durch Lt. von Anderten. Januar 1886.
4) Usambara, Pare und Dschagga-Land am Kilimandscharo. Durch Dr.Jühlke und Prlt. Kurt Weiß. Mai 1885.
5) Usaramo. Durch Lt. Schmidt und Söhnge. Sept. 1885.
6) Kutu. Durch Graf Pfeil. Juni 1885.
7) Uhehe, Mahenge, Ubena und das Land der Wagindo zwischen Rufidschi und Rovuma. Durch Graf Pfeil. November 1885.
Die Besitzergreifung fand wie bisher durch Abschließen von Verträgen, Proclamationen und durch Hissen der Flagge statt. Stationen wurden nur in einzelnen Fällen errichtet. Eine wesentliche Veränderung fand in der Abfassung der Verträge statt, insofern sie nicht mehr den Erwerb des ganzen Landes als Privatbesitz der Gesellschaft enthielten, sondern nur das Recht der Ansiedelung auf noch nicht bebauten Ländereien.
Es ist kein Zweifel, daß mit all diesen fieberhaft rasch beschleunigten Landerwerbungen kein Rechtszustand geschaffen wurde, dessen unentrinnbarem Zwang die eingeborenen Häuptlinge in jeder Beziehung sich fügen mußten, aber die deutsche Hand war auf ein weitausgedehntes Gebiet gelegt worden, das zu berühren oder ohne weiteres zu ergreifen jeder andern Nation mit Entschiedenheit verwehrt werden konnte. Kam es zu Verwickelungen mit fremden Staaten, so hatte man eine feste Grundlage gewonnen, auf der man zu verhandeln und zu einem befriedigenden Abschluß zu gelangen vermochte, wie es später auch geschehen.
Der heftigste und erste Einspruch war von der zunächst etablirten und organisirten Staatsmacht zu befürchten, von dem Sultanat Sansibar. Der Küstenstrich vom Tana bis zum Rovuma war ihm unterthan: die Existenz von Walis und von stationirten regulären Truppen an verschiedenen Orten schlossen jeden Zweifel aus; aber eine irgendwie bestimmte Abgrenzung nach dem Innern des Festlandes konnte nirgends stichhaltig bezeichnet werden. Dem Sultan von Sansibar mag auch die Stipulation eines Abhängigkeitsverhältnisses unnöthig erschienen sein, da er bisher die...