Schweitzer Fachinformationen
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Wie wäre es mit einem Teekessel? Wie wäre es, wenn die Tülle beim Austreten des Wasserdampfs wie ein Mund auf- und zuklappte und hübsche Melodien pfiffe, Shakespeare aufsagte oder einfach mit mir ablachte? Ich könnte auch einen Teekessel erfinden, der mir zum Einschlafen mit Dads Stimme etwas vorliest, vielleicht auch einen ganzen Haufen Kessel, die im Chor den Refrain von »Yellow Submarine« singen, einen Song der Beatles, die ich wahnsinnig gern mag, denn die Entomologie ist eine meiner raisons d'être, und das ist eine französische Redewendung, die ich gelernt habe. Eine super Idee wäre auch, meinem Hintern beizubringen, beim Furzen zu sprechen. Ganz besonders komisch wäre es, ihm beizubringen, dass er jedes Mal »Das war ich nicht!« sagt, wenn ich einen unglaublich fiesen Furz loslasse. Und wenn ich je einen unglaublich fiesen Furz im Spiegelsaal loslassen sollte, der in Versailles ist, das bei Paris ist, das in Frankreich ist, versteht sich von selbst, würde mein Hintern sagen: »Ce n'était pas moi!«
Oder kleine Mikrophone etwa. Wie wäre es, wenn jeder eins schlucken würde und wenn sie über kleine Lautsprecher, die in den Taschen unserer Overalls steckten, unseren Herzschlag übertragen würden? Wenn man dann nachts mit dem Skateboard durch die Straßen fährt, könnte man den Herzschlag aller anderen Menschen hören, und sie könnten unseren hören, ähnlich wie mit einem Echolot. Ich frage mich allerdings, ob dann alle Herzen gleichzeitig zu schlagen begännen, denn Frauen, die zusammenleben, bekommen ja auch zur gleichen Zeit die Regel, darüber weiß ich Bescheid, obwohl ich es lieber nicht wüsste. Das wäre wirklich krass, nur die Station im Krankenhaus, wo die Babys auf die Welt kommen, die klänge wie ein Kronleuchter auf einem Hausboot, weil die Babys noch keine Zeit hatten, ihren Herzschlag aufeinander abzustimmen. Und beim Zieleinlauf des New York City Marathon wäre ein Krach wie im Krieg.
Außerdem gibt es ziemlich viele Situationen, in denen man sofort die Flucht ergreifen muss, aber Menschen haben keine Flügel, jedenfalls noch nicht, wie wäre es also mit einem Vogelfutter-Hemd?
Wie auch immer.
Vor dreieinhalb Monaten hatte ich meine erste Ju-Jutsu-Stunde. Aus nahe liegenden Gründen war ich sehr an Selbstverteidigung interessiert, und Mom war der Meinung, dass mir eine weitere körperliche Betätigung außer Tamburin-Spielen gut täte, also hatte ich vor dreieinhalb Monaten meine erste Ju-Jutsu-Stunde. Wir waren vierzehn Kinder im Kurs, und wir trugen alle blütenweiße Gewänder. Wir übten die Verbeugung, und dann setzten wir uns hin, indianermäßig, und Sensei Mark bat mich, zu ihm zu kommen. »Tritt mir in die Eier«, sagte er zu mir. Das ließ mich aufhorchen. »Excusez-moi?«, sagte ich. Er spreizte die Beine und sagte zu mir: »Ich möchte, dass du mir mit voller Wucht in die Eier trittst.« Er legte sich die Hände auf die Hüften, holte Luft und schloss die Augen, und ich kapierte, dass es ihm Ernst war. »Hammerhart«, sagte ich, dachte aber: Was zum? Er sagte zu mir: »Na los, Junge. Zertritt mir die Eier.« »Ihnen die Eier zertreten?« Er lachte laut auf, die Augen immer noch geschlossen, und sagte: »Selbst wenn du wolltest, könntest du mir die Eier nicht zertreten. Ich will dir nur zeigen, dass ein durchtrainierter Körper jeden Schlag wegstecken kann. Und jetzt tritt mir in die Eier.« Ich erwiderte: »Ich bin Pazifist«, und da die meisten Kinder in meinem Alter noch nicht wissen, was das ist, drehte ich mich um und erklärte es den anderen: »Ich finde es falsch, jemand anderem die Eier zu zertreten, ganz grundsätzlich.« Sensei Mark sagte: »Darf ich dich etwas fragen?« Ich drehte mich wieder zu ihm um und sagte: »>Darf ich dich etwas fragen?< ist doch schon eine Frage.« Er sagte: »Träumst du davon, ein Ju-Jutsu-Meister zu werden?« »Nein«, erwiderte ich, obwohl ich eigentlich auch nicht mehr davon träume, später den Juwelierladen unserer Familie zu übernehmen. Er sagte: »Möchtest du wissen, wie ein Ju-Jutsu-Schüler zum Ju-Jutsu-Meister wird?« »Ich will alles wissen«, sagte ich zu ihm, aber auch das stimmte nicht mehr. Er sagte zu mir: »Ein Ju-Jutsu-Schüler wird zum Ju-Jutsu-Meister, indem er seinem Meister die Eier zertritt.« Ich erwiderte: »Wirklich faszinierend.« Vor dreieinhalb Monaten hatte ich meine letzte Ju-Jutsu-Stunde.
Ich hätte jetzt so gern mein Tamburin dabei, weil ich trotz allem immer noch Bleifüße habe, und manchmal hilft mir das beim Spielen. Das schwierigste Stück, das ich auf meinem Tamburin spielen kann, ist »Der Hummelflug« von Nikolai Rimski-Korsakow, und das ist auch der Klingelton, den ich mir aufs Handy heruntergeladen habe, das ich nach Dads Tod bekam. Dass ich den »Hummelflug« kann, ist eigentlich ein Wunder, denn streckenweise muss man sehr schnell spielen, und das fällt mir ziemlich schwer, weil meine Handgelenke noch nicht kräftig genug sind. Ron wollte mir ein fünfteiliges Drum-Set kaufen. Money can't buy me love, versteht sich von selbst, aber ich habe ihn doch gefragt, ob auch ein Becken-Set von Zildjian dabei wäre. Er sagte: »Was immer du willst«, und dann nahm er sich mein Jo-Jo vom Schreibtisch und tat so, als führte er einen Hund aus. Er meinte es einfach nur nett, aber ich war unglaublich genervt. »Jo-Jo moi!«, habe ich gesagt und riss ihm das Ding aus der Hand. In Wahrheit wollte ich sagen: »Du bist nicht mein Dad, und du wirst es nie sein.«
Ist doch krass, dass die Toten immer mehr werden, obwohl die Erde gleich groß bleibt und es irgendwann keinen Platz mehr gibt, um die Toten zu begraben, oder? Letztes Jahr hat mir Oma zu meinem neunten Geburtstag ein Abo für National Geographic geschenkt. Sie nennt die Zeitschrift immer »die National Geographic«. Und weil ich nur Weiß trage, hat sie mir außerdem einen weißen Blazer geschenkt, der mir viel zu groß ist, er bleibt mir also noch lange erhalten. Sie hat mir auch Großvaters Kamera geschenkt, die ich aus zwei Gründen besonders gern mochte. Ich fragte sie, warum Großvater die Kamera nicht mitgenommen habe, als er sie verlassen hat. Sie sagte: »Vielleicht wollte er, dass du sie bekommst.« Ich sagte: »Aber da war ich doch minus dreißig Jahre alt.« Sie sagte: »Trotzdem.« Wie auch immer - faszinierend fand ich, dass laut National Geographic die Zahl der heute lebenden Menschen die Zahl all derer übertrifft, die im Laufe der Menschheitsgeschichte gestorben sind. Anders gesagt: Wenn alle Menschen zur selben Zeit Hamlet spielen wollten, ginge das nicht, weil es nicht genug Schädel gibt!
Wie wäre es mit unterirdischen Wolkenkratzern für die Toten? Sie befänden sich unter den Wolkenkratzern der Lebenden, die auf der Oberfläche stehen. Man könnte die Menschen hundert Stockwerke tief in der Erde begraben, und unter der Welt der Lebenden gäbe es eine Welt der Toten. Ich fände es auch krass, wenn der Fahrstuhl am Platz bleiben und stattdessen der Wolkenkratzer auf und ab fahren würde. Um ins 95. Stockwerk zu gelangen, müsste man einfach die Taste mit der Fünfundneunzig drücken, und dann würde das Stockwerk zu einem kommen. Das könnte unter Umständen ziemlich hilfreich sein, denn wenn man sich im fünfundneunzigsten Stockwerk befindet und unter einem ein Flugzeug einschlägt, könnte einen das Gebäude ins Erdgeschoss fahren, und dann wären alle in Sicherheit, selbst wenn man ausgerechnet an dem Tag sein Vogelfutter-Hemd zu Hause gelassen hätte.
Bisher bin ich nur zwei Mal mit einer Limousine gefahren. Beim ersten Mal war es schrecklich, obwohl die Limousine große Klasse war. Ich darf weder zu Hause noch in einer Limousine Fernsehen gucken, aber ich fand es trotzdem super, dass ein Fernseher im Auto war. Ich wäre total gern an der Schule vorbeigefahren, damit mich Toothpaste und The Minch in einer Limousine gesehen hätten, aber Mom meinte, die Schule läge nicht auf dem Weg, und wir dürften nicht zu spät zum Friedhof kommen. »Warum nicht?«, fragte ich, und das hielt ich für eine klasse Frage, denn wenn man genauer darüber nachdenkt, warum nicht? Inzwischen ist es anders, aber früher war ich Atheist, und das bedeutet, dass ich nur an Dinge geglaubt habe, die ich auch sehen konnte. Ich habe geglaubt, wenn man tot ist, ist man tot und fühlt nichts mehr und träumt auch nichts mehr. Es ist auch nicht so, dass ich jetzt an etwas glauben würde, das ich nicht sehen kann, bestimmt nicht. Inzwischen glaube ich eher, dass alles unglaublich kompliziert ist. Und im Übrigen haben wir Dad auch gar nicht wirklich beerdigt.
Obwohl ich mich ziemlich zusammenriss, fand ich es nervig, dass Oma mich immer wieder betatschte, und deshalb kletterte ich auf den Beifahrersitz und tippte dem Fahrer auf die Schulter, bis er endlich auf mich aufmerksam wurde. »Wie. Lautet. Ihre. Benennung«, fragte ich mit meiner Stephen-Hawking-Stimme. »Wie bitte?« »Er möchte wissen, wie Sie heißen«, sagte Oma von hinten. Er gab mir seine Karte.
GERALD THOMPSON
Sunshine Limousine
In allen fünf Bezirken
(212) 570-7249
Ich gab ihm meine Karte und sagte: »Sei. Gegrüßt. Gerald. Ich. Bin. Oskar.« Er fragte mich, warum ich so rede. Ich erwiderte: »Oskars CPU ist ein Neural Net Processor. Ein lernfähiger Computer. Je mehr Kontakt er mit Menschen hat, desto mehr lernt er.« Gerald sagte: »O«, und dann sagte er: »K.« Weil ich nicht genau wusste, ob er mich mochte, sagte ich: »Ihre Sonnenbrille ist große Klasse.« Er sagte: »Zweite Wahl, glaube ich.« »Kennen Sie viele Schimpfwörter?« »Ein paar schon.« »Ich darf keine Schimpfwörter benutzen.« »Ist ja die Härte.« »Was bedeutet >Ist ja die Härte<?«...
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