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Martin Florack, Karl-Rudolf Korte und Julia Schwanholz
Die Corona-Pandemie hält seit dem Jahr 2020 die Welt in Atem. Neben der Herausforderung, die gesundheitlichen Risiken zu beherrschen, ist politisch eine ausgewachsene Krise zu managen, deren zeitliches Ende ungewiss ist. Doch was zeichnet gutes Politikmanagement in der Pandemie aus? Wie ist es um dessen zentrale Konzepte, wie Kontrolle, Kommunikation, Meinung und Einfluss bestellt? Welche Interessenlagen und Machtkonstellationen dominieren in der Pandemie und wie wird (Expertinnen-)Wissen1 generiert und genutzt? Kurz: Wie belastbar und widerstandsfähig sind Demokratien in Ausnahmezeiten? Diese Fragen werden im Konzeptband am Beispiel der Bundesrepublik bearbeitet und in den 28 enthaltenen Beiträgen beantwortet. Dazu begeben sich die Autorinnen des Bandes in den fünf Abschnitten auf demokratische Spurensuche und arbeiten heraus, was bleibt und was wird aus der Corona-Pandemie 2020. Einige Autorinnen arbeiten mit der Szenerie einer vollendeten Zukunft: Was wird gewesen sein? Damit rückt eine Denkfigur ins Blickfeld, im Präsens des Jetzt schon so zu tun, als sei man bereits in der Zukunft angelangt. Das wertvolle Tempus des Futur II drückt eine Vermutung aus, dass eine vorausgedachte Handlung - in unserem Fall das demokratische Regieren - jetzt schon abgeschlossen sein wird.
Entstanden ist ein Konzeptband, der politikwissenschaftliche, soziologische, rechtswissenschaftliche, geschichtswissenschaftliche und praxisorientierte Momentaufnahmen zusammenführt und Herausforderungen für beziehungsweise Reaktionen von Politik und Gesellschaft aus verschiedenen Perspektiven illustriert. Redaktionsschluss für alle Beiträge war der Herbst 2020. Insofern sind alle in diesem Band enthaltenen Überlegungen in doppelter Hinsicht vorläufig: Weder waren zum Zeitpunkt der Fertigstellung alle Entwicklungstendenzen erkennbar. Denn gerade das Pandemiegeschehen der so genannten zweiten Welle im Herbst offenbarte die beschränkten Möglichkeiten, die Dynamiken seriös vorherzusehen. Noch konnte vor diesem Hintergrund wirklich gesichert sein, welche langfristigen Konsequenzen und Antworten sich aus der Corona-Pandemie für die oben gestellten Fragen ergeben würden.
Gerade aber mit Blick auf unseren spezifischen Gegenstand, die Auswirkungen der Pandemie auf die Demokratie und die Beschaffenheit ihrer Resilienz, soll dieser Band trotz und gerade angesichts dieser doppelten Unsicherheit Denkanstöße bieten. Wir begreifen die Texte als Beitrag zur »informierten Spekulation«. Denn der Gegenstand fordert uns als Sozialwissenschaftlerinnen geradezu zur diskursiven Intervention auf. Die Pandemie ist ein Stresstest für die Demokratie. Zugleich jedoch treibt uns die normative Grundhaltung an, dass sie diesen Stresstest überstehen muss. Egal, welche Opfer die Corona-Pandemie auf lange Sicht fordern wird, die Demokratie darf nicht dazu zählen.
Gleichwohl stellt die Pandemie eine besondere demokratische Herausforderung dar, für die historische Vergleiche fehlen. Der titelgebende Neologismus »Coronakratie« zielt genau hierauf ab. Wir reden damit keineswegs einer empirisch eindeutig belegbaren Wesensveränderung der freiheitlich-demokratischen Verfasstheit des politischen Systems das Wort. Erst recht meinen wir hiermit keine normative Überhöhung im Sinne eines erforderlichen oder erwünschten fundamentalen Wandels der Demokratie. Wohl aber geht es um das Ausloten eines andersartigen Modus des Regierens unter den Bedingungen des pandemischen Ausnahmezustandes. Diesen soll der vorliegende Band freigelegen und genauer bestimmen. Unsere Demokratie, verstanden als eine Lebensweise, die über bestimmte erlernte und eingeübte Kulturtechniken organisiert ist, hat sich dieser Tage als höchst widerstandsfähig und belastbar gezeigt. Wie bleibt diese Resilienz also Wesensmerkmal der »Coronakratie«?
Eingängig wird dieser Modus etwa, wenn es um das schwierige Verhältnis von Freiheit und Sicherheit geht und die zugleich schwierige und drängende Frage, was höher zu werten ist: Darf die Freiheit eines einzelnen Menschen dem gesundheitlichen Wohlergehen einer gesamten Bevölkerung untergeordnet werden? In der Pandemie ist genau dies zu entscheiden. Politik muss sich dieser Tage wiederkehrend mit einer Vielzahl an Dilemmata auseinandersetzen und verbindliche Entscheidungen treffen, damit rechtliche Klarheit für alle Bürgerinnen herrscht. Wie kann das angesichts dieser Grundkonstellation gelingen? Die Beiträge der fünf Teile des Buches tragen wichtige Antworten auf diese Fragen zusammen und ordnen sie in einen größeren gesellschaftlichen Kontext ein.
Was zeichnet das bundesrepublikanische Politikmanagement in der Corona-Krise aus? Mit dieser Frage beschäftigen sich die Beiträge von Karl-Rudolf Korte und Peter Graf Kielmansegg. Unter Corona-Bedingungen, so formuliert es Korte, habe sich ein neuer Mechanismus des Politikmanagements herausgebildet. Als »kuratiertes Regieren« bezeichnet er die erlebte Umwandlung rasanter, intransparenter Informationsverarbeitung in sortierte und erklärte politische Entscheidungen. Dass es dabei Legitimitätsgewinne und -verluste gegeben habe, stellt Kielmansegg heraus, der den starken Staat und eine über lange Zeit hinweg erfolgreiche Bekämpfung der Pandemie als Legitimitätsgewinn, demgegenüber Eingriffe in das Privatleben sowie die Gefahr des Staatsversagens als Legitimitätsverlust interpretiert.
Ist die Corona-Pandemie eine Krise? Ist sie ein Ausnahmezustand? Martin Florack und Julia Schwanholz gehen hierauf in ihren Beiträgen differenziert ein: Florack gelangt zu der Einschätzung, dass Krisen mittlerweile allgegenwärtig und eher den Normal- denn einen Ausnahmefall darstellen. Heutzutage konkurrierten zahlreiche verschiedene Krisen um öffentliche Wahrnehmung und Deutungsmacht. Schwanholz führt aus, dass die Pandemie zwar als Ausnahmezustand wahrgenommen werde, dies in staats- und verfassungsrechtlicher Hinsicht allerdings in Deutschland im Jahr 2020 unzutreffend ist, weil entsprechende Artikel im Grundgesetz fehlten. Beide Beiträge bemühen sich um Klärung und Abgrenzung ihrer Konzepte; denn sowohl der Krisenbegriff als auch der Ausnahmezustand leiden unter theoretischer Unschärfe und einer in der Literatur diversen und bisweilen schwammigen Begriffsverwendung.
Und wie geht es weiter? Rolf G. Heinze wagt einen optimistischen Blick Richtung Zukunft, indem er die Krise als Möglichkeitsmacherin auffasst, die dazu tauge, Reformprozesse anzustoßen beziehungsweise laufende Verfahren zu beschleunigen. Damit dies und das pandemische Politikmanagement insgesamt allerdings gelingen könne, müsse nach Frank Gadinger und Philipp Michaelis eine kommunikative Verbindung zwischen Entscheidungsträgerinnen und Bürgerinnen aufgebaut und gepflegt werden. Die Autoren plädieren für eine erzählerische Kommunikation, die weniger pragmatisch-technisch (wie das oft bemühte »Auf Sicht fahren«) ist als bisher.
Mit kommunikativer Symbolik befasst sich auch Timo Grunden, dessen Beitrag den zweiten Teil des Bandes einleitet: Nach der Fernsehansprache der Bundeskanzlerin mit dem wiederkehrenden Motiv der »Macht des Wir« wuchs - seiner Einschätzung nach - der Optimismus und es schwand die Angst. Merkel verstand es demnach, in Worte zu fassen, was im März viele Deutsche dachten. Dabei führt Grunden den Erfolg dieser Rede Merkels auf spezifische und seltene Kontextbedingungen zurück und schlussfolgert, dass sie im Falle anderer Krisen nicht so wirkmächtig gewesen wäre.
Wie arbeiten Parlamente und Parteien in der Corona-Pandemie? Mit dieser Frage befassen sich alle weiteren Beiträge des zweiten Abschnitts, und zwar aus unterschiedlichen Blickwinkeln: Julia Jennewein und Simone Korte-Bernhardt nehmen sich der landespolitischen Ebene am Beispiel des Landtags Rheinland-Pfalz an und beobachten eine parlamentarische ad-hoc-Digitalisierung, um arbeitsfähig zu bleiben. Gleichfalls setzte man in Mainz nach kürzester Zeit darauf, im Plenum - jedoch aufgrund der...
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